2015 erschienen zwei Publikationen, die sich im weitesten Sinne beide mit dem Zusammenhang von DOCTOR WHO und Temporalität befassen. In Out of Time. The Deaths and Resurrections of Doctor Who widmet sich Alec Charles einer Analyse der titelgebenden Tode und Wiederauferstehungen des Doctors, Time Lord und Protagonist der BBC-Serie DOCTOR WHO (UK 1963–, Idee: Sydney Newman, C. E. Webber, Donald Wilson). Die Möglichkeit einer Wiedergeburt des Titelhelden, die immer auch mit einem Besetzungswechsel einhergeht, bildet, so Charles, ein zentrales Element der Serie. Um diese Ereignisse gruppieren sich Momente von »persistence and change« (5), die es gleichzeitig erlauben, mit dem Ton der Serie frei zu spielen und doch einen Kern an Werten und Grundthemen aufrecht zu erhalten (vgl. 7). So erneuert sich mit einem neuen Doctor nicht nur der Protagonist, auch die Serie selbst kann sich verjüngen und verändern (vgl. 55 f., 60), ohne für die Zuschauer unkenntlich zu werden. Dabei werden diese mit einem Held konfrontiert, von dem unklar ist, ob er nur ein neues Gesicht hat, oder zu einer komplett neuen Person geworden ist, der aber dennoch meist als derselbe Mann wahrgenommen wird. Charles stellt die philosophische Überlegung an, ob der Doctor eigentlich wiederaufersteht, wenn er scheinbar weder Aussehen, noch Erinnerungen, noch den Charakter seiner vorherigen Manifestationen besitzt (vgl. 56 f., 107 ff), und fragt gleichzeitig, was die Figur des Doctors wie auch die Serie zu einer Einheit werden lässt.

Die Darstellung von Wiedergeburt ist, laut Charles, bestimmend für den Kern der Serie und die damit verknüpften Themen »time, divinity and death« (6). Mit der Eigenschaft der Regeneration sind dabei mehrere widersprüchliche Aspekte der Charakterisierung des Doctors verknüpft, die Charles verfolgt. Zum einen kennzeichnen die Wiederauferstehungen den Time Lord als eine Art Messias-Figur. Nicht nur bestimmt das »quasi-Christ image of the cruciform Time Lord« die Darstellung der »regenerations of the ninth, tenth and eleventh« (139) Doctor, auch die Form der Verehrung der fiktiven Figur durch die Fans zeigt religiöse Züge (vgl. 139 f.). Gleichzeitig konstruieren viele Folgen der Serie den Doctor als Heilsbringer und Retter der Menschheit. Zum anderen waren in der Literatur des neunzehnten Jahrhunderts Wiedergänger jedoch klar negativ gekennzeichnet: »Inexplicable magical resurrections tended to the province of such profoundly unholy revenants as diabolical vampires and manmade ghouls« (15). Charles erklärt, dass Auferstehung nun auch Helden zugestanden wird, weißt jedoch auf eine Reihe von Figuren hin, die in DOCTOR WHO nach Unsterblichkeit trachten. Dieses Unterfangen wird stets als »state of decadence and of parasitism« (75) inszeniert und problematisiert so einerseits die Konnotationen der Unsterblichkeit des Doctors und stellt andererseits die Unsterblichkeit dem Tod als »fate worse than death« (65) gegenüber. Charles ergänzt, dass der Doctor nur bedingt als unsterblich bezeichnet werden kann. Vielmehr stellt er für den Time Lord einen Prozess der Verschiebung fest. Der Doctor »keeps relentlessly not dying« (67) und ist damit eine Figur die »not infinite life but indefinite life« (71) besitzt. Dies rückt den Doctor näher an die Menschen, deren Lebensspanne ebenfalls einen Endpunkt besitzt, der nicht definiert ist und so jeden Tag aufs Neue verschoben wird (vgl. 128). Gleichzeitig werden dem Doctor menschliche Begleiter zur Seite gestellt, die diesen an die menschliche Zeit oder Zeit generell binden (vgl. 72) und mit denen und für die er stets Möglichkeiten eines Aufschubs des Todes mittels der Neuordnung von zeitlichen Abläufen verhandelt (vgl. 111).

Charles wirft in seinem Buch einige interessante Fragen auf und trägt elementare Einsichten zur Serie zusammen. Die Behauptung, Themen wie Zeit, Tod und Wiederauferstehung seien im Kern der Serie verankert und bildeten ein Fundament, das über Jahrzehnte, Schauspieler und Autoren hinweg ein Stammpublikum sowie neue Generationen an Zuschauern fasziniert, überzeugt. Bedauerlicherweise sind diese Ausführungen Bestandteil eines größtenteils unstrukturierten Ganzen, welches das Buch zu einem wenig vergnüglichen Leseerlebnis macht. Out of Time hat keine Einleitung und keine klare These, so dass der Argumentation ein roter Faden fehlt. Oft bleibt es ein Rätsel, was gewisse Ausführungen genau mit DOCTOR WHO zu tun haben oder aber zu welcher Diskussion sie gerade genau beitragen. Auch schweift das Buch immer wieder ab, um ähnliche oder angrenzende Thematiken am Beispiel von anderen Serien zu erläutern. So listet Charles etwa raumeinnehmend Serien auf, bei denen eine Rolle einen Besetzungswechsel erfahren hat oder in der Bösewichte oder Helden wieder auferstanden sind. Dies trägt meist wenig zu einem tieferen Verständnis von DOCTOR WHO bei und verwässert die Argumentation so stark, dass DOCTOR WHO mitunter ganz aus dem Blick gerät.

Darüber hinaus lässt es Out of Time an Genauigkeit fehlen. Wohl der Fülle des Materials geschuldet, welches alle Staffeln der Serie umspannt, blickt Charles eher auf die groben Zusammenhänge, als detailliert zu arbeiten. Für Freunde des Close Readings ist der Band daher von geringem Interesse. Besonders negativ fällt außerdem die extrem fehlerhafte Zitation auf. Zitate aus den einzelnen Folgen sind weder mit Zeitangaben noch anderen Quellenangaben versehen. Häufig ist unklar, aus welcher Folge gerade zitiert wird. Auch lassen sich DOCTOR WHO sowie andere besprochene Serien, nicht in der Bibliografie finden. Das theoretische Fundament der Arbeit weist ebenfalls Lücken auf. So behauptet Charles etwa unreflektiert, dass die Geschichten von Rockefeller, Obama und Hitler alle ähnliche Muster aufwiesen und als »ascent to greatness« (14) Narrative bezeichnet werden könnten. Dies nicht genug, er widmet sich außerdem einer groben Analyse der Dramenstruktur von Shakespeare-Stücken ohne jeglichen Bezug zur Dramentheorie. Aktuelle Diskussionen zur Serialität werden ebenfalls ignoriert. Damit ist Out of Time ein Buch mit einer faszinierenden Idee im Zentrum, das leider an der Ausführung scheitert.

Matt Hills nähert sich in Doctor Who: The Unfolding Event – Marketing, Merchandising and Mediatizing a Brand Anniversary der Verknüpfung von Zeit und DOCTOR WHO von einer anderen Seite. Anhand des 50. Jubiläums der Serie untersucht Hills die Zusammenhänge unterschiedlicher paratextueller Bezüge, die sich um die Jubiläumsfolge THE DAY OF THE DOCTOR anordnen und das Jubiläum als sich über einen längeren Zeitraum entfaltendes Ereignis aufscheinen lassen.

The unfolding event […] is prefigured via audience expectations, and producer-audience interactions, configured via an array of (para)textual materials, and subsequently refigured by audience understandings and further producer-audience exchanges, as well as by forms of cultural recognition (reviews, features and awards). (25)

Ähnlich der von Charles untersuchten Regenerationen des Doctors schafft das Jubiläum einen Moment der Erneuerung, der es erlaubt, die Serie als jung und lebendig darzustellen (vgl. 9). Gleichzeitig wird dem gefeierten Produkt und über dieses der für die Produktion verantwortlichen BBC aktuellere Relevanz (vgl. 8, 42) und kulturelle Wertigkeit (vgl. 36) zugesprochen. Hills betont, dass diese Narrative besonders deutlich werden, wenn Paratexte nicht nur mit Blick auf ihren Bezug zum »anchoring text« (12) betrachtet werden, sondern gerade die Verbindungen der Paratexte zueinander, sowie deren Synergien und Widerstände bei der Konstruktion des Ereignisses THE DAY OF THE DOCTOR in den Fokus rücken. Für seine Untersuchung unterscheidet er zwischen Meta-Paratext, Inter-Paratext und Para-Paratext:

The anniversary meta-paratext constitutes a privileged framing of many other parartextual product and promotional bits of meaning, whilst inter-paratexts centrally reference other specific paratexts. Para-paratexts, meanwhile, work to (re)frame a targeted paratext. (16)

Drei Aspekte stehen dabei im Zentrum der Analyse: das Marketing und die Konstruktion der Marke DOCTOR WHO, Merchandisingartikel und deren Verflechtung mit dem Jubiläum sowie schließlich die mediale Präsentation von THE DAY OF THE DOCTOR als simultane Kino- und Fernsehausstrahlung, sowie 2- und 3D-Ereignis.

Mit Doctor Who: The Unfolding Event liefert Hills eine interessante Untersuchung, welche die Relevanz von Paratexten eindrucksvoll erläutert. Er führt etwa vor, wie Paratext und Markenbotschaft miteinander verwoben sind und wie im Netz des paratextuellen Zusammenspiels Botschaften, welche die Markenbotschaft unterwandern, verschwinden oder in Vergessenheit geraten (vgl. 48). Weiter zeigt er, dass Merchandising diskursive Macht besitzt. Dies wird am Beispiel der Jubiläumsedition von Doctor Who Monopoly deutlich. Die »monsters aand narrative threats are hierarchized, in line with the sets of Monopoly properties that move from the least to the most valuable« (63). Die Spielwelt wird damit zur »distorted, selective rendition of the Whoniverse« (ebd.). Äußerst positiv zu bewerten ist zudem Hills nüchterner Miteinbezug von Fans und Fandom in seine Überlegungen. Statt diese als simple Opfer von kommerziellen Marketingstrategien zu zeichnen, wird ihnen hier eine zentrale Rolle im Prozess des sich entfaltenden Ereignisses zugesprochen. Fans antizipieren das Jubiläum, verhandeln seine Bedeutung im Augenblick der Ausstrahlung und danach und konsumieren es in Form von Merchandising, das später als Andenken Teil der Erinnerungen an das Ereignis wird.

Einzig an Doctor Who: The Unfolding Event zu kritisieren, wäre wohl die Tatsache, dass Hills so selbstsicher und genau von Argument zu Argument wandert, dass er manchmal vergisst, seine LeserInnen mitzunehmen. Hier und da wünscht man sich, Hills würde kurz innehalten und Begriffe genauer definieren, die man sich nun aus dem Zusammenhang erklären muss. Dies ändert jedoch nichts daran, dass der kompakte Band eine gelungene und spannende Arbeit darstellt.

                 Anika Ullmann

Autorin

Anika Ullmann promoviert an der Leuphana Universität Lüneburg. Das Thema ihrer Disseration lautet Doing Youth: Hacker Youth Novels and the Robin Hood Principle. Ihre Forschungsschwerpunkte sind Kinder- und Jugendliteraturtheorie, Queer Studies, Age Studies und Populärkultur. Außerdem schreibt sie für den Kinder- und Jugendmedienblog Footnoters.de.

Konkurrierende Interessen

Die Autorin hat keine konkurrierenden Interessen zu erklären.