Stanley Kubricks 2001: A SPACE ODYSSEY (US/GB 1968) ist ein unbestrittener Meilenstein des SF-Kinos, dessen Einfluss auf das Genre bis heute anhält und der entsprechend ausgiebig kommentiert wurde; angeblich wurde über keinen anderen Film so viel publiziert wie über 2001. Ob das nun stimmt oder nicht – es gibt in der Tat kaum einen Aspekt des Films, der nicht schon beleuchtet wurde. Anlässlich des 50. Geburtstags des SF-Epos ist 2018 eine Reihe neuer Bücher erschienen, die hier nun vorgestellt werden sollen.

Angesichts der Fülle an bereits existierender Literatur stellt sich bei jeder neuen Publikation zu 2001 unweigerlich die Frage, an wen sie sich richtet – an den interessierten Laien oder an Kenner*innen –, beziehungsweise, ob sie etwas Neues zum Thema beitragen kann. Letzteres ist nach wie vor möglich, denn die wissenschaftliche Beschäftigung mit Kubricks Œuvre hat sich in den vergangenen Jahren stark gewandelt, wie auch James Fenwick in der Einleitung des von ihm herausgegebenen Bands Understanding Kubrick’s 2001: A SPACE ODYSSEY. Representation and Interpretation feststellt (7–11). Lange wurde die Diskussion von formalistisch und semiotisch geprägten Ansätzen dominiert, welche Kubricks Filme in klassischer hermeneutischer Weise aus diesen heraus interpretierten. Ursächlich hierfür waren nicht nur die vorherrschenden Trends der Filmwissenschaft, sondern auch die Tatsache, dass sich Kubrick dem Publikum und der Presse weitgehend verweigerte und – wenn überhaupt – nur sehr zurückhaltend zu seinem Werk äußerte. Der Regisseur war somit lange fast ausschließlich über seine Filme greifbar. Dies änderte sich, als sich Kubricks Erben nach dessen Tod im Jahre 1999 dazu entschieden, seinen umfangreichen Nachlass öffentlich zugänglich zu machen. Das Stanley Kubrick Archive an der University of Arts in London, das seit 2007 allen Interessierten offensteht, hat zu einem eigentlichen archival turn in der Forschung geführt, infolgedessen die Produktionsumstände und Kubricks Arbeitsweise in den Vordergrund rückten.

Ein mögliches Einteilungsraster für die vorliegenden Bücher wäre somit die Frage, an wen sie sich richten und ob sie eher der ›alten‹ oder der ›neuen‹ Kubrick-Forschung zuzurechnen sind. Im Falle von Nils Daniel Peilers 201x2001 lässt sich das schnell beantworten: Das hundertseitige Bändchen ist eine typische Best-of-Publikation, wie sie anlässlich von Jubiläen eben veröffentlicht werden. Anhand von 201 Stichworten gibt Peiler allerlei Fakten und Anekdoten rund um den Film zum Besten, die man so oder ähnlich schon anderswo gelesen hat. Für Kubrick-Kenner*innen findet sich hier nichts Neues, und für alle anderen sind Michel Ciments und Alexander Walkers mittlerweile klassische Monografien zu Kubricks Werk eher zu empfehlen.

Ein Beispiel für den neuen quellenbasierten Ansatz ist hingegen Michael Bensons Space Odyssey: Stanley Kubrick, Arthur C. Clarke, and the Making of a Masterpiece, das die Entstehung des Films rekonstruiert. Bensons Buch ist nicht das erste Making-of, das aus den Archivbeständen schöpft. 2015 erschien im Taschen-Verlag bereits Piers Bizonys The Making of Stanley Kubrick’s 2001: A SPACE ODYSSEY. Bizonys Buch, das in typischer Taschen-Manier zuerst als limitierte Neun-Kilogramm-Luxusausgabe und erst später in einer abgespeckten, dafür aber erschwinglichen Version erschien, deckt die Geschichte der Produktion des Films bereits sehr gründlich ab. Es spricht für Benson, dass sein Buch dennoch viel neues Material bereithält. Sein Fokus gilt dabei Kubricks Zusammenarbeit mit seinen Mitarbeitenden, insbesondere mit seinem Co-Autor Arthur C. Clarke.

Kubrick erscheint in der Literatur oft als eine Art Super-Auteur, der beim Dreh bloß den Film umsetzte, den er bereits vor seinem geistigen Auge sah. Wie Benson deutlich macht, war Kubricks Arbeitsweise in Wirklichkeit eine ganz andere. Der Regisseur hatte nur selten eine klare Vorstellung davon, was er wollte, wusste aber meist sehr genau, was er nicht wollte. Die Produktion von 2001 folgte deshalb auch nicht einem detaillierten Masterplan, sondern vollzog sich als großer Trial-and-Error-Prozess, bei dem das Team stets mit neuen Vorschlägen aufwarten musste; Vorschläge, die der Meister in der Mehrheit ablehnte. Eine von Kubricks weniger bekannten Stärken, die Benson herausstreicht, war dessen Fähigkeit, Talente zu entdecken und zu fördern. Neben altgedienten Fachleuten waren an 2001 ungewöhnlich viele junge Mitarbeitende beteiligt, die kaum Erfahrung im Filmgeschäft besaßen und bald wichtige Aufgaben übernahmen.

Benson macht anschaulich, dass vieles, was heute als Besonderheit des Films wahrgenommen wird – nicht zuletzt seine insbesondere für eine Großproduktionen erstaunliche Offenheit – keineswegs von Anfang an geplant war, sondern erst im Laufe der Zeit, als Folge von Kubricks iterativer Vorgehensweise entstand. So war ursprünglich ein Prolog vorgesehen, in dem namhafte Wissenschaftler Überlegungen dazu anstellten, ob außerirdisches Leben existiert. Für das Ende enthielt das ursprüngliche Drehbuch einen Off-Kommentar, der erklärt, dass es sich beim rätselhaften schwarzen Monolithen um eine Art intergalaktische Alarmanlage handelt. Beides wurde wie so vieles andere verworfen.

Neben den üblichen Anekdoten, wie Kubrick sein Team regelmäßig sowohl zu Höchstleistungen als auch zur Verzweiflung trieb, geht Bensons Buch zudem auf eine weniger erfreuliche Seite des Regisseurs ein: Wenn es um die Bezahlung seiner Mitarbeiter ging, hatte Kubrick sehr klare Vorstellungen. Seinen Co-Autor etwa zog der Regisseur finanziell regelrecht über den Tisch: Clarke, der zu dieser Zeit mit finanziellen Problemen kämpfte, war nicht nur vertraglich verpflichtet, mit der Veröffentlichung seines Buches bis zum Erscheinen des Films zu warten – ein Datum, das mehrfach nach hinten verschoben wurde –, er war zudem nicht an den Einspielergebnissen beteiligt. Kubrick hingegen erhielt vierzig Prozent der Einnahmen des Romans. Ähnlich bei der Vergabe der Credits: Kubrick bestand darauf, dass er als Hauptverantwortlicher für die Special Effects aufgeführt wurde. Douglas Trumbull, dem diese Nennung – und in Folge auch der einzige Oscar, den der Film erhielt – viel eher zugestanden hätte, musste sich dagegen mit einer untergeordneten Funktion begnügen.

Space Odyssey bietet auch Kenner*innen viel Neues und dürfte sich aller Voraussicht nach rasch als neues Standardwerk zur Entstehung des Films etablieren. Aus wissenschaftlicher Sicht ist einzig zu bemängeln, dass Benson bei der Angabe seiner Quellen sehr zurückhaltend verfährt. Zwar gibt es keinen Grund, seine Ausführungen anzuzweifeln, nachkommenden Forscher*innen wird damit aber das Leben unnötig schwer gemacht.

Vom Anspruch her anders gelagert als Space Odyssey ist Joe R. Frinzis Kubrick’s Monolith. The Art and Mystery of 2001: A SPACE ODYSSEY. Frinzi ist, wie er gleich zu Beginn erklärt, ein bedingungsloser 2001-Fan, und sein Buch ist gewissermaßen die Kulmination seiner jahrelangen Passion. Der Autor geht den Film von verschiedenen Seiten her an; es gibt Kapitel zur Produktion und den Mitarbeitenden, den Spezialeffekten, den Einfluss von 2001 auf spätere Filme sowie zur Star-Gate-Sequenz kurz vor Ende des Films.

Kubrick’s Monolith lässt sich wohl am sinnvollsten als allgemeine Einführung für ein nicht-spezialisiertes Publikum lesen – darin durchaus mit 201x2001 vergleichbar. Diese Leserschaft dürfte auch am meisten vom Kapitel zum Symbolismus des Films profitieren (31–44), in dem Frinzi auf die Bedeutung des Monolithen sowie auf dominante Elemente in der Bildsprache von 2001 eingeht. Bahnbrechendes ist hier nicht zu finden, aber als mögliche Lesehilfen taugen diese Abschnitte durchaus. Eher enttäuschend fallen dagegen die beiden Kapitel »The Star-Gate Explained« and »Watching Kubrick’s Odyssey: The Cinematic Experience« aus. Beide bieten nicht, was ihre Titel versprechen. Frinzi kann weder mit einer überzeugenden Interpretation der rätselhaftesten Sequenz des Films aufwarten, noch erfahren wir etwas darüber, wie der Film auf das Publikum wirkt. Stattdessen liefert der Autor eine mit weiterführenden Gedanken angereicherte detaillierte Nacherzählung des Films.

Das originellste Kapitel ist überraschenderweise jenes, in dem Frinzi die verschiedenen Soundtrack-Fassungen vergleicht («Music of the Spheres») und in bester Fan-Manier alle Unterschiede und Besonderheiten festhält. Hier behandelt der Autor einen Aspekt, den die Forschung noch nicht ad nauseam diskutiert hat.

Der bereits erwähnte Sammelband Understanding Kubrick’s 2001: A SPACE ODYSSEY, der auf eine Konferenz von 2016 in Leicester zurückgeht, ist unter den besprochenen Titeln am deutlichsten akademisch ausgerichtet. Der Anspruch des Herausgebers ist dabei nicht unbescheiden – sein Band soll die beiden Strömungen in der Kubrick-Forschung vereinen und einen ›dritten Weg‹ eröffnen, »to begin to arrive at a more rounded and complete scholarly perspective« (11). So lobenswert dieser Ansatz ist, kaum einer der Beiträge setzt ihn wirklich um. Vielmehr lässt sich die Mehrheit der Aufsätze relativ klar dem einen oder anderen Lager zuordnen.

Das Buch ist in sechs Teile gegliedert – »Narrative and Adaptation«, »Performance«, »Technology«, »Masculinity and the Astronaut«, »Visual Spectacle« und »Production«. Die Gruppierung der Texte erscheint dabei nicht immer zwingend. Äußerst nützlich sind hingegen die kurzen Einleitungen zu Beginn jedes Teils, in denen die Beiträge innerhalb der bestehenden Forschung kontextualisiert werden.

Simone Odino beschäftigt sich im ersten Kapitel auf der Basis von Archivmaterial mit der Vorgeschichte von 2001 und zeichnet nach, wie Kubrick nach DR. STRANGELOVE OR: HOW I LEARNED TO STOP WORRYING AND LOVE THE BOMB (GB/US 1964) verschiedene Stoffe erwog und unter anderem auch in Betracht zog, einen Film für die Vereinten Nationen zu drehen, bevor er sich schließlich für die Zusammenarbeit mit Clarke entschied. Obwohl nicht weltbewegend, zeigt sich hier, dass auch nach Benson noch neue Entdeckungen zur Entstehung des Films möglich sind. Im Gegensatz dazu unternimmt Suparno Banerjee einen theoretisch überfrachteten, letztlich aber ziemlich klassischen Vergleich zwischen Roman und Film und kommt dabei zum Ergebnis, dass weder von einer Verfilmung des Romans noch von einer Buchfassung des Films die Rede sein kann. Vielmehr seien Roman und Film als eigenständige Werke zu betrachten. Dem ist grundsätzlich zuzustimmen, um eine wirklich neue Einsicht handelt es sich hierbei freilich nicht.

Auf weniger ausgetretenen Pfaden bewegt sich Dru Jeffries, der Jack Kirbys Comic-Adaptation des Films untersucht. Bei diesem 1976 veröffentlichten, heute weitgehend vergessenen Werk handelt es sich ebenfalls nicht um eine klassische Übertragung in ein anderes Medium; der Film stellt für Kirby eher den Ausgangspunkt für eine weitgehend eigenständige Geschichte dar. Leider geht Jeffries kaum auf den Inhalt des Comics ein, so dass man als Leser*in nur einen sehr groben Eindruck von dessen Inhalt erhält. Vollkommen unverständlich ist an dieser Stelle der Verzicht auf Illustrationen, die sich bei einem Comic, den kaum jemand kennt, eigentlich aufdrängen.

In ihren Stärken und Schwächen sind die drei Kapitel durchaus repräsentativ für das Buch insgesamt. Wenn wie bei Banerjee traditionellere Ansätze im Zentrum stehen, ist das Ergebnis meist etwas, was man so oder ähnlich bereits in früheren Publikationen lesen konnte. Das ist bei einem Film wie 2001 nicht weiter erstaunlich, kann aber auf mehr oder weniger überzeugende Weise geschehen. So ist die Erkenntnis, dass das Erhabene für die Filme Kubricks – und ganz besonders für 2001 – eine wichtige Kategorie darstellt, in der Forschung gut etabliert. Rachel Waliskos Kapitel zum Thema ist dennoch eine lohnenswerte Lektüre, da sie die wesentlichen Aspekte in kompakter Weise auf den Punkt bringt. Antoine Balga-Prévosts Beitrag hingegen, der die ambivalente Darstellung von Technik im Film zum Thema hat, ist ein typisches Beispiel dafür, wie man Altbekanntes unter Zuhilfenahme möglichst sperriger theoretischer Ansätze noch einmal aufwärmt. Dass der Autor den Umschnitt vom herunterfallenden Knochen auf das Raumschiff, wohl der berühmteste Match Cut der Filmgeschichte, fälschlicherweise als Jump Cut bezeichnet, trägt dabei nicht zur Überzeugungskraft seines Textes bei.

Teil zwei fällt insofern aus dem Rahmen, als er sich mit einem Bereich beschäftigt, der bisher wenig bearbeitet wurde. Dass die Darsteller*innen eines Films für diesen von eminenter Bedeutung sind, dürfte unbestritten sein; dennoch ist Schauspiel einer der großen vernachlässigten Bereiche der Filmwissenschaft, denn die Arbeit der Schauspieler*innen auf differenzierte und reflektierte Weise zu beschreiben, gestaltet sich als äußerst schwierig. Gerade die Filme Kubricks, deren Darsteller*innen abwechselnd als hölzern und emotionslos – z. B. in 2001 oder in EYES WIDE SHUT (US/GB 1999) – oder als gnadenlos chargierend – etwa Jack Nicholson in THE SHINING (US/GB 1980) – bezeichnet wurden, wären hier ein interessanter Testfall. Die beiden Kapitel des zweiten Teils heben denn auch hervor, dass Kubricks Schauspielführung nicht dem Naturalismus hollywoodscher Prägung entspricht.

Fenwick konzentriert sich auf den Pantomimen Dan Richter, der nicht nur den knochenwerfenden Menschenaffen spielt, sondern auch für die Choreografie der ganzen Eröffnungssequenz zuständig war. Richter selbst hat diesen Prozess bereits in Moonwatcher‘s Memoir, seinen lesenswerten Erinnerungen an die Produktion des Films, beschrieben. Im Vergleich zu Richters Buch geht Fenwick mehr auf dessen Ausbildung am American Mime Theatre und dessen schauspieltheoretischen Ansatz ein, bei dem jede Bewegung psychologisch motiviert sein muss (68 f.). Fenwick erkennt diese Herangehensweise nicht nur in der Eröffnung von 2001, sondern auch in späteren Filmen Kubricks, etwa dem ersten Treffen zwischen Barry und Lady Lyndon in BARRY LYNDON (US/GB 1975). Vincent Jaunas argumentiert dagegen, dass die ›menschlichen‹ Schauspieler in 2001 ihre eigene Körperlichkeit konstant unterdrücken und sich in fast mechanischer Weise bewegen. Für Jaunas kommt darin eines der Kernthemen des Films, »humanity’s enslavement to machines« (81), zum Ausdruck.

Die von Fenwick angestrebte Synthese der beiden etablierten Ansätze der Kubrick-Forschung gelingt den wenigsten Autoren des Bandes, und während die beiden Kapitel zum Schauspiel tatsächlich neue Perspektiven auf den Film eröffnen, ist dies bei der Mehrheit der Beiträge nicht der Fall. Wenig überraschend hängt es primär vom eigenen Vorwissen ab, wie viel man von Understanding Kubrick’s 2001 profitiert.

Wenn sich anhand der besprochenen Bücher ein Fazit ziehen lässt, dann am ehesten, dass der traditionelle hermeneutische Ansatz im Falle von 2001 weitgehend ausgereizt ist. Das Auswerten der Archivbestände dürfte dagegen wohl noch manches Interessante zu Tage fördern, der ganz große Wurf ist nach Bensons Buch aber ebenfalls nicht mehr zu erwarten. Ein Versiegen der Publikationstätigkeit ist auf jedem Fall nicht in Sicht, dazu ist der Film wohl schlicht zu offen angelegt.

Autor

PD Dr. Simon Spiegel ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Seminar für Filmwissenschaft der Universität Zürich im Forschungsprojekt ERC Advanced Grant FilmColors. Forschungsschwerpunkte: Science-Fiction-Film, utopischer Film, Phantastiktheorie, Genretheorie. Ausgewählte Publikationen: Bilder einer besseren Welt. Die Utopie im nichtfiktionalen Film (2019), »Das große Genre-Mysterium: Das Mystery-Genre« (2014); Theoretisch phantastisch: Eine Einführung in Tzvetan Todorovs Theorie der phantastischen Literatur (2010); Die Konstitution des Wunderbaren: Zu einer Poetik des Science-Fiction-Films (2007).

Konkurrierende Interessen

Der Autor hat keine konkurrierenden Interessen zu erklären.

References

Bizony Piers (2015) The Making of Stanley Kubrick’s 2001: A SPACE ODYSSEY, Taschen

Ciment Michel (2001) Kubrick. The Definitive Edition, Faber and Faber

Richter Dan (2002) Moonwatcher’s Memoir: A Diary of 2001: A SPACE ODYSSEY, Carroll & Graf Publishers

Walker Alexander (2000) Stanley Kubrick, Director: A Visual Analysis, Weidenfeld & Nicholson