Die Rolle der Rollenspiele für die Fantastik

Tobias Unterhuber (Innsbruck)

2024 feierten mit Das Schwarze Auge und Dungeons & Dragons zwei der größten Pen-and-Paper-Rollenspiele ihr vierzig- bzw. fünfzigjähriges Jubiläum. Seit einem halben Jahrhundert gibt es also nun kommerziell vertriebene Rollenspiele; die grundlegende Aktivität des Rollenspiels (RPG) wiederum kann als ubiquitäre Kulturtechnik wohl sogar als zeitlos erachtet werden. Dennoch werden Pen-and-Paper-RPGs immer noch unzureichend wissenschaftlich erforscht oder diese Forschung in vielen Disziplinen nur am Rande wahrgenommen (Unterhuber, »Junicke«), sei es in der Literatur-, Theater- oder Medienwissenschaft, der Soziologie, der Pädagogik oder den Game Studies. Als soziale Praxis, als kulturelles Artefakt und als einflussreiches populärkulturelles Medium bieten sie aber mehr als genügend Anknüpfungspunkte für die verschiedensten Disziplinen und Forschungsfelder. Dies gilt insbesondere auch für die Fantastikforschung. Gerade für die Ausprägung dessen, was wir überhaupt als Fantastik verstehen, sowie für die Proliferation dieser Vorstellungen spielen Rollenspiele eine zentrale Rolle. Gleiches gilt ebenfalls für zentrale Konzepte der Fantastik wie Worldbuilding (Wolf 66, 139), Shared Fantasy (Fine), gemeinschaftliches Erzählen oder der Ausprägung partizipativer Kulturen.

Leider wurden solche Verbindungen lange nicht genauer untersucht, was auch daran lag, dass die Geschichte der Rollenspiele selbst innerhalb der Fan-Communities kaum auf Interesse stieß. In den letzten Jahren aber entstanden mehrere populärwissenschaftliche Werke, die sich diesem Thema widmen, sowie Oral-History-Formate,1 die sich der Vermittlung dieser Historie verschrieben haben. In beiden Formen wird immer wieder deutlich, wie eng Fantastik und Rollenspiele miteinander verzahnt sind.

Historisch fällt die ›Erfindung‹ des Pen-and-Paper-Rollenspiels in die Ausdifferenzierungsphase der Fantastik, in der Fantasy, Horror, Science Fiction usw. begannen, sich stärker als eigenständige Subkategorien zu verstehen. Hierzu trugen sicherlich auch RPGs bei. Auch wenn zunächst (und teilweise noch heute) RPGs gerne unter dem Begriff des ›Fantasy Roleplaying‹ zusammengefasst wurden, begannen Autor:innen sehr bald, ihre Produkte nicht mehr nur über die verschiedenen Regelmechanismen von anderen zu unterscheiden, sondern eben auch durch die jeweils imaginierten Welten. Schon das zweite von TSR veröffentlichte Rollenspiel Empires of the Pedal Throne konzentrierte sich vor allem auf eine eigenständige fantastische Welt mit großem Detailreichtum. Das 1977 erschienene Traveller versuchte ganz gezielt, Vorstellungen der Hard SF umzusetzen, das 1988 von Mike Pondsmith veröffentliche Cyberpunk war darum bemüht, viele Elemente des sich gerade ausdifferenzierenden Genres gleichen Namens zu verknüpfen und zu bündeln. Der Fokus auf imaginierte Welten und deren gemeinsamer Weiterentwicklung, manchmal in der privaten Spielrunde, manchmal gemeinsam in der Fan-Community, macht Rollenspiele somit auch zu einem der klarsten Beispiele für partizipative Kultur, gerade weil hier die sonst getrennten Phänomene von Interaktion (im Spiel) und Partizipation (im Diskurs über das Spiel) miteinander in Verbindung treten (Hedge und Grouling 11).

Aber fast noch wichtiger muss die Rolle von Rollenspielen für die Proliferation von Fantastik im Allgemeinen angesehen werden. Chaosiums Rollenspielsystem Call of Cthulhu aus dem Jahre 1981 dürfte keinen unwesentlichen Anteil an der erneuten Popularisierung kosmischen Horrors gehabt haben.2 Nicht nur versammelte das Rollenspiel die verschiedenen Erzählungen des zu diesem Zeitpunkt schon fast in Vergessenheit geratenen H. P. Lovecraft, sondern auch die verstreuten Erzählungen anderer Autor:innen und fasste diese, ergänzt um viele eigene Ideen, im sogenannten Cthulhu-Mythos in einem Worldbuilding zusammen (Carbonell 160).

Selbst für Lord of the Rings und Star Wars übernahmen die Rollenspiele eine ähnliche Aufgabe: Zerstreute Informationen und Quellen wurden gesammelt und in eine kohärente Welt gegossen, die dann wiederum Grundlage für neue Erzählungen bildeten, gerade weil Rollenspielwelten weniger in Form von Erzählungen vermittelt werden, sondern vielmehr Welten für potentielle Erzählungen sind. So kann die Arbeit von West End Games an einer umfangreiche Hintergrundbeschreibung des Star-Wars-Universums sogar als Grundlage für das Entstehen des Extended Universe angesehen werden (Appelcline, Die 1980er). Anekdotisch zeigt sich dies auch an Timothy Zahn. Als dieser »begann, an einer neuen Buchreihe für Star Wars zuarbeiten, wurden ihm [von Lucas Arts] kistenweise West-End-Quellenbücher geliefert« (Appelcline, Die 1980er 244).

Hinzu kommt, dass auch die Regelseite von Rollenspielen oft nicht nur den Ablauf von Kämpfen oder Gefahrensituationen abbildet, sondern zudem Genreregeln in Erzählregeln umsetzt. Greg Staffords Pendragon (1981) greift beispielsweise die Besonderheiten des arthurischen Sagenkreises auf und macht sie zu handlungsleitenden Prinzipien des Spiels, so dass sich die Charaktere genau so verhalten wie in den literarischen Vorlagen. Ganz ähnliches gilt auch für Rollenspielumsetzungen bekannter Filmreihen wie Alien, Star Wars oder Blade Runner. Die Spielumsetzung macht somit die oft ungeschriebenen und impliziten Regeln fantastischer Erzählungen sichtbar und setzt sie produktiv um. Rollenspiele wären somit nicht nur als Untersuchungsgegenstand der Fantastikforschung von Interesse, sondern auch für ein besseres Verständnis von Genres im Allgemeinen hilfreich.

Doch auch auf ästhetischer und visueller Ebene darf der Einfluss von Rollenspielen nicht unterschätzt werden. Gerade dadurch, dass Rollenspielbücher auch visuell, über Illustrationen und Cover-Art, ihre Inhalte vermittelten, prägten sie Darstellungs- und damit auch Sehgewohnheiten des Fantastischen nachhaltig mit. Wie Orks, Elfen, wie Zauber:innen oder fantastische Abenteuer:innen im Allgemeinen auszusehen haben, wurde gerade in den 1980er-Jahren durch Rollenspiele (und wohl auch durch Illustrationen von Heavy-Metal-Plattencovern) nachhaltig geprägt. Dass dies auch Rassifizierungen und Stereotypenbildung beinhaltete, darf dabei nicht unerwähnt bleiben.

Damit stellen Rollenspiele eigentlich einen zentralen Gegenstand der Fantastikforschung dar, aber dennoch fristen sie hier sowie auch in anderen Forschungszusammenhängen immer noch ein Nischendasein. Dies mag an ihrer lange Zeit als rein subkulturell wahrgenommenen Bedeutung liegen, aber ebenso am medialen Format. Rollenspiele einfach als Bücher oder Literatur zu betrachten, wird ihnen nicht gerecht, sind sie doch vor allem durch ihren performativen Charakter bestimmt. Im Rahmen der Game Studies wurden sie aber wiederum lange nicht als zentraler Gegenstand wahrgenommen, weil sie primär als analoge Spielform begriffen wurden.

Darüber hinaus stellt sich aber auch die Frage, ob etablierte Theorieansätze, seien sie aus den Literaturwissenschaften, Medienwissenschaften oder den Game Studies, die Spezifik von RPGs überhaupt angemessen erfassen können. Reichen das klassische narratologische Theorieinventar oder traditionelle Kommunikationsmodelle aus? Hier bräuchte es eigene Ansätze und zwar solche, die RPGs in ihrer Bedeutung für das Gesamtmediensystem einer Gesellschaft einordnen. Solche Ansätze könnten auch neue Perspektiven auf andere Medien der Fantastik eröffnen und im Sinne einer Medienkomparatistik die jeweiligen Besonderheiten klarer in den Blick nehmen.

Entsprechend widmen sich die Beiträge dieses Forums dem Verhältnis von Fantastik, Fantastikforschung und Rollenspiel. Niels Penke spricht sich in seinem Beitrag für eine stärkere Integration der Fantastik und Fantasy in die literaturwissenschaftliche Forschung aus, wobei er dem Rollenspiel hierbei einen zentralen Platz zuweist. Brigitte Rath argumentiert nicht nur, dass Fantasy-Literatur paradigmatisch für ein immersives Lesen steht, sondern dass dies sich durch die aktive Teilnahme im Rollenspiel und gerade im Actual Play noch steigert und damit vielfältige Anschlüsse für die Literaturwissenschaften bereithält. Markus Widmer wiederum sieht die fehlende Erfassung des im Rollenspiel praktizierten Erzählens in der Narratologie als Desiderat an, das sowohl für die Narratologie als auch für Designer:innen viel Potenzial bieten würde. All diese Ansätze sehen gerade auch den Moment des Gemeinsamen als zentral an. Hier setzt auch Laura Flöter-Fratesi an, wenn sie das Konzept der Relationalität in den Mittelpunkt ihrer Überlegungen rückt und Rollenspiele als beziehungsstiftend versteht, wodurch sich eine sozioästhetische Perspektive auf das Fantastische eröffnen ließe.

Evan Torner wiederum zeigt, wie wichtig es nicht nur ist, das Verhältnis von Fantastik- und Rollenspielgeschichte auszuloten, sondern dass die Rollenspielgeschichte, verstanden als eine Geschichte der Ideen und der Communities, bereits einen zentraler Forschungsgegenstand für sich darstellt, der auch das Selbstverständnis der Szene beeinflusst.

Damit zeigt sich, dass die Vernachlässigung des Rollenspiels als zentrales Medium der Fantastik eben eigentlich nicht nur einen Missing Link, sondern eine Vielzahl von Missing Links darstellt, die für eine sich als inter- und transdisziplinär verstehende Fantastikforschung vielfältige neue Perspektiven sowohl auf neue als auch für die Fantastik schon immer grundlegende Fragen eröffnet.

Plädoyer für eine literaturwissenschaftlich integrierte Fantasyforschung

Niels Penke (Siegen)

Fantastik im Allgemeinen und Fantasy im Besonderen sind immer noch randständige Gegenstände in der deutschsprachigen Literaturwissenschaft. Immer noch wirken die Verdikte über ›Trivialliteratur‹ und kontextuell weitverzweigte populäre Formen nach, die insbesondere die Germanistik stark geprägt haben. Innerhalb dieser überschaubaren Forschung kommt wiederum dem Rollenspiel – unabhängig davon, ob Pen-and-Paper-, Live- oder Computer-/Videospiel – eine marginale Position zu. In der anglophonen Forschung sieht dies hinsichtlich der Stellung im Forschungsfeld etwas besser aus, auch in sozial- und kulturwissenschaftlichen Disziplinen (vgl. Janus; Bruske-Guth; Barton und Stacks) sind RPGs bereits mehrfach Thema größerer Untersuchungen (vor allem in den Game Studies und der Pädagogik, vgl. Wagner; Haase) gewesen, aus denen einige Ansätze auch für literaturwissenschaftliche Zugänge fruchtbar gemacht werden können. Eine grundlegende Studie, die zwischen den Disziplinen vielfältig anschlussfähige Pionierarbeit geleistet hat, ist Jan-Niklas Meiers Dissertation Erzählen im Pen-and-Paper-Rollenspiel. Produktion – Rezeption – Didaktik, die RPGs erzähltheoretisch und erzählpraktisch so umfassend wie überzeugend beschreibt. Es erscheint mir wünschenswert, dass ihre Einsichten und Ergebnisse Eingang in das literaturwissenschaftliche Basiswissen finden und auch weiterführend kontextualisiert werden, wenn es um die Beschreibung von Fantasy im Allgemeinen und die erfolgreiche Popularisierungsgeschichte des Genres geht.

Im Folgenden möchte ich für eine integrierende Fantastik- respektive Fantasyforschung plädieren, die alle relevanten Medien und damit an zentraler Stelle auch Rollenspiele in den Horizont ihrer Überlegungen sowie das Schreiben über diese Phänomene aufnimmt. Dass diese ihren Ausgang (auch oder vor allem) in den Literaturwissenschaften haben sollte, scheint naheliegend, weil Fantasy ohne Literatur und Literaturgeschichte historisch kaum zu verstehen ist. Aber auch, weil wir es stets mit Erzählungen, mit narrativen Gattungen und Medien zu tun haben, die immer noch häufig, wenn auch nicht ausschließlich, in Büchern zu uns kommen. Doch müssen auch die jeweiligen konkreten medialen Realisationen, die jeweilige Performanz sowie die lebensweltliche Bedeutung durch sozial-, medien- und kulturwissenschaftlich informierte Kontextualisierung integriert werden. Dafür möchte ich drei – wie ich hoffe gewichtige – Gründe anführen:

Als erster Grund lässt sich ein technischer anführen, der im Material begründet liegt. Fantasy erscheint in einer paradigmatischen Form mehrgliedrigen, meist auch transmedialen Erzählens. Das heißt, eine Fantasyerzählung manifestiert sich zumeist nicht in einer einzigen Darstellung (einem Buch, Film oder Spiel), sondern wird plural in mehreren Medien nach-, neben-, mit- oder auch gegeneinander erzählt. Da dies nicht selten kollaborativ oder kollektiv geleistet wird, können erzählte Welten schnell wachsen und großen Umfang annehmen. Das transmediale Storytelling wird über verschiedene Medien und damit verbundene Gattungen hinweg vollzogen. Im Zuge dessen lassen sich verschiedene Formen des RPGs und ihre Erzähltypen als Gattungen begreifen, die zwischen kollektivem Improvisationstheater und Abenteuerbuch, das in stiller Einzellektüre rezipiert wird, stehen, was zudem ungefähr dem Verhältnis von MMORPG und Single Player RPG (etwa dem klassischen Dungeon Crawler)3 entspricht. Sebastian Bolte hat Rollenspielabenteuer als eigene »narrative Gattung« beschrieben, deren Charakteristikum als »Hypotext« darin besteht, erst durch das Mitwirken von Leser:innen und/oder Spieler:innen »auserzählt« zu werden – und damit dem Improvisationstheater zu ähneln (Bolte 23–32; Improvisation als ein relevantes Element sieht auch Meier, 85 ff.).

Über diese Verwicklungen und Performanzen von Medien und Gattungen lässt sich auch ein historisches Bewusstsein dafür schaffen oder, falls bereits vorhanden, schärfen, dass auch einige Vorläufer der heutigen Fantasy in größere Text- und Medienverbünde eingeschrieben sind (man denke hier an die von den Brontë-Geschwistern erdachten Parakosmen Glass Town, Gondal und Angria (Murray) oder William Morris, der seine Romane und Erzählungen in thematischer wie ästhetischer Nähe zu seinen Zeichnungen und Innendesigns schuf). Dass die Vorläufer ebenso wie die Phasen der Genrekonstitution und -evolution auch noch nicht hinreichend beschrieben worden sind, ist eine weitere Forschungslücke. Das Bewusstsein für eine (zunehmend stärker) ausgeprägte Intermedialität kann jedoch dazu beitragen, diese Desiderate angemessen zu behandeln. Dass künstlerische wie literarische Entwürfe nicht isoliert enstehen, bestätigt sich in nahezu jedem Erzähluniversum und mit jedem Spielesystem. Die Tendenz zur Verschränkung scheint indessen noch zuzunehmen. Als jüngstes Beispiel dafür mag (Die Feuer der) Finsterwacht (2024) dienen, eine Zusammenarbeit der Mittelalter-Band Saltatio Mortis, Mitgliedern von Blind Guardian und den beiden Autoren Bernhard Hennen und Torsten Weitze, die gemeinsam ein in der Welt des Schwarzen Auges angesiedeltes triadisches Album-Abenteuer-Roman-Werk erarbeitet haben. Ich würde sogar die These vertreten, dass die Erfolgsgeschichte des Genres und die globale Popularität seit 2000 nicht ohne diese engen intermedialen Verschränkungen möglich gewesen wären. Und zwar, weil auf dieser Grundlage jenseits der sporadischen Beachtungs- und Einnahmen-Peaks (z. B. den Lord-of-the-Rings-Verfilmungen oder den Game-of-Thrones-Prequels) eine breite Basis (Publikum, Fans, Leser:innen) ausgebildet wurde, die ihre Existenz verschiedenen Formen von Literatur, Film und Serie, Computer-, Video-, Board-, Pen-and-Paper- sowie Live-Rollenspielen und Musik bis zum Kunsthandwerk und Lifestyleprodukten verdankt: Persistente Popularität, die bislang immer wieder ausgehend von Kinder- und Jugendzimmern neuerliche Bestätigung gefunden hat. Ich denke, dass die Konstituierungsgeschichte des Genres wie auch seine Popularisierungsgeschichte ohne diese Verschränkungen nicht in den Blick zu bekommen sind, zeigen sie doch bereits früh an, dass Fantasy einerseits die Tendenz zum Medienverbund hat, andererseits ihre Wirkung über den Text hinaus in den Alltag und die menschliche Lebenswelt hinein anhält.

Damit ist der zweite Grund verbunden: die Sozialisation. Der transmedialen Produktionsweise entspricht häufig eine multimediale Rezeption, bei der verschiedene Medien und ihre Inhalte komplementär oder auch simultan aufgenommen werden. Dass ein Text und ein Fantasy-Medium selten allein auf seine:n Adressaten:in kommt, kann ich aus eigener Erfahrung bestätigen. Wenn eine biographische Anekdote erlaubt ist, möchte ich einen Kindergeburtstag vor dreißig Jahren erinnern, bei dem ich und meine damals besten Freunde durch einen wenig älteren Mitschüler mit dem Pen-and-Paper-Rollenspiel Das Schwarze Auge in Kontakt kamen. Wir begannen mit Purpurturm, dem zweiten Teil der Orklandtrilogie, die wir bald in einer festen Gruppe mit Orkenhort (DSA 1, B16 und B17) fortsetzten, um einige Jahre gemeinsam Abenteuer zu gestalten. Thematisch nahe dran waren die Computerspiele Schicksalsklinge (1992) und Sternenschweif (1994), die wir ebenfalls durch besagten Mitschüler kennenlernten und die uns für Wochen, Monate oder sogar Jahre die Nächte um die Ohren schlagen ließen. Selbiges galt für die Trilogie Das Jahr des Greifen (dies sind die auch jenseits von DSA-Affinität durchaus lesenswerten Romane Der Sturm, Die Entdeckung, Die Amazone, 19931994), mit der Bernhard Hennen und Wolfgang Hohlbein die Belagerung Greifenfurts während des »Dritten Orkensturms« ausgestalteten (der auch in Sternenschweif den historischen Kontext lieferte). Ein Teilchen passte zum anderen, und die Immersion in die imaginären Welten fiel umso leichter. Begleitet wurden diese ersten Reisen nach Aventurien durch die Musik der Krefelder Band Blind Guardian, die ebenfalls vom selben Mitschüler mitgebracht worden war. Diese musste später zwar anderen Hintergrund-Soundtracks weichen, ist dennoch für manchen zur neuen Lieblingsband geworden und hat uns weiterführend mit J. R. R. Tolkien, Michael Moorcock und anderen Autoren vertraut gemacht. Ein Nachmittag veränderte – bei einigen zumindest mittelfristig, bei anderen bis heute – unser aller Leben. Und mir war klar, dass alles irgendwie miteinander zusammenhängt: Spiele unterschiedlichen Typs, verschiedene Texte in unterschiedlicher medialer Realisation und auch eine Form von Musik, der wiederum ohne Texte und Bilder ganz Wesentliches fehlte – weshalb überspielte MCs nicht ausreichten und das Taschengeld bald in CDs mit farbigen Covern und umfangreichen Textblättern investiert wurde. Dass auf einen solchen Erstkontakt rasch ein multimediales Spektrum (Romane, Comics, Filme, Computerspiele, Musik) folgen kann, das (jugendliche) Lebenswelten stark in Beschlag nimmt, bestätigt die empirische ausgerichtete Sozialforschung (vgl. Kahl; Schallegger). Wie man auch immer diese starke Aufladung durch erfolgreiche Immersionsangebote im Einzelnen bewerten mag – die Lebenswelt wird verändert; oft, so meine Erfahrung, nachhaltig. Eine ähnliche, vielleicht paradigmatische Urszene markiert auch den Auftakt der Serie Stranger Things (US 2016–, Idee: Matt Duffer und Ross Duffer) die die im gemeinsamen Dungeons-and-Dragons-Spiel ihren Ausgang nimmt (und über den gesamten Serienverlauf wiederholt metareflexiv gewendet wird). Die große Zustimmung, die die Serie erfahren hat, bestätigt auch, dass diese Art der Sozialisationserfahrung – über Freunde von Freunden in Welten einzutauchen, die einen manchmal nie wieder loslassen – keine Seltenheit ist. Dies zeigt sich wiederum auch in einigen prominenten Biographien von Autoren wie etwa der des Deutschen-Buchpreis-Trägers Saša Stanišić. Daraus möchte ich den dritten Grund ableiten.

Stanišićs Begegnung mit Rollenspielen war, wie mehrere seiner Veröffentlichungen beglaubigen, äußerst nachhaltig. Tatsächlich schlug er zunächst den klassischen Werdegang eines Fantasyautors ein, wie ihn etwa Markus Heitz, Bernhard Hennen und Kai Meyer durchlaufen haben, deren erste Erzählungen und Romane Beiträge zu bereits etablierten Reihen verschiedener Fantasy-Universen waren. So auch Stanišić, der ein Gruppenabenteuer (Der Reigen der fünf Schwestern im Doppel-Band Fluch vergangner Zeiten, Abenteuer Nr. 118, 2002) und zwei Erzählungen (Blutkalt und Siedendblut, 2004; Zinke rennt in der Anthologie Unter Aves’ Schwingen, 2005) verfasste, die innerhalb der erzählten Welt des Schwarzen Auges angesiedelt sind. Wie ich an anderer Stelle ausgeführt habe (Penke), gilt für das Abenteuer wie für die Kurzgeschichten, dass sie auch über den Kreis der Rollenspielinteressierten hinaus lesbar sind, weil Stanišić wenig Gebrauch von den Exotismen der Welt des Schwarzen Auges macht und besonders auf die Handlung und die Imagination abhebt. Sie setzen vergleichsweise wenig Insider-Wissen voraus. Dies ist in Stanišics vielfach ausgezeichneten Roman Herkunft (2019) stellenweise anders. Wie auch in anderen seiner fiktionalen Texte arbeitet der Autor eigene biographische Elemente in die Handlung ein; so wird im Kapitel »Auf der Burg vor dem Ansturm der Orks« über die wegweisende Funktion des Rollenspiels für sein weiteres Leben nachgedacht:

Was die ARAL-Tankstelle für meine Sozialisation im rauen Emmertsgrund war, waren Fantasy-Rollenspiele für meine Initiation im – ja, was eigentlich? Im Kampf gegen das Böse auf jeden Fall. Andere Siebzehnjährige widmeten sich ihrem Körper oder einander, experimentierten mit wahrnehmungserweiternden Substanzen und machten sich die sie umgebende Welt zu eigen. Meine Rollenspiel-Kumpels und ich widmeten uns zuerst einmal der vorrückenden Ork-Armee im Svelltland. (Stanišić, Herkunft 156)

Stanišić hat diese Art »Kampf« in den nachfolgenden Jahren wiederholt betont, u. a. bei seiner Auseinandersetzung mit dem ehemaligen Präsidenten des Bundesamtes für Verfassungsschutz Hans-Georg Maaßen, der wiederholt durch extrem rechte und verschwörungsideologische Äußerungen aufgefallen war. Dies mag kein literaturwissenschaftlich brauchbares Argument sein, bestätigt aber noch einmal den Sozialisationsaspekt. Weit stärker in Stanišić Erzähltechnik Eingang gefunden haben Motive und Verfahrensweisen des Rollenspiels, was sich im letzten Herkunft-Kapitel »Der Drachenhort« zeigt, das sich um den Protagonisten und dessen an Demenz erkrankten Großmutter dreht. Formal ist es nach dem Vorbild eines Solo-Abenteuers (entsprechend dem Prinzip Choose Your Own Adventure) gestaltet, wie es in der Welt des Schwarzen Auges und anderen RPG-Systemen nicht unüblich ist. Für einen Bestsellerlisten- und Buchpreis-Roman ist diese Form der interaktiven Literatur, bei der sich die Handlung durch eigene Präferenzen auf unterschiedliche Weise gestalten lässt, ungewöhnlich. Daher verwundert es kaum, dass so manche:r Leser:in Schwierigkeiten hatte, den Direktiven »Lies weiter auf Seite …« zu folgen. Wer weiß, welche Erzählformen es gibt, kann mit ungewöhnlich gestalteten Kapiteln rechnen – und im Zweifelsfall ein auftauchendes »Wimmelbild mit Drachen« (Stanišić, Herkunft 355) ganz anders goutieren, als diejenigen, die Herkunft ein verwirrendes wie schwaches Ende bescheinigten. Es lässt sich als eine weitere Transferstufe eng verwobener Text-Welt-Verhältnisse verstehen, die zeigt, wie Menschen (in der Fiktion und darüber hinaus) mit und in Geschichten leben, die sie in vielfältigen Formen der Interaktion mit anderen erschaffen und permanent weiterentwickeln.

Autor

Niels Penke ist Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Germanistischen Seminar der Universität Siegen. Er studierte Germanistik, Skandinavistik und Philosophie in Braunschweig und Göttingen, Promotion 2012, Habilitation 2022. Zu seinen Forschungsschwerpunkten gehören Geschichte und Theorie des Populären, Horrorfilm, Phantastik und Fantasy. Aktuelle Publikationen zum Dänischen Film (2024), Formationen des Populären (2024) und Instapoetry (2022).

Zögerliche Annäherung. Tabletop-Rollenspiele und Literaturwissenschaft

Brigitte Rath (Innsbruck)

Die etablierte und bedenkenlos zitierbare literaturwissenschaftliche Forschung zur Fantastik beschreibt Strukturen der Unentscheidbarkeit (Todorov), Unbändigbarkeit (Lachmann) und Subversion (Jackson) an kanonisierten Texten, etwa der Romanik oder der klassischen Moderne. Populäre Fantasy hingegen, die seit einigen Jahrzehnten eine auch kommerzielle Erfolgsgeschichte schreibt, hat es weiterhin vergleichsweise schwer, institutionalisierte Aufmerksamkeit aus den Literaturwissenschaften auf sich zu ziehen.4 Einen Grund für die beobachtbare zögerliche Annäherung vermute ich darin, dass sich die Affinität von Fantasy zu Immersion nicht leicht mit einem Anspruch auf Distanz zum wissenschaftlichen Objekt vereinbaren lässt. Insbesondere trifft das durch ihre prononcierte immersive Qualität auf Tabletop-Rollenspiele zu, die in der bisherigen literaturwissenschaftlichen Forschung verschwindend geringe Beachtung gefunden haben, mit neueren Ansätzen aber produktiv resonieren und so die Beziehungen zwischen Fantasy und Literaturwissenschaft wechselseitig stärken könnten.

1 Fantasy-Literatur als Allegorien immersiven Lesens

Dem großen Spektrum medialer Formen und Genres von Fantasy ist gemein, dass sich deren fiktive Welten wesentlich von einer Alltagswelt unterscheiden. So nutzt etwa Farah Mendlesohn für ihre Typologie von Fantasy-Texten sämtliche in dieser Unterscheidung zwischen Alltagswelt und alternativer Welt begründeten denkbaren Relationen: Während in »Immersive Fantasy« Leser:innen in eine Fantasie-Welt transportiert werden, in der die Alltagswelt nur indirekt thematisiert wird, erzählen »Portal-Quest Fantasy« und »Intrusion Fantasy« den Übertritt von Figuren aus der Alltagswelt in die Fantasiewelt bzw. umgekehrt. »Liminal Fantasy« situiert mit Bezug auf Todorov Leser:innen auf der Grenze selbst, indem verschiedene Möglichkeiten der Interpretation offen gehalten werden (Mendlesohn; James und Mendlesohn 2). Mendelsohns Typologie macht dabei sichtbar, dass Fantasy-Literatur immer zumindest implizit den Leseprozess anspricht, der Alltagswelt und fiktive Welt in Kontakt bringt. Völlig offensichtlich ist das bei denjenigen Fällen von »Portal Fantasy«, bei denen Bücher als Portale zwischen den Welten fungieren. Dazu zählen Michael Endes Die unendliche Geschichte (1979), Cornelia Funkes Tintenwelt-Trilogie (2003–2007; 2023 um einen vierten Roman erweitert) und Mechthild Gläsers Die Buchspringer (2015). Alle drei zelebrieren die Begeisterung ihrer Protagonist:innen für das Lesen von Romanen und erzählen das sonst metaphorische Eintauchen in eine andere Welt als einen tatsächlichen körperlichen Transport. Alle drei weisen dabei allerdings auch auf Gefahren hin, die diese Überschreitung mit sich bringen kann: Endes Bastian Balthasar Bux droht in Phantásien sein bisheriges Leben so vollständig zu vergessen, dass er den Weg zurück nicht mehr zu finden imstande ist, und in Funkes und Gläsers Romanen öffnet sich durch das Eintreten in die gelesene Welt für deren Figuren und Monster der Zugang zur Welt der Protagonist:innen. Obwohl diese Romane also mit viel Empathie intensive Lektüre als eine besondere magische Fähigkeit darstellen, suggerieren sie doch auch, dass immersives Lesen Risiken birgt.

Solche Fantasien vom verführerischen Sog von Romanen und deren gefährlichen Wirkungen auf die Leser:innen haben bekanntermaßen eine lange Tradition: Miguel de Cervantes’ Don Quijote (1605/1615) überträgt die Handlungslogik der zahlreichen von ihm gelesenen Ritterromane mit entsprechend unausweichlichen Misserfolgen auf seine Welt. Dante erzählt in der Divina Commedia (1321) von Francesca, die ihren Ehemann mit dessen Bruder Paolo betrügt, angestiftet durch eine gemeinsame Lektüre einer Ehebruchspassage aus der Artussage; Goethes Werther und Lotte bewegt der Schmerz unglücklich Liebender in Macphersons Ossian zu einem tränenreichen Kuss, der schließlich zur Katastrophe führt. Spezifisch wird – wie etwa George Colmans Farce Polly Honeycombe (1760) zur Schau stellt – spätestens seit dem 18. Jahrhundert ausdrücklich davor gewarnt, dass junge Frauen über dem Lesen neumodischer Romane ihre eigene Welt und ihre Aufgaben vergäßen und zudem gefährlich falsche Vorstellungen von ihrem Platz in der sozialen Ordnung entwickelten. Im Schlussmonolog des Einakters formuliert die junge Frau Polly Honeycombe ihren durch die Lektüre von Romanen veränderten Blick auf die Gesellschaftsordnung: »Novels will teach us all the art of war: […] Daughters should govern, Parents should obey; Man shou’d submit, the moment that he weds« (Colman 46). Diese völlig überspitzte Position legt dem Publikum natürlich nahe, sich entsetzt gegen solche Änderungen zu stellen.

Der lang eingeübte Diskurs von den schädlichen Konsequenzen des Sich-Entziehens aus den Verantwortungen des Alltags wie den Gefahren des Übergreifens der fiktiven Welt auf die Körper und Verhaltensweisen der Rezipient:innen zeugt also von der Angst davor, dass Leser:innen die bestehende gesellschaftliche Ordnung gefährden, indem sie sich ihr entweder verweigern oder sie radikal verändern wollen (und daran potentiell scheitern). Es wundert daher nicht, dass diese Sorge auch bei Genres wie Fantasy greift, die besonders zu immersiver Lektüre einladen; und dass Fantasy-Literatur durch die thematische Auseinandersetzung mit alternativen Welten diese warnenden Diskurse sogar in die eigenen Plots integriert.

Gerade deshalb würde sich, so denke ich, Fantasy-Literatur als ein paradigmatisches Genre für die Reflexion von immersiven Leseprozessen und damit verbundenen Diskursen anbieten. Dem steht allerdings entgegen, dass die Literaturwissenschaften durch eine lange Tradition der doppelten Distanz geprägt sind: die von dem russischen Formalisten Viktor Šklovskij in »Kunst als Verfahren« (1916) als besonders wirkmächtig beschriebene und affirmierte Distanz, die ein Text zu dem herstellt, was er konstituiert, weil sie epistemologischen Gewinn verspricht; und aus analogen Überlegungen die Objektivität garantierende Distanz der Literaturwissenschaftler:innen zu ihren Gegenständen. Dieser Lektürehaltung kommen Texte, die selbst ein »Verfahren der Verfremdung« (Šklovskij 15 und passim) verwenden, entsprechend mehr entgegen als immersive Fantasy-Literatur.

2 Tabletop-Rollenspiele: Gemeinschaftliche Immersion

Tabletop-Rollenspiele, zu deren Entstehung Fantasy-Literatur wesentlich beiträgt, haben deren Einladung zur Immersion weiterentwickelt und optimiert. Populäre Tabletop-Rollenspiele partizipieren an den in Fantasy verbreiteten transmedialen Universen, sind selbst multimedial und verschränken, wie der Soziologe Gary Alan Fine in Shared Fantasy bereits in den 1980er- Jahren detailliert und überzeugend beschreibt, narrative, ludische und soziale Dynamiken (Fine 181–204). Entsprechend übernehmen Spielleiter:innen und Mitspieler:innen in Tabletop-Partien je mehrere verschiedene Rollen: als Person, die sich entscheidet, mit anderen zusammen Zeit mit einem möglichst unterhaltsamen Spiel zu verbringen, als Spielleiter:in bzw. Spieler:in strategische und taktische Entscheidungen – unter Einbeziehung von zufälligen Würfelergebnissen – zu treffen, als Spieler:in und Miterzähler:in das Verhalten des eigenen Charakters, als Spielleiter:in der gesamten restlichen Welt zu beschreiben und verbal auszuagieren. Während des Spiels wird ständig zwischen diesen Rollen hin- und hergewechselt (vgl. Fine; Hope); wie Katrin Rauch in ihrem Beitrag zu Actual Plays, also für Publikum performierte Tabletop-Rollenspiele, zeigt, überlagern sich die Rollen dabei. So werden beispielsweise Spieler:innen mit dem Namen ihres Charakters zu einem Würfelwurf aufgefordert und bisweilen Elemente der sozialen Interaktion – etwa ein lautes Niesen – als Charakter-Handlung in die gemeinsam erzählte Geschichte integriert (vgl. Rauch). Entsprechend bieten Tabletop-Rollenspiele nicht nur einen hohen Grad an Immersion, sondern schaffen potentiell starke Wechselwirkungen zwischen den Erlebnissen von Spieler:innen und deren Charakteren. Mit Blick auf die lange Tradition von Befürchtungen bei der Nutzung neuer Medien wenig überraschend entzündete sich in den 1980er-Jahren in den USA eine öffentliche Diskussion dazu, ob Rollenspieler:innen den Bezug zur Realität soweit verlieren, dass sie schwere psychische Störungen entwickeln; eine Spur dieser Diskussion findet sich in Fines Unterkapitel zu »Overinvolvement« (Fine 217–222), in dem der Autor aus Interviews mit Rollenspieler:innen zitiert, die von (stets) anderen Rollenspieler:innen berichten, die das Spiel als wichtiger als ihre Alltagswelt wahrnähmen. Zu der Zeit kursieren sogar fiktionalisierte Erzählungen wie etwa Rona Jaffes Mazes and Monsters (1981), in denen exzessives Rollenspiel zu realen Toden führt. Auch wenn die aufgeheizten öffentlichen Diskussionen seither ihren Fokus auf die jeweils neuesten neuen Medien verschoben haben, hallen diese Imaginationen von tödlichen Abenteuern und die damit verbundenen Versuche, Jugendliche am Rollenspiel zu hindern, nach; deshalb kann die dritte Staffel der Serie STRANGER THINGS (2019) in ihrem 1985 spielenden Plot darauf zurückgreifen. Tabletop-Rollenspiele bleiben in der kulturellen Imagination besonders eng mit Immersion verknüpft.

Analog zu den entsprechenden Fantasy-Romanen finden sich, teils mit anderen Medien verschränkt, auch für Tabletop-Rollenspiele Erzählungen vom körperlichen Transport in die fiktive Welt: Kieron Gillen, Stephanie Hand und Clayton Cowles’ Comic-Serie DIE (2018–2021) imaginiert eine Gruppe Jugendlicher, die in eine Horror-Rollenspielwelt transportiert werden und sich Jahrzehnte nach der traumatisierten Heimkehr entscheiden, in die Horrorwelt zurückzugehen, um doch noch zu versuchen, den dort steckengebliebenen Freund zu retten. In der Actual-Play-Serie Never Stop Blowing Up (US 2024, Idee: Brennan Lee Mulligan) von Dimension 20 geraten die Spieler:innen-Charaktere durch ein VHS-Video in eine 1980er-Action-Movie-Welt. Die Spieler:innen verkörpern damit am Spieltisch Charaktere, die selbst wiederum in fremden Körpern von Action-Held:innen stecken und mit deren eigentlichen Besitzer:innen Stimme, Sprechweisen und Verhalten aushandeln müssen. Never Stop Blowing Up performiert also die Herausforderungen und die Wirkmächtigkeit der Überblendung von realen und fiktiven Körpern und Welten im Tabletop-Rollenspiel. Das aus dem Comic DIE weiterentwickelte Rollenspiel-System DIE RPG (2022) bietet einen regeltechnischen Rahmen für Spieler:innen, die mit ihren rollenspielenden Charakteren in deren Rollenspielwelt transportiert werden und so spielerisch und erzählerisch den Spannungen zwischen dem Wunsch nach einer Rückkehr in den Alltag und dem Begehren nach einem Verbleib in der Fantasiewelt performativ nachgehen können. Die im Tabletop-Rollenspiel präsente Überblendung von imaginierter und realer Situation verkörpert so die immer wechselseitig wirksame Verschränkung von ästhetischer Erfahrung mit Wahrnehmung und Verhalten im Alltag. Tabletop-Rollenspiele bieten sich als Kunstform daher an, das vieldiskutierte Verhältnis von Kunst und Gesellschaft – oder vielleicht besser: die komplexen Relationen von künstlerischen Produktions- und Rezeptionsprozessen und sozialen Interaktionen – präziser zu verstehen. DIE und Never Stop Blowing Up inszenieren die genretypische Immersion als soziale: Die fiktive Welt entsteht im Tabletop-Rollenspiel durch kollaboratives Geschichtenerzählen und führt zu geteilten, oft mit starken Emotionen verbundenen Erinnerungen an gemeinsam erlebte Ereignisse, die zusammen erfunden und ausgespielt wurden. Entsprechend geschieht der Transport in die andere Welt in DIE wie in Never Stop Blowing Up als Gruppe, die zusammenarbeiten muss, weil sie nur gemeinsam in die jeweilige Ausgangswelt zurückkehren kann. Der körperliche Transport in eine andere Welt wird dabei als nachhaltig wirkmächtig dargestellt. Die Erlebnisse in der Horror- respektive Action-Movie-Welt verändern, wie in den jeweiligen Epilogen explizit vorgeführt wird, die Charaktere wie auch ihre Beziehungen zueinander. Sowohl DIE als auch Never Stop Blowing Up erzählen so durch die Entwicklungen der Charaktere von einer Erfahrung, die viele Rollenspieler:innen machen: Das regelmäßige gemeinsame Spielen und Erzählen prägt die Beziehungen zwischen den Spieler:innen auch außerhalb des Spiels mit. »Rollenspiel ist beziehungsstiftend«, wie Laura Flöter-Fratesi in diesem Forum formuliert, und beziehungsgestaltend.

Tabletop-Rollenspiele machen die aktive Partizipation – die durchaus auch die Rezeption von Fantasyliteratur prägt – in der kollaborativen Immersion besonders augenfällig. Sie verhalten sich damit auf eine interessante neue Art sowohl zum Topos der erkenntnisfördernden Distanz wie zum Diskurs der gesellschaftsgefährdenden Kraft von Immersion. Denn Tabletop-Rollenspiele wie Fantasy allgemein stellen durch ihre genredefinierenden alternativen Welten immer eine grundlegende Distanz zur Alltagswelt her. Gerade die emotional wie kognitiv involvierte und im Fall von Tabletop-Rollenspielen ausagierte Beschäftigung mit diesen alternativen Welten ermöglicht eine potentiell nachhaltige Änderung der Perspektive auf die Alltagswelt und so auch der eigenen Beziehungen dazu. Die sich damit öffnende Möglichkeit zu einer gesellschaftlichen Veränderung, im traditionellen Diskurs als Gefahr verstanden, kann in diesem Kontext als gewünschte und gewollte Chance zu einer notwendigen Verbesserung willkommen geheißen werden.

Hier trifft sich die gegenwärtige Diskussion zur positiven Wirkmächtigkeit von Tabletop-Rollenspielen und Actual Plays mit aktuellen Interessen in den Literaturwissenschaften. Denn in den Literaturwissenschaften wird verstärkt zu aktiver Rezeption und Partizipation, zu Relationalität und Interdependenz, zur Wirkmächtigkeit von Imagination und Fiktion und deren gesellschaftsveränderndem Potential geforscht (vgl. beispielsweise Butler; Barad; Felski; Willis). Gerade jetzt könnten Tabletop-Rollenspiele also als eine Kunstform sichtbar werden, die diese literaturwissenschaftlichen Forschungsinteressen produktiv und kollaborativ zusammenführt: Tabletop-Rollenspiele wären damit nicht ein ›Missing Link‹, sondern ein neuer Knotenpunkt der Fantasy in der Literaturwissenschaft.

Autorin

Assoz.-Prof. Dr. Brigitte Rath arbeitet am Institut für Vergleichende Literaturwissenschaft der Universität Innsbruck. Ihre Dissertation Narratives Verstehen. Entwurf eines narrativen Schemas entstand im Promotionsstudiengang Literaturwissenschaft der LMU München. Die Habilitationsschrift Reading Relations schlägt vor, die Wirkmächtigkeit literarischer Texte durch ein heterogenes Beziehungsnetzwerk zu beschreiben. Aktuell forscht sie zu Nicht-Einsprachigkeit, Fantasy Literatur und Actual Plays.

Narrative Rollenspiele als angewandte Erzähltheorie

Markus Widmer (Wien)

Die Ansichten darüber, was Pen-and-Paper-Rollenspiele eigentlich ausmacht, sind fast so vielfältig wie die Spiele selbst. Eine mögliche Definition ist jene von Mackay (4 f.), der Rollenspiele als Systeme sieht, die einer Gruppe von Spielenden mit Regeln dabei hilft, gemeinsam eine Geschichte zu erschaffen. Im Jahr 2001, als Mackays Essay erschien, formte sich gerade ein Online-Forum, dessen Ziel es war, Rollenspieltheorie zu diskutieren und neue Ansätze gleich mit selbst gestalteten und publizierten Spielen zu überprüfen: The Forge. Auf diesem kreativen Nährboden wuchsen einflussreiche theoretische Ansätze, eine neue Designphilosophie und eine neue Art von Rollenspiel, später ›Storygame‹ oder ›Erzählspiel‹ genannt (Appelcline »Forging an Indie Community«).

Der Ansatz ›Rollenspiele sind Erzählsysteme‹ ist also mindestens seit der Jahrtausendwende präsent und Rollenspiele, die bewusst als »story-creation system« (Mackay 4 f.) geschrieben wurden, sind heute weit verbreitet. Zur Illustration: DriveThruRPG, eine Verkaufsplattform für Rollenspiele, listet über 1700 Titel unter der Kategorie ›Powered by the Apocalypse (PbtA).‹ Diese Spiele basieren auf Apocalypse World (2010) von Meguey und D. Vincent Baker, Gründungsmitglieder der Forge.

1 Erzähltheorie und Rollenspieltheorie

Man könnte also meinen, dass Theorie und Praxis des Rollenspiels als Erzählsystem, kurz des Erzählrollenspiels, gut etabliert seien. Umso erstaunlicher ist es, dass sich die geisteswissenschaftliche Disziplin, die sich dem Erzählen widmet, bis vor kurzem kaum für das Medium Rollenspiel interessiert hat. Meiers umfassende Dissertation über das Erzählen im Pen-and-Paper-Rollenspiel zum Beispiel ist erst im Jahr 2023 erschienen.

In diesem Essay soll zunächst diskutiert werden, warum Erzähltheorie für Rollenspiel lange kaum Anwendung fand. Im zweiten Teil geht es darum, beispielhaft zu zeigen, dass moderne Erzählrollenspiele die von der Erzähltheorie aufgestellten Strukturen und Gesetzmäßigkeiten längst in Spielregeln gegossen und damit tatsächliche ›Story-Creation-Systeme‹ erschaffen haben.

1.1 Gründe für eine fehlende Erzähltheorie

Es gibt mehrere Gründe, warum Erzähl- und Rollenspieltheorie fünfzig Jahre lang parallel verliefen, ohne sich allzu stark zu befruchten. Der eine liegt in der Beschaffenheit der Rollenspieltheorie selbst. Evan Torner schreibt, dass die Rollenspieltheorie bis vor kurzem die Domäne von Fans und Kreativen war (»RPG Theorizing« 188). The Forge ist hierfür das beste Beispiel: Fans und Designer:innen diskutierten theoretische Ansätze, gestalteten neue Spiele und probierten sie aus. Typisch dabei ist der Zweck der Diskussion: Es geht einerseits um eine Definition von Rollenspiel, andererseits um die Typisierung von Spielarten und damit auch um die Abgrenzung der eigenen Herangehensweise.

1.2 Theorie als Ratgeber

Ziel dieser von Fans und Schaffenden getriebenen Theorie war letztlich die Verbesserung der eigenen Disziplin durch das Hinterfragen bestehender Praxis. Die Gründe dafür sind vielfältig. Erstens ist das Medium Rollenspiel gerade erst 50 Jahre alt geworden und versucht sich als junge Form selbst zu finden. Zweitens kann man Dungeons & Dragons als eine Verbindung zweier unterschiedlicher Herangehensweisen an Fantastik-Spiele sehen; nämlich die taktische Kampfsimulation und das relativ freie Spiel mit Figuren, die im gemeinsamen Vorstellungsraum einer fantastischen Welt Geschichten erleben (Appelcline, The 70s 140). Drittens hatten frühe Fans oft kein klares Bild davon, wie Rollenspiele eigentlich gespielt werden. D&D und andere frühere Rollenspieltexte enthalten wenig klare Anweisungen, wie das Spiel an sich ablaufen soll. Dementsprechend sind viele Werke, die unter dem Titel ›Rollenspieltheorie‹ veröffentlich wurden, tatsächlich Spielratgeber und somit weit vom Anspruch der Erzähltheorie entfernt, die Gesetze und Strukturen des Erzählens medienübergreifend zu erforschen. Man könnte also sagen: Erzähltheorie hatte lange keinen Platz in der Rollenspieltheorie, weil diese zu sehr mit sich selbst beschäftigt war.

1.3 Fehlender Erzähltext

Umgekehrt interessierte sich auch die Erzähltheorie wenig fürs Rollenspiel. Ein möglicher Grund dafür sind das Fehlen eines Textes oder die Frage, welcher Text denn nun eigentlich relevant sei. Regelbücher haben kaum narrative Elemente. Quellenbücher, die fiktive Welten beschreiben, bilden nur den Hintergrund für Geschichten. Publizierte Szenarien geben eine Anleitung, wie eine Geschichte entstehen soll. Der eigentliche Text im Sinne der Erzähltheorie von Shlomith Rimmon-Kenan (3), die diesem Essay zugrunde liegt, entsteht aber erst am Tisch aus einem Zusammenspiel von Regeln, Versatzstücken einer fantastischen Welt und der Interaktion innerhalb der Spielrunde. Dieser Text entsteht und vergeht im Moment, und die Spielenden sind Erzählende sowie Publikum in Personalunion. Dementsprechend schwer ist ein Rollenspieltext durch Kategorien wie Literatur, Theater oder Film, mit denen sich die Erzähltheorie üblicherweise beschäftigt, zu erfassen.

1.4 Fokus auf wenig narrative Spiele

Ein weiterer möglicher Grund für die verzögerte Annäherung zwischen Erzähltheorie und Rollenspiel ist die Art der betrachteten Spiele. Die meisten theoretischen Arbeiten beschäftigen sich aufgrund ihrer Verbreitung mit traditionellen Rollenspielen wie Dungeons & Dragons. Diese Spiele konzentrieren sich darauf, eine in sich stimmige Welt abzubilden, in der die Spielfiguren mit Hilfe ihrer Fertigkeiten Herausforderungen überwinden. Ihr Spielziel ist weniger das Geschichtenerzählen an sich als das Erleben und Erkunden einer fiktiven Welt (Widmer 44).

Ein Erzählrollenspiel hingegen hat den Anspruch, durch Regeln und Prozesse die Spielgruppe dabei zu unterstützen, im Moment des Spielens selbst eine befriedigende Geschichte zu konstruieren. Auch bei traditionellen Rollenspielen entstehen Geschichten, aber eher im Rückblick. Die Spielrunde selbst ist nicht selten eine Aneinanderreihung von Ereignissen mit mehr oder weniger kausalem Zusammenhang, weil die Ergebnisoffenheit der Spielwelt und die Handlungsfreiheit der Charaktere im Vordergrund steht. Erst im Nachhinein ergibt sich, wenn die Spielenden die Höhepunkte des Spiels überblicken und Zusammenhänge herstellen, eine Story.5

Für Rimmon-Kenan ist eine zeitliche Abfolge von Ereignissen zwar die Minimaldefinition einer Geschichte (›Story‹), sie zitiert aber etliche Ansätze, für die eine kausale Verknüpfung der Ereignisse ebenfalls Voraussetzung ist (17). Es ist verständlich, dass die Erzähltheorie in der willkürlichen Aneinanderreihung von Ereignissen keine Erzählung im Sinne ihrer eigenen Definition gesehen hat.

2 Erzähltheorie in der Designpraxis

Die Erzähltheorie mag das Rollenspiel noch nicht für sich entdeckt haben. Das Erzählrollenspiel hat aber spätestens seit dem Jahr 2001 die Erzähltheorie für sich entdeckt. Ausgehend von der oben erwähnten Storygame-Bewegung gibt es heute hunderte Spiele, die den Anspruch haben, mit ihren Regeln und Strukturen das gemeinsame Erzählen einer Geschichte am Spieltisch voranzutreiben. Viele dieser Spiele nutzen dafür Erkenntnisse der Erzähltheorie als ihren Werkzeugkasten. Sie machen aus Erzählstrukturen narrative Spielregeln.

2.1 Strukturen und Perspektiven

Erzähltheorien beschäftigen sich mit den universellen Strukturen, die Erzählungen auszeichnen. Rimmon-Kenan (3) unterscheidet zwischen der ›Story‹ als chronologische Abfolge von Ereignissen, dem ›Text‹ als Wiedergabe dieser Ereignisse in unterschiedlicher Reihenfolge und der ›Narration‹ als Art der Erzählung. Alle drei Dimensionen sind in Erzählrollenspielen in narrative Regeln umgesetzt worden.

›Stories‹ sind keine zufällige Abfolge von Ereignissen, sondern zeichnen sich durch eine typische Struktur aus, die Rimmon-Kenan »narrative surface structure« (13) nennt. Ein simples Beispiel für eine solche Struktur ist, dass die meisten Ereignisse einer Geschichte entweder zur Verbesserung oder zur Verschlechterung der Situation der Figuren führen (Rimmon-Kenan 27). In Theater und Film werden solche Strukturen in dramatische Einheiten wie Szenen und Akte übersetzt – ein Vokabular, dessen sich Erzählspiele bedienen, um Geschichten mit Anfang, Mitte und Schluss zu erschaffen.

Fiasco (2009), in vielerlei Hinsicht das Musterbeispiel eines spielleitungslosen One-Shot-Erzählspiels, eines Spiels also, das innerhalb eines Spielabends eine bestimmte Art von Geschichte entstehen lässt, wird in zwei Akten gespielt. Jeder Akt hat zwei Szenen pro Mitglied der Spielrunde. Eine Szene entspricht dabei dem Spielzug einer Person. Während im ersten Akt hochtrabende Pläne geschmiedet werden, werden sie im zweiten Akt zunichte gemacht. Ein Nachspiel gibt allen in der Runde die Gelegenheit, einen Epilog für ihre Figur zu erzählen, wodurch die Spielenden für einen befriedigenden Schluss sorgen können. Fiasco rahmt den Spielabend also in eine definierte Anzahl von Szenen, die in Akte mit unterschiedlichen narrativen Funktionen untergebracht werden. Die Szenen werden von den Spielenden selbst mit einem Framing-Mechanismus gestaltet, der einen raschen Einstieg und Ausstieg vorgibt. Ein deutlicher Kontrast zur typischen Sitzung eines traditionellen Rollenspiels, die meist einfach dort ansetzt, wo die letzte Sitzung geendet hat, und dann endet, wenn die Spielenden aufhören wollen.

Dieser Unterschied ist nicht nur darin begründet, dass Fiasco nur für One-Shots gedacht ist. Eine narrativ strukturierte Herangehensweise lässt sich auch auf Kampagnenspiele übersetzen. So gibt Blades in the Dark (2017) zwei Phasen vor, zwischen denen die Spielrunde alterniert. In der ›Score‹-Phase führen die Charaktere der Spielenden einen actionreichen Coup durch, um ein definiertes Ziel zu erreichen. Darauf folgt eine ›Downtime-Phase‹, in der die Spielenden stärker auf der Metaebene agieren, um die Situation der Gruppe zu beurteilen, sich zu erholen und definierte Aktivitäten durchzuführen.

Erzählrollenspiele wie Fiasco und Blades in the Dark überlassen die »narrative surface structure« der im Spiel erzählten Story also nicht dem Zufall. Sie regeln den Spielablauf anhand narrativer Strukturen, was sich in der zeitlichen Dimension noch stärker spiegelt.

2.2 Chronologie der Ereignisse

Ein zentrales Thema von Erzähltheorien ist die Art, wie Ereignisse der ›Story‹ im Text der Erzählung neu angeordnet (Rimmon-Kenan 43 ff.), verändert, verkürzt oder wiederholt werden. Das traditionelle Rollenspiel funktioniert linear und nutzt wenige Spielarten narrativer Zeit, mit Ausnahme der Verkürzung, Ausdehnung oder Auslassung von Ereignissen, wie das lange Ausspielen eines kurzen Kampfes oder das Abhandeln einer Reise in einem Satz.

Blades in the Dark hingegen nutzt Rückblenden, also die Analepse, als Spielmechanik. Durch den Einsatz einer limitierten Ressource können die Spielenden eine Szene etablieren, die vor der aktuellen Situation stattgefunden hat und zum Beispiel zeigt, wie sich der Charakter auf ein akutes Problem vorbereitet hat. Harper gibt den Spielenden also das Recht, beim Erzählen die zeitliche Ordnung der Ereignisse im Text aktiv zu gestalten.

Bei Ten Candles (2017) zeichnen die Spielenden zu Beginn der Runde eine Abschiedsnachricht ihrer Charaktere auf, die am Ende des Spiels, nachdem alle Charaktere wie vom Spiel vorgegeben gestorben sind, noch einmal abgespielt wird. Eine Wiederholung, die am Ende den narrativen Bogen zum Anfang spannt und seine Wirkung nicht verfehlt.

Diese beiden Spiele, wie viele andere Erzählrollenspiele, ermächtigen die Spielenden also dazu, wie die Erzähler:innen eines typischen narrativen Textes mit der Ordnung und der Frequenz der Ereignisse der Geschichte zu spielen, indem sie in ihren Regeln entsprechende Vorgaben und Anreize setzen – eine Rückblende ist auch ein narrativer ›Power Move‹. Die Spiele verlangen also von den Spielenden, nicht nur von der Spielleitung, dass sie zu Erzähler:innen werden, die über die Perspektive des von ihnen dargestellten Charakters hinaus denken.

2.3 Erzählstimmen

Der dritte Aspekt der Erzähltheorie von Rimmon-Kenan neben ›Story‹ und ›Text‹, die ›Narration‹, also die Erzählweise und -stimme, ist fürs Rollenspiel besonders interessant. Da der Erzähltext hier erst am Tisch entsteht, ein gemeinsamer Vorstellungsraum aber für ein funktionierendes Spiel notwendig ist,6 kommt die Dimension des ›Erzählrechts‹ hinzu, also die Frage, wer in einer Situation erzählen darf, was in der Story passiert.

Traditionelle Rollenspiele verteilen das Erzählrecht meist starr: Spielende bestimmen über die Handlungen ihrer Charaktere, die Spielleitung verfügt über die restliche fiktive Welt und hat ein Vetorecht. Erzählspiele zeichnen sich hingegen dadurch aus, dass sie das Erzählrecht gleichmäßiger auf die Spielgruppe verteilen und Erzählrecht sowie Erzählarten durch Regeln strukturieren (Widmer 43). Es folgen einige Beispiele dafür, wie Erzählrollenspiele diese Herangehensweise sehr unterschiedlich ausgestalten. Während es bei Ten Candles um die Frage geht, was erzählt werden darf, bestimmen bei Swords Without Master (2014) die Würfel, wie etwas erzählt wird. Bei The Between (2021) haben die Spielenden sogar das Recht, bereits Erzähltes wieder aus der Story zu entfernen.

In Ten Candles gibt es zwar Würfel und eine Spielleitung, ein Wurf entscheidet aber nicht, ob eine Aktion gelingt, sondern wer die Konsequenzen erzählen darf. Man würfelt also nicht darum, ob man eine verschlossene Tür öffnen kann, sondern um das Recht zu erzählen, was sich dahinter befindet. Bei Swords Without Master wiederum bestimmen die Würfel nicht, was erzählt wird, sondern wie es erzählt wird. Zwei unterschiedlich farbige Würfel stehen für jeweils einen narrativen ›tone‹, quasi die Stimmfarbe des Erzählers. Ist der schwarze Würfel höher, wird die folgende Szene in einem düsteren Ton erzählt (›glum‹), ist es der weiße, schlägt der Ton ins Helle um (›jovial‹).

Im viktorianischen Horror-Erzählrollenspiel The Between erzählt die Spielleitung die Konsequenzen eines Fehlschlags, bevor sich die betroffene Person entscheidet, ob sie dies durch Einsatz eines Mechanismus verhindert. Die Spielleitung bei The Between ist also eine bewusst unzuverlässige Erzählinstanz, die im Text Ereignisse schildert, die manchmal aus der Story gelöscht werden. Es handelt sich dabei um einen für Erzählrollenspiele typisch reflektierten Umgang mit der Tatsache, dass das Erzählte am Spieltisch letztlich nur dann Gültigkeit hat, wenn sich die Spielgruppe darauf einigt. Wenn wir also die anfangs zitierte Definition von Rollenspiel aus Sicht der Erzähltheorie ergänzen wollen, dann könnte man sagen: Ein Rollenspiel ist in gewisser Weise ein Gespräch zwischen unzuverlässigen Erzähler:innen, die gemeinsam den Inhalt einer Geschichte aushandeln.

3 Fazit

Die erwähnten Beispiele zeigen, dass viele in den letzten 20 Jahren erschienenen Erzählspiele die Erkenntnisse der Erzähltheorie zu Spielregeln verarbeitet haben, um das gemeinsame Erschaffen einer befriedigenden Geschichte im Moment des Spielens zu befördern. Sie gehen bewusster mit der Struktur der Story, der zeitlichen Anordnung von Ereignissen im Text, den Erzählstimmen der Spielenden und der einzigartigen Erzählsituation des Rollenspiels selbst um, und schaffen damit eine Art Geschichten zu erzählen, die heute noch kaum erforscht ist. Dazu kommt, dass die Schwierigkeiten bei der Erforschung eines flüchtigen, mündlichen Erzähltextes heute behoben sind. Durch die Popularität des Formats Actual Play gibt es einen leicht verfügbaren, riesigen Korpus aufgezeichneter Spiele im Internet, der automatisiert transkribiert werden kann. Jetzt ist der Zeitpunkt, die Erzähltheorie um ein Rollenspielkapitel zu ergänzen.

Autor

Markus Widmer ist geborener Schweizer, gelernter Wiener und studierter Anglist. Er ist Mitbegründer des 3W6 Podcast, der sich seit 2016 mit Erzählrollenspielen beschäftigt. Einige dieser Spiele, zum Beispiel Dread, Dialect oder World Wide Wrestling, hat er ins Deutsche übersetzt.

Rollenspiel: Beziehungen gestalten, Fantastik erleben. Relationalität in der szeneästhetischen (Medien-)Praxis

Laura Flöter-Fratesi (Dortmund)

Spielen ist eine kulturelle Praxis, die so alt ist wie die Menschheit selbst. Das freie Fantasiespiel begleitet uns in wesentlichen Entwicklungsphasen und dient als soziales Handeln unter anderem dem Einüben des Zusammenlebens in der Gemeinschaft – Vater-Mutter-Kind, Räuber und Gendarmen, Piraten o.ä. sind Narrationen, die wohl jede und jeder von uns in der eigenen Kindheit auf die eine oder andere Weise hingebungsvoll inszeniert hat (Schmidt 31).

Etwa seit Mitte der 1970er-Jahre (USA) bzw. etwa Anfang der 1980er-Jahre (Deutschland) (Nagel 48) hat eine neue Kategorie von Gesellschaftsspielen das Prinzip des kindlichen So-tun-als-ob in ein Regelwerk überführt – und damit nicht nur auch für ‚uns Erwachsene‘ wieder erlebbar gemacht, sondern sozusagen den Urknall des Rollenspiel-Universums gezündet, das sich bis heute immer weiter ausdehnt und immer neue Variationen hervorbringt (Bowman 11). Mögen sie sich in der Ausführung auch unterscheiden und ihre Schwerpunkte bei dem einen oder dem anderen Aspekt setzen (vgl. Hitchens/Drachen), eines bleibt sich gleich: Spieler:innen entwickeln gemeinschaftliche eine Erzählung. Die Erinnerung an das vollkommene Versinken in der eigenen Fantasie, an diese Magie der totalen Immersion, zu der unsere kindliche Vorstellungskraft fähig war, lässt viele ‚von uns‘ bis heute zu den Würfeln7 greifen (und vermutlich auch betrauern, wie selten wir heutzutage nur noch dazu kommen …).

Der im Forschungskonsens inzwischen einigermaßen etablierte Status des fantastischen Rollenspiels als regelgeleitetes Erzählspiel (vgl. z. B. Schmidt) legt den Gedanken nah, zumindest das Wesentliche sei nun über diesen Gegenstand gesagt. Dabei ist wohl tatsächlich eher das Gegenteil der Fall: Dieser Konsens markiert lediglich die Grundsteinlegung der weiteren Forschung, die daran noch möglich (und nötig) ist.

Fantastisches Rollenspiel – eine soziokulturästhetische Praxis

Denn das fantastische Rollenspiel ist weitaus mehr als ›nur ein Spiel‹: Der Umstand, dass Partizipation, d. h. das gemeinschaftliche Entwickeln einer Erzählung, sein Kernkonzept ist, macht ein soziales Gefüge mit all seinen Bedingungen und Variablen zu dessen Bezugsrahmen. Dessen Dynamik und das wechselseitige sich-Durchdringen der Ebenen von regelgeleitetem Spielgeschehen und sozialem Handeln lässt einen bunten Strauß möglicher Fragestellungen erblühen.

Der enorme Spielraum in der Ausgestaltung der Spielinhalte, die Notwendigkeit, selbsttätig und eigenschöpferisch mit dem Medium umzugehen, um es erfahren zu können, holen zudem auch Fragen von Ästhetik und künstlerischem Handeln an den Spieltisch (vgl. Flöter) und vervielfachen die möglichen Dimensionen.

Kaum ein anderes Medium vereint so viele Perspektiven mit solcher Selbstverständlichkeit. Man könnte also sagen: Fantastisches Rollenspiel ist eine soziokulturästhetische Praxis.

Die Herausforderung, die seine systematische Erfassung und akademische Verortung darstellt, wird spätestens dann deutlich, wenn man neben der deskriptiven Ebene der medialen Strukturen – geschichtliche Entwicklung, Definitionsmerkmale, Regelwerke o. ä. – das mediale Produkt in die Untersuchung einbezieht: Rollenspiel realisiert sich als ein immersiver Vorstellungsraum, der zunächst rein imaginär funktioniert, d.h. ganz unabhängig ist von einer physischen Repräsentation – eine gemeinschaftlich formulierte Imagination als Kulminationspunkt ästhetisch-gestalterischer ebenso wie psychischer, emotionaler und sozialer Prozesse.

Spätestens an diesem Punkt wird deutlich: Das fantastische Rollenspiel ist schon in seiner Struktur so komplex, dass sich zahlreiche akademische Disziplinen in seiner Erforschung verdient machen können. Und über konkrete Themen, Inhalte und Spielgegenstände haben wir bisher noch nicht gesprochen! Es scheint beinahe, als hätten wir mit dem Rollenspiel einen Weg gefunden, die Komplexität des menschlichen Daseins an sich in all seinen Kontexten zu reinszenieren – und unsere Erkenntnisinteressen (genauso wie unsere Probleme damit!) so gewissermaßen zu verdoppeln …

Relationalität: Beziehung als Gegenstand künstlerischen Handelns

Möchten wir uns akademisch mit fantastischem Rollenspiel befassen, ist es ein wenig, als wären wir mit Alice ins Wunderland gereist: This way? Or that? Prinzipiell stehen die Perspektiven gleichberechtigt nebeneinander und tragen wechselseitig zur Auslotung dieses vielseitigen Gegenstandes bei. Ein Gedanke aber liegt jeder Überlegung zugrunde: Auf ›operativer‹ Seite ist das fantastische Rollenspiel – insbesondere, wenn es um den Spielprozess selbst geht – nicht von dem sozialen Kontext zu trennen, in dem es stattfindet, und den es zugleich hervorbringt.

Sein ›Produkt‹, d. h. der Spielprozess, besteht in der Gestaltung fiktionaler sozialer Geflechte und Interaktionen, die eine enorme Differenziertheit und großen Detailreichtum erreichen können. Deren Kontext wie Bezugspunkt ist wiederum eine konkrete soziale Gruppe von Akteur:innen. Das fantastische Rollenspiel gestaltet soziale Prozesse und Phänomene also sowohl auf inhaltlich-medialer Ebene wie auch auf der Ebene der Teilnehmenden. Im Spielen durchdringen sich die ästhetische und die soziale Dimension wechselseitig und bringen so komplexe Erfahrungsräume hervor (vgl. Bowman; Fine; Flöter; Herbrik; Kahl u. a.).

Aus kunstwissenschaftlicher Sicht also ist das fantastische Rollenspiel eine partizipatorische ästhetische Praxis, d.h. sie be- bzw. entsteht im Kontext sozialer Bezüge: Die Spielhandlung entsteht erst in der gemeinschaftlichen Gestaltung bzw. Schöpfung. Zwar haben Spieler:innen in der Regel ein hohes Maß an Deutungshoheit in Bezug auf die eigene Spielfigur – diese ist aber auch immer von der Entwicklung des Spielverlaufs im Ganzen (Flöter 194–199) abhängig. Alterität, d.h. die (produktive) Begegnung mit dem Gegenüber, spielt hier also im Sinne des sozialen wie auch ästhetischen Erlebens eine wesentliche Rolle.

Diese Verflechtung von sozialem und ästhetischem Raum und die Erfahrungen, die in diesem möglich sind, machen das fantastische Rollenspiel zu einem faszinierenden Untersuchungsgegenstand für die Kunstsoziologie, insbesondere für künstlerisch-ästhetische Theorien mit sozialen Perspektivierungen wie die soziale oder relationale Ästhetik: Ästhetische Gehalte in der sozialen Begegnung und das Initiieren, Entwickeln und ästhetische Inszenieren von Beziehungsgeflechten sind ihr wesentliches Interesse.

Die namensgebende Relationalität beschreibt eine Haltung, die ihre Gegenstände niemals nur isoliert betrachtet, sondern im Kontext des Beziehungsgeflechts, in dem sie verortet sind, ihrer wechselseitigen Bezüge und der Bewertungen und Zuschreibungen, die daraus resultieren. Sie operiert insofern stets im Spannungsverhältnis Ich – Wir – Welt. Relationalität beschreibt damit gewissermaßen auch eine Weltanschauung und ein Menschenbild. Das Konzept findet in den letzten Jahren zunehmend Beachtung in den geistes- und gesellschaftswissenschaftlichen Disziplinen, insbesondere auch in Bildungszusammenhängen (vgl. Krautz).

Die relationale Ästhetik untersucht künstlerische Formate und ästhetische Phänomene auf ihre Potentiale hin, über das Inszenieren von Alterität, also von Begegnungen mit dem Anderen, dem Fremden – Personen in anderen Lebenssituationen, gesellschaftlichen Missständen oder auch radikal utopischen Zukunftsentwürfen – Reflexionsprozesse anzustoßen (vgl. Bourriaud). Relationale Kunst weist auf etwas hin, sie schafft Bewusstsein, aber sie konfrontiert auch, irritiert und provoziert (vgl. Wischhoff). Menschliche Beziehungen werden darin zum Material und zum Medium künstlerischen Handelns (vgl. Lochner). Sie zielt damit letztendlich auf nichts anderes als eine Haltungsänderung und widmet sich darin ganz wesentlich auch Fragen nach dem Potential künstlerisch-ästhetischen Handelns und Erfahrens als Modus gesellschaftlicher Transformation (vgl. z. B. Kester). In letzter Konsequenz geht es ihr so um die gesellschaftlichen Verhältnisse, in denen wir uns tagtäglich bewegen und die wir durch konformes Handeln immer wieder – und vielfach unbewusst – reproduzieren: Vor diesem Hintergrund heißt Haltungsänderung auch Werte zu entwickeln und zu vertreten.

Ansätze, Konzepte und Perspektiven wie diese stellen eine prominente Ausrichtung aktueller kunstwissenschaftlicher Entwicklungen dar. Das fantastische Rollenspiel kann von dieser zeitgenössischen Interessenlage profitieren – insbesondere, wenn wir uns vergegenwärtigen, wie häufig Spieler:innen berichten, dass die im Spiel gemachten Erfahrungen, und damit wesentlich die darin inszenierten Beziehungen und Interaktionen, sie in ihrem eigenen Denken, Handeln und Empfinden positiv beeinflusst haben (vgl. Kahl; Bowman; Flöter).

Dass ästhetische Prozesse Trägerfunktionen von Identitätsentwicklung sind – und mithin Medium von Persönlichkeitsentwicklung und Haltungsänderungen – ist erwiesen (vgl. Flöter). Eine faszinierende Perspektive auf das fantastische Rollenspiel auch und gerade als ästhetische Praxis ist also sein Potential, Beziehungen herzustellen, zu illustrieren und zu gestalten – und darin tatsächliche Veränderungen bei den Teilnehmenden zu bewirken.

Und dieses Potential ist nicht nur in der Ebene des Spiels gebunden, d. h. im Spielprozess im engeren Sinne. Es findet sich auch im Beziehungsgeflecht außerhalb des Spiels, also zwischen den Spieler:innen: Als dauerhaftes Mitglied einer Spielrunde oder auch als Teilnehmer:in einer Convention lässt sich ein mitunter extremes Gefühl der sozialen Zugehörigkeit erleben. Im Rahmen einer etablierten Spielrunde entstehen Beziehungen, aber auch über die Dauer ›nur‹ eines intensiven Wochenendes mit vielen Begegnungen, Diskussionen und, natürlich, Spielsitzungen.

Beziehung ist insofern ein Schlüsselkonzept für ein fundiertes Verständnis von Rollenspiel sowohl hinsichtlich seiner medialen Praxis als auch hinsichtlich seines Status als ästhetische Praxis – und ebenso hinsichtlich seiner Bedeutung für die Spieler:innen als Individuen und als etablierte Spielgruppe. Es scheint vielversprechend, es aus der Perspektive ästhetischer Theorien wie der relationalen Ästhetik zu betrachten, um die Funktion und Bedeutung von Beziehung im fantastischen Rollenspiel noch weiter zu erschließen. Der Aspekt des Verhandelns von Werten und Haltungen ist in diesem Zusammenhang von wesentlicher Bedeutung.

Im Folgenden möchte ich einige erste Gedanken dazu skizzieren. Und damit geht es nun endlich auch ganz explizit um die Fantastik.

Relationalität im Rollenspiel: Das Fantastische erleben

Für die Fantastikforschung ist das Rollenspiel so interessant, wenn bzw. weil das Fantastische auf inhaltlicher Ebene vielfach prägend ist8 – tatsächlich ist das Fantastische in all seinen diversen Erscheinungsformen ein häufig gewählter, vielleicht sogar der häufigste ästhetische Modus für die Gestaltung der konkreten Spielinhalte (Flöter 229–249). Wichtig ist an dieser Stelle, das Fantastische als einen ästhetischen Modus zu verstehen, eine Darstellungsweise, die prinzipiell nicht mediengebunden ist, sondern innerhalb der verschiedenen Medien mit deren jeweils eigenen Möglichkeiten und in Orientierung an ihren Strukturmerkmalen inszeniert wird – nach Frank Weinreich sind es im Übrigen die Rollenspiele, die als erste Spielform das Fantastische als Darstellungsmittel adaptieren (Weinreich 94).

Als ästhetischer Modus kennzeichnet sich das Fantastische durch die fantastische Bebilderung – eine Reformulierung der empirischen Realität in treffenden Bildern. Diese Bildlogik muss stringent und in sich kohärent komponiert sein, um als qualitätsvolle ästhetische Gestaltung gelten zu können – und dies wiederum setzt voraus, dass der fantastisch bebilderte Gegenstand im ›realen Vorbild‹ sehr genau durchdrungen wurde und, eventuell gemäß einer subjektiven Bewertung, die bildliche Übersetzung ihn in seiner inneren Struktur wiedergibt.

Erst dann kommt die ›Macht‹ des Fantastischen als ästhetischem Modus im vollen Umfang zur Wirkung – das Deuten und Erklären der vorgenommenen Wirklichkeit in einer hohen Anschaulichkeit (Haas 26 ff.): Gerhard Haas benennt in diesem Zusammenhang mehrere Funktionen von Fantastik, die unterschiedliche menschliche Erfahrungsbereiche spiegeln – wesentlich sind hier die persönliche Entwicklung der Protagonist:innen (34 f.) oder die Reflexion gesellschaftspolitischer Verhältnisse (33). Begreift man diese aus ihrer Bedingtheit durch soziale Beziehungsgeflechte heraus, werden Parallelen sowohl mit Anliegen der relationalen Ästhetik als auch des fantastischen Rollenspiels deutlich.

In dieser Lesart übernimmt das Fantastische Funktionen von Sinnstiftung und Weltdeutung und, in diesem Zuge, ihrer konstruktiven Aneignung. Der in dieser fantastischen Bebilderung gefasste Verweis auf die reale Welt, den das Fantastische vielfach formuliert (Haas 32), wird hierin deutlich. Dieses Klärende des Fantastischen und seiner ästhetischen Mittel lässt sich durchaus auch für das fantastische Rollenspiel in Anspruch nehmen (Flöter 250–255).

Dies lässt den Schluss zu: Fantastisches Rollenspiel ist (wie ästhetisches Handeln überhaupt) ganz wesentlich ein Modus der individuellen wie, in Gestalt des Gruppenkonsenses, der Sinnkonstruktion auch sozialer Gemeinschaften. Die Verhandlung von Werteordnungen und die Entwicklung einer individuellen Haltung – wie sie eben auch das Interesse der relationalen Ästhetik sind – sind davon ein ganz wesentlicher Aspekt. Was lässt sich diesbezüglich über das fantastische Rollenspiel aussagen? Weinreich stellt fest, dass sich seit dem Aufkommen des fantastischen Rollenspiels eine »riesige Gemeinschaft von Menschen entwickelt [hat], die Fantasy nicht mehr nur rezipiert, sondern an ihr partizipiert, die am Fantasygeschehen aktiv teilnimmt und denkend wie auch agierend in imaginäre Welten schlüpft, […] und Magie soweit ›gebraucht‹ und erlebt, wie es uns realweltlichen Menschen nur möglich ist« (93 f.). Fantastische Rollenspiele stellen demgemäß einen besonders ›umfassenden‹ Zugang zu imaginären (Spiele-)Welten dar, der von einem bestimmten Personenkreis genutzt wird – im Sinne der ästhetischen Praxis einer spezifischen Szenekultur.

Als typische Gesellungsformen, d. h. als Erscheinungsform unserer pluralistischen westlichen Gegenwartsgesellschaften, sind Szenen als Kontext von Identitätsschöpfung und sozialer Verortung immer Räume für die Verhandlung von Wertesystemen und Weltanschauungen, d.h. also Kontexten der persönlichen Sinnstiftung (Hitzler und Niederbacher 1–15). Dies trifft natürlich auch auf die Fantasy- und Rollenspiel-Szene zu. Da diese beiden Szenen sich typischerweise nahestehen und viele Szenegänger:innen (auch aufgrund des Wesens des Fantastischen als einer spezifischen Ästhetik, die sich in verschiedenen Medien und Inhalten manifestiert) beiden angehören, sollen diese im Folgenden als in etwa deckungsgleich behandelt werden.

Als Szene mit einer ästhetischen Praxis als Fokus (Flöter 261–298) bestimmen Werte wie Individualität, Kreativität bzw. Imaginationskraft und die Erscheinungsformen der fantasyspezifischen Ästhetik die szenekulturellen Äußerungen und die Haltung der angelagerten Szenekulturen. Da es in der ein oder anderen Weise immer um die Gestaltung sozialer Prozesse bzw. Interaktion im Rahmen einer Spielwelt geht, überrascht nicht, dass Werten wie Empathie, Integration bzw. Inklusion, Offenheit, Begegnungen mit unterschiedlichen Menschen/Alteritätserfahrung, Toleranz und Respekt in der Rollenspiel-Szene gemeinhin eine große Bedeutung zugesprochen wird (Hitzler und Niederbacher 127). Es ist aber anzumerken, dass es sich dabei zunächst um Selbstzuschreibungen der Szene handelt. Ob bzw. inwiefern die soziale Realität diesem Wertespektrum dann auch tatsächlich entspricht, bliebe eingehender zu prüfen. Hier eröffnen sich spannende Forschungsfelder für sozialwissenschaftliche wie kunstsoziologische Ansätze und Paradigmen wie eben die relationale Ästhetik.

Wohin führen diese Überlegungen? Rollenspiel ist beziehungsstiftend. Spieler:innen widmen sich intensiv dem Gestalten sozialer Beziehungen – sowohl auf der Ebene des Spiels als auch im Rahmen der eigenen Spielgruppe und damit zumindest indirekt auch der Rollenspiel-Szene selbst. Das gewählte Mittel – Rollenspiel – ist eine ästhetisch-schöpferisch Praxis, die vielfach einer spezifischen Ästhetik folgt: dem Fantastischen. Rollenspiel ermöglicht so, das Fantastische als sozioästhetische Praxis zu erleben – und in seinen immersiven Strukturen Erfahrungen zu machen, die Prozesse der Entwicklung und Veränderung bewirken können (Flöter 172–184).

Im Rollenspiel wird auf diese Weise deutlich, welche Lebensbedeutsamkeit die Fantastik – und darin eine spezifische Ästhetik bzw. ästhetisches Handeln generell – für Menschen haben kann: Es übernimmt Funktionen der Wertschöpfung und Sinnstiftung nicht nur für das Individuum, sondern für eine ganze Gemeinschaft. Es ist darin ein pars pro toto für die Lebensbedeutsamkeit des Ästhetischen, der Kunst schlechthin.

Das Rollenspiel ist eine faszinierende Gelegenheit für die Fantastikforschung, ihren Gegenstand relational zu denken – und das Fantastische aus der Perspektive einer sozioästhetischen Handlungspraxis zu begreifen, in der Kunst und Leben einander tatsächlich durchdringen: Die Bedeutung von Partizipation als Trägerfunktion sozialer Interaktionen, die damit einhergehende Gestaltungsfreiheit als deren ästhetische Dimension, Prozesse der (insbesondere sozialen) Immersion und Identifikation als Strukturmerkmale genuin ästhetischen Handelns und Erlebens und deren Einfluss auf Identität und, davon ausgehend, die Entwicklung individueller Haltungen und Anschauungen bieten sich als vielversprechende Ausgangspunkte dar.

Als interdisziplinäres Feld können sich Perspektiven der Kunstwissenschaft wie die vorgestellten hier einbringen. So wird das Konzept der Relationalität, werden Beziehungen zum Missing Link zwischen Rollenspiel und Fantastikforschung. Nicht zuletzt gibt dies Gelegenheit, herauszufinden, ob, und wenn ja, inwieweit und wie die Kunst die Welt wirklich verändern kann.

Autorin

Laura Flöter-Fratesi hat Kunst, Literaturwissenschaften und Philosophie in Essen studiert und beide Staatsexamina abgelegt. Ihre Promotion über das phantastische Rollenspiel als ästhetische Inszenierung von Identitätsprozessen wurde mit dem Dissertationspreis der Gesellschaft für Fantastikforschung 2018 ausgezeichnet. Seit 2022 lehrt sie Bildende Künste im sozialen Kontext an der FH Dortmund. Sie ist als freischaffende Künstlerin tätig und engagiert sich politisch im Bereich Nachhaltigkeit (www.laurafloeter.de).

Community-Kanonisierung in Pen-and-Paper-Rollenspielen

Evan Torner (Cincinnati)

Mein Pen-and-Paper-Hintergrund liegt in der Community von »Indie«-Rollenspielentwickler:innen im westlichen Massachusetts in den USA, wo ich in den 2000er- und frühen 2010er-Jahren Germanistik studierte. Wegen dieser Menschen bin ich da angekommen, wo ich jetzt bin, und wegen ihnen darf ich schreiben, was ich nun schreibe. In der globalen Indie-P&P-Community, die damals vermutlich aus weniger als 1000 Menschen bestand, setzte sich ein Rollenspieltheorie-Prinzip durch, das »the lumpley Principle«9 heißt. Dieses Prinzip versucht, den Kern von Rollenspielen als Aktivität zu fassen. Es lautet: »System (including but not limited to ›the rules‹) is defined as the means by which the group agrees to imagined events during play.«

Auf Deutsch meint dies ungefähr, dass die fiktive Spielrealität eines Rollenspiels aus dem Gesellschaftsvertrag der Spieler:innen entsteht. Das »System« eines Spiels besteht deswegen somit aus den Regeln, sondern mehr aus der Spieler:innen-Kommunikation, die dann zum Gruppenkonsens über die gemeinsame Fiktion führt. Ein Rollenspiel besteht eben nicht nur aus Regeln für die Spieler:innen bzw. Hindernissen für ihre Protagonist:innen, sondern einer Reihe von interessanten Aussagen, zu denen man ständig »Ja« oder »Nein « sagt. Mit diesem lumpley Principle in der Hand befreiten sich viele P&P-Rollenspiel-Designer:innen von der Annahme, dass ein Spielsystem nur nach etablierten Mustern entworfen werden kann. Man fängt mit den mündlichen Äußerungen der Spieler:innen an, und baut darauf auf, wenn es etwas Interessantes in dem Gespräch (d. h. »the conversation«) erzeugt.

Aber es geht hier nicht um das Prinzip selbst, sondern seine Ursprünge. Es entstand 2002 auf dem Internet-Forum The Forge aus der Zusammenfassung einiger Forenbeiträge und -diskussionen. Das Prinzip wurde »lumpley Principle« genannt, weil D. Vincent Bakers eigene Rollenspiel-Firma »umpley games« hieß und der damalige Forum-Moderator Ron Edwards dem Prinzip diesen Namen gab. Einfach so. Hier krönte eine Autoritätsfigur einen anderen Mann zum Erfinder, der eine klare Theorie scheinbar vollkommen alleine entwickelt hat. Der Schein trügt aber.

Das lumpley Principle entstand nicht aus dem Geist eines Genies, sondern aus den Spielen und Gesprächen eines Kollektivs. Seit den frühen 1990er-Jahren waren David Vincent Baker, Meguey Baker und Emily Care Boss Freund:innen bzw. Partner:innen, die sich im westlichen Massachusetts kennengelernt hatten: Die Bakers waren Student:innen am Hampshire College und Boss eine Studentin an der University of Massachusetts Amherst, wo ich selber später promoviert habe. Sie haben in ihrer Studienzeit gemeinsam eine Kampagne von Ars Magica (1988) gespielt. Die Autoren Jonathan Tweet und Mark Rein*hagen beschreiben Ars Magica als Theatertruppen-artiges Rollenspiel (»troupe-style play«), in dem die Figurenbesetzung einer Spielrunde in einer Kampagne je nach den Bedürfnissen des Geschichtenerzählens variiert. Sowohl die Spielleiter:in als auch welche Spieler:innen bestimmte Figuren spielen, werden innerhalb der Gruppe frei gewählt. Die Rollenspielgruppe agiert in »troupe-style play« als Schwarmintelligenz und beruht auf der Zustimmung und Rollenflexibilität der Gruppe.10 Die gemeinsame Spielerfahrung von Ars Magica prägte das Rollenspielverständnis der drei nachhaltig. Die Bakers und Boss wurden später auf ihre je eigene Weise zu selbständigen Game-Designer:innen und entwickelten zusammen dieses Prinzip des Gruppenkonsenses in Rollenspielen weiter.

Schließlich aber stellte Vincent Baker im Oktober 2002 im Forge-Forum die These auf (»Vincent‘s Standard Rant: Power, Credibility and Assent«), dass ein Rollenspiel-System nur Glaubwürdigkeit an die Aussagen seiner Spieler:innen verleihe; ansonsten würden seine Regeln praktisch gar nicht existieren. Boss war ebenfalls an dieser Diskussion beteiligt und behauptete ihrerseits, dass sozialer Druck entscheidender sei als Regeln. Baker erklärte dem Forum dann elegant den zentralen Punkt: »Nothing‘s true in the game until all the players agree that it^s true. System, mechanics, GMs and so on are all just ways to get the players to all agree that things are true« (Baker). Forge-Moderator Ron Edwards verlieh dann dem Mann das Namensrecht dieser Theorie: das lumpley pinciple tauchte 2004 im Forge-Glossar auf, an dessen Entstehung Boss ironischerweise beteiligt war, und man akzeptierte für über ein Jahrzehnt unhinterfragt, dass alles Bakers Idee war. Aber das stimmte bereits damals nicht: Die Bakers und Boss haben das Prinzip in den 1990er-Jahren gemeinsam entwickelt. Wie ist es aber dazu gekommen, dass die Urheberschaft einer wichtigen Rollenspieltheorie nur einem Mann zugeschrieben worden ist, wenn sie von einem Mann und zwei Frauen entwickelt wurde? Inzwischen wurde das lumpley Principle glücklicherweise in das »Baker-Boss Principle« umbenannt.

Von der Bibel bis zu Bertolt Brecht und seinem Frauenkollektiv, das die Theaterstücke von »Bertolt Brecht« gemeinsam geschrieben haben (vgl. Fuegi), wird kollektive Autorschaft als wichtiger Teil kultureller Produktion gesehen. Trotzdem suchen sogar die Game Studies bei digitalen Spielen, die fast nie nur von einem Individuum erfunden und produziert werden, nach Visionären und dem Genie-Gedanken (vgl. Schmidt), damit man eine kohärentere und spannendere Entstehungsgeschichte erzählen kann,11 die dabei diesem immer noch wirkmächtigen Narrativ folgt (vgl. Unterhuber, »Kanones«). Ich bestätige selber diese Wirkmächtigkeit, denn sowohl die Geisteswissenschaften als auch kulturelle Gremien verlangen am Ende eine Geschichte entscheidender Individuen und großartiger Ideen (vgl. Torner, »Literary-Musical Larp Adaptations«). Aber manchmal stimmt es einfach nicht, dass nur eine Person hinter einer Innovation von Spielformen bzw. -theorien steht. Dieser Sachverhalt verhindert es, einen klaren zu den Game Studies gehörenden Beitrag für P&P-Rollenspiele zu artikulieren, denn die Antwort auf die Frage »Wessen Idee war das alles?« besteht typischerweise und unzufriedenstellend aus der Aussage: »Sie kommt aus der Community«.

P&P-Rollenspiel ist grundsätzlich Volkskunst. Edwards (»A Hard Look«) beschreibt, wie die Rollenspielszene sich wie »Kargo-Kulte« verbreitet hat und wie verschiedene Regel-Interpretationen bzw. -adaptionen von Dungeons & Dragons letztlich zu völlig anderen Systemen und Zweigen des P&P-Rollenspiel-Hobbys geführt haben. Jon Peterson (Playing) dokumentiert beispielsweise, wie die Diebesklasse in D&D tatsächlich im Jahr 1974 von der Aero Hobbies Gaming Group in Santa Monica, Kalifornien erfunden wurde und wie sie sich über Gary Gygaxs Greyhawk-Buch (1975) in den Kanon fast aller Fantasy-Rollenspiele eingeschlichen hat. Gary Switzer und D. Daniel Wagner haben in Santa Monica das Konzept entwickelt und anschließend stellte Gygax die Regeln für die Diebes-Klasse zusammen und publizierte sie im Great Plains Games Players Newsletter im Mai 1975. Solche Geschichten sind überall in der Geschichtsschreibung des Pen-and-Paper-Rollenspiel-Hobbys zu finden: Ein Kollektiv bzw. eine Spielgruppe entwickelt etwas für sich, das dann später das ganze Medium »Rollenspiel« verändert. Mike Pondsmiths Cyberpunk 2020 (1990) entstand aus einer Adaption von Marc W. Millers SF-Rollenspiel Traveller, die er in seiner eigenen Spielgruppe und später in seiner eigenen Firma R. Talsorian Games weiterentwickelte. Jonathan Tweet und Robin D. Laws stellten zusammen Gedankenexperimente über die Postmoderne in Rollenspielen an, die dann direkt zu Tweets Over The Edge (1994) führten. Alex Roberts’ For the Queen (2019) ist eigentlich ein Hack von Avery Alders The Quiet Year (2013), das wiederum als Kartenspiel-Adaption von Vincent und Meguey Bakers Apocalypse World (2010) konzipiert war. Dies alles sind Beispiele dafür, dass die Entwicklung von Rollenspielen keine Arbeit von Einzelnen ist, sondern von Netzwerken und Kollektiven. Dass Rollenspiele immer Gemeinschaftsproduktionen sind, sieht man auch an handelsübliche P&P-Adaptionen wie Avatar Legends: The Roleplaying Game (2022), das wie ein Videospiel geschrieben wurde: Alle Beteiligten der Autor:innenengruppe hat einen Teil bzw. ein Kapitel zu schreiben, die anschließend zu einem Gesamtprodukt zusammengefügt werden. Wenn man Rollenspiel-Autor:innen nicht in ihrem Netzwerk-Kontext einordnet, versteht man nicht, woher Rollenspiele eigentlich kommen.

Entsprechend würde eine genaue Aufarbeitung von Rollenspiel-Geschichte aus einer Unzahl von Briefen und Manuskripten aus den 1970er- und 1980er-Jahren, aus Emails aus den 1990er -Jahren und eventuell aus Marginalien aus Google -ocs-Dateien in den 2000er-, 2010er- und 2020er-Jahren bestehen. Es ist fast absurd, wie undramatisch diese Geschichte aussehen würde, aber Genauigkeit und Authentizität bedürfen nicht des Dramas. In dieser Art und Weise würden wir Rollenspiel-Communities statt Rollenspiel-Autoren kanonisieren, was natürlich zu einem anderen Problem führt: Der Dominanz von Cliquen.

Rollenspiele werden im Freundeskreis entwickelt und gespielt, d. h. der Freundeskreis fungiert als eine Art Werkstatt, in der man sich sicher fühlt, Spielsysteme auszutesten. Negativ betrachtet ist ein Freundeskreis eine Clique: Eine äußerst exklusive Bande, deren Geschichte zu privat und zu kompliziert für die Öffentlichkeit wäre. Positiv gewendet sind Cliquen bahnbrechend für das Hobby: Baker-Boss-mäßige Spielgruppen, die ihr Spielerlebnisse und -erfahrungen zur Rollenspieltheorie machen. Die Kanonisierung einer Community für die P&P-Rollenspiel-Geschichte führt aber auch schnell zu einem romantisierten Blick der Nachwelt auf einen Freundeskreis, so wie dies auch für die Villa-Diodati-Gruppe des Sommers 1816 gilt. Diese Romantisierung wurde zum Beispiel von Michael Witwer in seinem Buch Empire of Imagination (2016) operationalisiert, in dem er im schwülstigen Stil das Leben von Gary Gygax und seinen Gefährten nacherzählt. Witwer schafft Spannung durch eine künstliche Innerlichkeit, die dann die Wahrhaftigkeit vieler erzählerischer Instanzen in Frage stellt. In Witwers Buch beschreibt er z. B. Gygax als Achtjährigen wie folgt: »Eight-year-old Gary lay motionless on his bottom bunk, wide awake. This was nothing new, as he always had trouble sleeping. There was just too much to think about, to imagine, and this was the time of day where Gary’s mind did its best work« (17). Beim Lesen wird das Gefühl evoziert, man wäre gerne unter den Geeks gewesen, die dann D&D in die Welt gebracht haben, Teil einer der beiden Communities, die, wie Peterson in The Elusive Shift beschreibt, das Geek-Sein für über 40 Jahre bestimmten: Die Gamer und die SFF-Fans. Die Community, um die es mir hier geht, die die Grundlagen der Rollenspieltheorie entwickelten, ist erheblich kleiner und diskutierte hauptsächlich in obskure Fanzeitschriften. Wie fängt man die Energie dieser kollektiven Denkarbeit ein, ohne dass man einfach eine bestimmte Clique als prophetische Vordenker:innen des Hobbys versteht?

Wenn man sich weder diesem Muster der Vordenker:innen noch der Genies bedient, gibt es weder einen Kant noch einen Hegel der Rollenspieltheorie, also keine anerkannten Denker, die gestützt von Institutionen in Briefkorrespondenzkreisen paradigmatische und Denkschulen-begründende Theorien für Jahrhunderte etablieren. Menschen wie die Bakers, Boss und Edwards diskutierten ihre Theorien in der Öffentlichkeit, aber vor allem gemeinsam als Schwarmintelligenz eines Internet-Forums (vgl. White, Tabletop). Erst später brachten sie dann diese Ideen selbständig in ihre eigenen publizierten Rollenspiele ein, die damals in den 2000er-Jahren Auflagen von weniger als 500 Exemplaren erlebten. Einerseits ist die Verortung der Ideengeschichte der Rollenspieltheorie und ihrer direkten Implementierung in Rollenspiel-Produkten etwas Spannendes für künftige Doktorand:innen. Andererseits wäre es gleichzeitig eine Verzerrung, denn die Szene bzw. die Clique selber hat die Theorie entworfen, ohne dass eine Person die Lorbeeren dafür erntete. Die Spiele selbst sind vielleicht konkrete Ergebnisse ihres Einflusses; die zahllosen informellen Gespräche in Gen-Con-Hotel-Lobbys eher nicht.

Nach diesem Worten der Warnung werde ich dennoch versuchen, eine Theorie-und-Spiel-Community, an der ich selbst beteiligt bin, zu kanonisieren. Games on Demand ist ein Netzwerk von Spielleiter:innen, die als Teil mindestens 13 verschiedener amerikanischen Spieleconventions ihre eigenen Indie-P&P-Conventions betreiben. Spielrunden werden dort umsonst und spielerisch angeboten, damit jede/r Spieler:In etwas zu spielen findet. Man ist vom strengen Stundenplan der Spieleconvention befreit, und die Spielleiter:Innen dürfen für einmal Spielrunde der Rollenspiele leiten, die etwas obskuranter oder weniger beliebt sind.

Einige der wichtigsten amerikanischen Indie-Rollenspiel-Designer:innen – Jason Morningstar (Bully Pulpit Games), Kenneth HIte (Pelgrane Press), Sean Nittner (Evil Hat Games), Sarah Doombringer (Magpie Games), Lowell Francis (The Gauntlet), u. a. – waren in den 2010er-Jahren Stammspieler:innen bzw. Stammspielleiter:innen bei Games on Demand. Wenn wir eine Vorstellung der Schwarmintelligenz oder Schwarmkompetenz der Indie-P&P-Szene erhalten möchten, erscheint Games on Demand als perfektes Beispiel. Erstens sollte erwähnt werden, dass die Haupteinsichten ins Spieldesign dieser Community auf sogenannten Actual Plays von Rollenspielen beruht, was entweder eine echte Spielrunde eines experimentellen Rollenspiels (vgl. Torner, »Actual Play Reports«) oder Aufzeichnungen tatsächlicher Spielrunden von P&P-Rollenspielen (vgl. White, »Actual Play«; Jones) bezeichnet. Zweitens werden keine Spieldesigner:innen oder Spielleiter:innen über andere bevorzugt: Jeder bekommt ein »Spielmenü«, in dem beschrieben wird, welche Rollenspiele angeboten werden. Alle Spieler:innen bei einer Convention dürfen ohne Voranmeldung vorbeikommen und mitspielen, manchmal mit einem berühmten Spieldesigner wie Morningstar, manchmal mit einer 15-jährigen Anfängerin als Spielleitung. Drittens werden die Spielsitzungen und die dabei gespielten Spielsysteme danach ausführlich besprochen, nicht nur gleich im Anschluss, sondern auch spät in der Nacht in den Hotel-Lobbys oder in anderen öffentlichen Räumen. Obwohl sich Teile der Community oft schon gut und lange kennen, ist es ein Prinzip der Community, immer einen Platz für Neuankömmlinge zu schaffen. Solche quasi-öffentlichen Gespräche im Games-on-Demand-Kontext bilden eine eigene Sozialsphäre, in der Ideen außerhalb des Internet-Schlachtfeldes entstehen können. Viele dieser Ideen haben sich seit Mitte der 2010er-Jahre weit in der Indie-P&P-Szene verbreitet: die X-Karte von John Stavropoulos (»X-Card«), das »Descended from the Queen«-Kartenrollenspielsystem von Alex Roberts, das generative Spieltestmodell von Avonelle Wing und Metatopia, das Indie Game Developer Network von Mark Diaz Truman und natürlich die selbstreflexive Spielkultur von The Gauntlet. Games on Demand fordert für solche Entwicklungen keine Anerkennung oder Lorbeeren ein, aber es scheint eindeutig, dass die demokratische Spiel- und Gesprächskultur dieser lockeren Organisation ihre substantielle Wirkung auf die Szene als Ganzes hat.

Wenn wir die Geschichte der Rollenspiele schreiben möchten, wäre sie vor allem eine Ideengeschichte und diese Ideen entstanden und entstehen aus den verschiedenen Communities. Die Welt der Rollenspieltheorie spaltet sich dabei natürlich in verschiedenen Schulen wie »Story Games« »OSR« (Old School Renaissance), »Trad« (Traditionelle Rollenspiele) usw. mit jeweils eigenen Philosophien und Ansätzen, wodurch man manchmal haargenau den Ursprung bestimmter Aussagen verorten kann. Aber generell fehlt es an einzelnen Genies: Rollenspielen bedeutet Gruppenspiel und es sind entsprechend auch die Gruppen selbst, die ihre eigene Sprache entwickeln. Autoren und Denkrichtungen sind zum Teil Illusionen, die wir brauchen, um Geschichten der kleineren Communities zu erzählen. Wir müssen auch vorsichtig sein, wenn wir diese Illusionen bestätigen.

Autor

Dr. Evan Torner (*1982) ist Associate Professor für German Studies und Film & Media Studies an der University of Cincinnati, wo er das UC Game Lab und den Lehrgang für Games and Animation leitet. Er hat 2012 den Sammelband Immersive Gameplay mit William J. White herausgegeben, und 2014 sowie das Analog Game Studies Journal als auch die Golden Cobra Challenge mitbegründet. Er hat dutzende Aufsätze und Sammelbandkapitel zum Thema Rollenspiel publiziert.

Competing Interests

Tobias Unterhuber ist Mitherausgeber der Zeitschrift für Fantastikforschung. Die übrigenAutor:innen haben keine konkurrierenden Interessen zu erklären.

Notes

  1. So startete 2020 der Ulisses Spiele Verlag auf YouTube eine Reihe namens »Alte Männer reden über Alte Spiele«, in dem es um die Frühtage des Rollenspiels bzw. der Rollenspielszene geht. [^]
  2. Ein Hinweis für diese erneute Popularität wäre zum Beispiel, dass der Suhrkamp-Verlag ab 1990 verstärkt Lovecrafts Werke ins Deutsche übersetzte, also kurz nach der Erstveröffentlichung der Call-of-Cthulhu-Regeln auf Deutsch 1986; siehe auch www.suhrkamp.de/person/h-p-lovecraft-p-2993. [^]
  3. MMORPG steht für ›Massive Multiyplayer Online Role-playing-Game‹, dem das von einer Person alleine spielbare ›Single Player Role-playing-Game ‹ gegenübersteht. Dungeon Crawler sind wiederum ein klassisches Beispiel für ein Single Player RPG, in dem man sich durch einen Dungeon kämpft. [^]
  4. So finden sich etwa im aktuell beachtlich ausdifferenzierten Markt von Handbüchern und Einführungen nur vereinzelt Titel zu populärer Fantasy. [^]
  5. Es gibt den Weg, als Spielleitung ein Szenario mit narrativer Struktur vorzubereiten und die Spielgruppe durch dieses zu führen, aber auch dabei entsteht die Geschichte nicht als kollaborativer Prozess im Moment des Spielens, sondern aus der Interaktion zwischen den Spielenden und dem ›Script‹. [^]
  6. Vgl. Vincent D. Bakers ›Lumpley Principle‹, in Edwards Glossar der Forge definiert als »System (including but not limited to ›the rules‹) is defined as the means by which the group agrees to imagined events during play« (»The Provisional Glossary«). [^]
  7. Die Ausführungen betreffen an dieser Stelle vor allem das Pen-and-Paper. Die Überlegungen lassen sich aber z. T. auch auf andere Erscheinungsformen fantastischer Rollenspiele übertragen (LARP, MMO o. ä.). [^]
  8. Streng genommen ist die Bezeichnung »fantastisches Rollenspiel« lediglich seiner Unterscheidung als Gesellschaftsspiel bzw. gesellige Freizeitaktivität in Abgrenzung von didaktischen, therapeutischen, edukativen oder erotischen Kontexten (vgl. Flöter). [^]
  9. »lumpley Principle« wird wegen des Firmennamens absichtlich kleingeschrieben. [^]
  10. Ich beschreibe »Schwarmintelligenz« als gesammelte Fähigkeit einer Community, einen Gedanken bzw. ein Verhalten zu entwickeln. [^]
  11. Vgl. hierzu z. B. die Buchreihe Influential Video Game Designer von Bloomsbury: www.bloomsbury.com/us/series/influential-video-game-designers. [^]

Filmografie

Dimension 20: Never Stop Blowing Up. Idee: Brennen Lee Mulligan. US 2024.

Stranger Things. Idee: Matt Duffer und Ross Duffer. Season Three. US 2016–.

Ludografie

Alien: The Roleplaying Game. Free League Publishing, 2019.

Apocalypse World. Lumpley Games, 2010.

Ars Magica. Atlas Games, 1988.

Avatar Legends: The Roleplaying Game. Magpie Games, 2022.

Blade Runner: The Roleplaying Game. Free League Publishing, 2023.

Blades in the Dark. Evil Hat Productions, 2017.

Call of Cthulhu. Chaosium, 1981.

Cyberpunk. The Roleplaying Game of the Dark Future. R. Talsorian Games, 1988.

Cyberpunk 2020. R. Talsorian Games, 1990.

DIE RPG. Rowan, Rook and Decard, 2022.

Dungeons & Dragons. TSR, 1974.

Dungeons and Dragons. TSR, 1974.

Empire of the Petal Throne. TSR, 1975

Fiasco. Bully Pulpit, 2009.

For the Queen. Evil Hat, 2019.

Greyhawk. TSR, 1975.

Orkenhort. Schmidt Spiele & Droemer Knaur, 1987.

Over the Edge. Atlas Games, 1994.

Pendragon. Chaosium, 1981.

Purpurturm. Schmidt Spiele & Droemer Knaur, 1987.

Schicksalsklinge. Attic Entertainment Software, 1992.

Star Wars: The Roleplaying Game. West End Games, 1987.

Sternenschweif. Attic Entertainment Software, 1994.

Ten Candles. Cavalry Games, 2017

The Between: Preview Edition. The Gauntlet, 2021.

The Quiet Year. Buried Without Ceremony, 2013.

Traveller. GDW, 1977.

Zitierte Werke

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