Ende der 1970er-Jahre entstanden in der englischsprachigen Filmtheorie politisierte Texte über den US-Horrorfilm, die bis heute, auch nach dem Ende der Hochzeit der psychoanalytischen Filmtheorie, noch wirkmächtig sind. Wirkmächtig zum einen für das akademische Verständnis des Genres, zum anderen aber auch für das populäre Verständnis des Sinns von Genreproduktionen. Robin Woods Formel der »Wiederkehr des Verdrängten« (»return of the repressed«), die sich auf den Leinwänden symbolisch vollziehen soll, war die griffigste und hat sich dementsprechend durchgesetzt: Das Monster entstammt demnach nicht mehr einem kategorial vom Eigenen verschiedenen Anderen, sondern ist mit dem Eigenen eng verbunden. Und je enger bzw. dialektischer diese Verbindung sich vom politisch ambitionierten Filmtheoretiker deuten lässt, desto eher kann man von einem »progressiven« – im Gegensatz zu einem »reaktionären« – Horrorfilm sprechen.

Die Idee eines »return of the repressed« im Genre ist eng verbunden mit einigen stilbildenden Horrorfilmen der 1970er- und 1980er-Jahre, die an den Rändern der Filmindustrie entstanden: die Zombiefilme George A. Romeros (ab 1968), Tobe Hoopers THE TEXAS CHAIN SAW MASSACRE (US 1974), John Carpenters HALLOWEEN (US 1978) und noch einige mehr. Man muss kein Nostalgiker sein, um in dieser Phase eine der filmästhetisch interessantesten in der Geschichte des Genres zu sehen. Die Remakes einiger zentraler Filme der damaligen Zeit hingegen werden von der Kritik meist nicht wohlwollend bedacht. Remake gilt vielen als Synonym für Ideenlosigkeit.

Der Mainzer Kulturwissenschaftler Christian Knöppler verbindet in seiner auf Englisch verfassten Dissertation einen nicht wertenden, analytischen Remake-Begriff mit dem Ansatz Robin Woods, um so eine vergleichende filmhistorische Perspektive zu entwickeln. Zentrale Thesen Woods können auch über dreißig Jahre nach dem Ersterscheinen seines stilbildenden Aufsatz »The American Nightmare« noch für die Genreanalyse fruchtbar gemacht werden. Das hat damit zu tun, dass sie, wenn man rigorose ideologische Filmkategorisierungen wie progressiv/reaktionär als vor allem zeitgenössische Phänomene sieht, offen genug sind, um als Blickausrichtung, als strukturbildendes Deutungsraster fungieren können – ohne dass man zwangsläufig die gleichen politisch-normativen Schlüsse ziehen müsste.

Der von Knöppler vorgeschlagene theoretische Zugriff auf das Remake geht nicht von einem kreativen Defizit aus, sondern von einer potenziell produktiven Konstellation. Das Remake erlaubt einen neuen Blick auf das Original wie auch auf das Genre insgesamt, ungeachtet seiner filmischen Qualität, die für Knöpplers Fragestellung keine Rolle spielt: »Remakes […] have the potential to both challenge and confirm the genre canon« (249).

Knöppler geht nicht von der freudianischen Formel einer Wiederkehr des Verdrängten aus, sondern von einem weiteren zentralen interpretatorischen Schlüssel Woods: »Normality is threatened by the monster« (78). In der Analyse des Bildes der Normalität, das der jeweilige Film konstruiert, und in der Gegenüberstellung dieses Bildes mit der Monsterfigur des jeweiligen Films, lässt sich zeigen, was der Film über das Genre und die Welt und vor allem über die in dieser Welt zu findenden kulturell tradierten Ängste zu erzählen weiß.

Knöpplers Buch gliedert sich in zwei Teile: eine vergleichsweise knappe Einleitung, die die theoretischen Prämissen entfaltet und einen Teil, der sechs Filmanalysen versammelt. In jeder der Analysen werden ein Originalfilm und ein oder mehrere Remakes zueinander in Beziehung gesetzt. Unter »remake« versteht Knöppler dabei eine Neuverfilmung im engeren Sinne: »the conscious, declared, legally sanctioned film remake« (60). Thematisiert werden vor allem Remakes, die auf die 2003 erschienene Neuverfilmung von THE TEXAS CHAIN SAW MASSACRE (US 2003, Regie: Marcus Nispel) folgten: Zack Snyders DAWN OF THE DEAD (US 2004), Rob Zombies HALLOWEEN (US 2007), THE THING (US/CA 2011, Regie: Matthijs van Heijningen) (dessen Vorlage, John Carpenters THE THING (US 1982) wiederum ein Remake von THE THING FROM ANOTHER WORLD (US 1951, Regie: Christian Nyby) darstellt), der vergleichsweise unbekannte THE CRAZIES (US 2010, Regie: Breck Eisner) (im Original von George A. Romero, US 1973), die vier INVASION-OF-THE-BODYSNATCHERS-Filme (von Don Siegels 1956 erschienenen Original bis zu Oliver Hirschbiegels THE INVASION von 2007).

Die Analysen argumentieren dabei erfreulich nahe am Filmverlauf. Der Vergleich des 1974 entstandenen THE TEXAS CHAIN SAW MASSACRE mit dem Remake von 2003 lässt erkennen, wie der Film das destruktive titelgebende Massaker in narrativ konventionellere Bahnen überführt: Die Heldin lässt nun, als genretypisches ›final girl‹, größere Handlungsmacht erkennen, die Unerklärlichkeit der Gewalt wird in einer sinngebenden Vergehen-/Bestrafungsdynamik aufgelöst. Sogar ein Verweis auf christliche Ikonografie ist zu finden, wo im Original noch die verstörende Abwesenheit jedes sinnstiftenden Zusammenhangs festzustellen ist.

Eine ähnliche Konventionalisierung lässt sich im Vergleich der beiden DAWN-OF-THE-DEAD-Filme konstatieren. Hier hängt sie mit einer weitgehenden Streichung des kapitalismuskritischen Subtextes von Romeros Original zusammen. Der Zerfall der Gruppe, die bei Romero nicht nur an der Übermacht der Untoten scheitert, sondern auch an sich selbst, wird nun in pragmatischere Wege gelenkt. Der gesunde Menschenverstand ist eine Größe, auf die man in der Welt des Remakes nach wie vor bauen kann. Bei Romero gab es dieses Vertrauen noch nicht. Der offensichtlichste Unterschied aber: Der Film von 2004 würde Kategorien wie menschlich/monströs nicht auflösen, sondern verstärken (vgl. 182). Bei Zack Snyder regiert das filmisch hochtourige Spektakel. Bei Romero die Inszenierung eines beklemmend ausweglosen Zerfalls.

Das Ergebnis der Analyse ist im Falle von Snyders DAWN OF THE DEAD nicht neu, war aber bisher noch nicht so umfassend gebündelt zu lesen. Knöppler bezieht sich fortlaufend auf die existierende Literatur zu den von ihm verhandelten Filmen. Damit lässt sich sein Buch auch als eine äußerst brauchbare Einführung in den aktuellen Stand der Debatte um das zeitdiagnostische Potenzial von Horrorfilmen lesen.

The Monster Always Returns schnürt seine Einzelanalysen am Ende erfreulicherweise nicht zu einer platten zentralen zeitdiagnostischen These zusammen. Knöppler argumentiert überzeugend, dass viele der von ihm analysierten Konventionalisierungen mit veränderten Produktionsbedingungen zu tun haben (vgl. 247). Die Filme der 1970er-Jahre wurden von Firmen, die jenseits des etablierten Studiosystems situiert waren, produziert oder waren gar, wie etwa Romeros NIGHT OF THE LIVING DEAD, zu weiten Teilen von den Filmemachern selbst finanziert. Das Remake von DAWN OF THE DEAD hingegen musste sein Budget von 26 Millionen Dollar wieder einspielen.

Die detailgenauen Analysen müssen im Vergleich zu den Arbeiten Robin Woods nicht mehr zur Stützung einer primär politischen Perspektive taugen. Wenn Knöppler die »further dehumanization of monsters« (247) in den Remakes konstatiert, findet er immer noch genügend Aspekte und gegenläufige Trends, die ein eindeutiges und damit gerade zwangsläufig vereinfachendes Ergebnis unterlaufen: »It would seem that the current remakes largely continue on the ideological path described by Wood, but as the detailed analysis has shown, the stances of the individual films are usually more complex than Wood’s political dichotomy suggests« (247). So können auch gegenläufige Filme – wie etwa Rob Zombies HALLOWEEN-Remake – miteinbezogen werden. Die Produktivität der eigenen Perspektive beweist sich wie immer an den einzelnen Filmen, nicht in der Behauptung von schematischen Tendenzen. Die Verbindung von Filmbild und den ›cultural fears‹ ist trotzdem gegeben und wird hier plausibel bestimmt und entfaltet.

Autor

Dr. Benjamin Moldenhauer, Studium der Soziologie, Philosophie und der Kulturwissenschaften in Bremen und Wien. Schreibt regelmäßig für Spiegel online, taz, Neues Deutschland und das Filmmagazin ray. Seine Monografie Ästhetik des Drastischen. Welterfahrung und Gewalt im Horrorfilm (Bertz+Fischer 2016) erschien 2017 in der zweiten Auflage.

Konkurrierende Interessen

Der Autor hat keine konkurrierenden Interessen zu erklären.

References

Wood Robin (2003) »The American Nightmare: Horror in the 1970s«. In: Hollywood from Vietnam to Reagan, and beyond, 70-94. Columbia UP