Zu kaum einem Film wurde so viel publiziert wie zu Stanley Kubricks 2001: A Space Odyssey (GB/US 1968);1 Nils Daniel Peiler fügt der längst unüberschaubaren Menge an Literatur mit To Infinity and Beyond nun noch einen weiteren Titel hinzu, und zumindest in einem Punkt kann man dem Autor voll und ganz zustimmen: Zu 2001 wurde bereits derart viel veröffentlicht, dass eine neue Studie zu dem Film »nur noch in bisher noch nicht ausgefüllte Nischen hinein operieren« kann (212).

Die Nische, die sich Peiler für seine Studie – die 2020 an der Universität Heidelberg als Dissertation angenommen wurde – ausgesucht hat, nämlich die der künstlerischen Rezeption des Films, erscheint an sich vielversprechend. 2001 ist schließlich nicht nur ein Werk, das in den unterschiedlichsten Kontexten zitiert wird und Gegenstand ungezählter Interpretationen ist, sondern das sich zudem als eine Art allgemein akzeptierter Richtgröße für anspruchsvolles SF-Kino etabliert hat und als solche regelmäßig ebenso von Filmschaffenden wie auch von Filmkritiker:innen zum Vergleich herangezogen wird. Der Frage nachzugehen, wie der Film einerseits diesen Status erlangt hat und inwiefern nachfolgende Werke andererseits tatsächlich an Kubrick anknüpfen, wäre in der Tat ein interessantes Unterfangen, das weit über 2001 hinaus Aufschluss über das Funktionieren von Kanonisierungsprozessen geben könnte. Nicht zuletzt, weil der direkte Einfluss von Kubricks Film auf das (SF-)Kino weitaus weniger ausgeprägt sein dürfte, als es sein Klassikerstatus vermuten lässt. Zwar wurde und wird 2001 gerne als Referenz angeführt, in praktisch allen für die Filmproduktion relevanten Aspekten – dem Anspruch, der Struktur und Offenheit des Plots, dem Produktionsprozess, ja selbst der Spezialeffekte – fand der Film jedoch keine unmittelbaren Nachfolger. Die Blaupause für die heute dominierenden SF-Filme lieferte nicht 2001, sondern der knapp zehn Jahre später erschienene Star Wars (US 1977, Regie: George Lucas).2

Peiler strebt weder in Bezug auf den Film selbst, also der Elemente, die von nachfolgenden Künstler:innen aufgegriffen wurden, noch hinsichtlich der auf 2001 referierenden Werke Vollständigkeit an. Dennoch ist das untersuchte Korpus beeindruckend groß und reicht von bekannten Beispielen wie der Fortsetzung 2010: The Year We Made Contact (US 1984, Regie: Peter Hyams) oder den zahlreichen Zitaten in der Fernsehserie The Simpsons (US 1989– , Idee: Matt Groening) über vielleicht nicht ganz so naheliegende Anspielungen wie dem Beton-Kubus auf dem Cover des Albums Who’s Next der britischen Rockband The Who oder außerhalb von Fankreisen vergessenen Werken wie Jack Kirbys (sehr freier) Comic-Adaptation von 1976 bis zu wohl nur Insidern bekannten Kunstprojekten wie der Arbeit Sans titre (9/12/1934–8/02011) des französischen Künstlers Bruno Peinado. Peinados Kubus aus bemaltem Aluminium verweist sowohl direkt auf den rätselhaften schwarzen Monolith in Kubricks Film wie auch auf die ihrerseits von 2001 beeinflussten Arbeiten des US-amerikanischen Minimal-Art-Künstlers John McCracken.

Die Fülle des von Peiler untersuchten Materials ist auf jeden Fall Ehrfurcht gebietend und schlägt sich im Umfang seiner Studie nieder. To Infinity and Beyond kommt in zwei Hardcover-Büchern daher, dem eigentlichen, knapp 800 Seiten umfassenden Textteil sowie einem über 300-seitigen Begleitband, der an die 700 farbige Abbildungen enthält. Das sind Dimensionen, die für eine Dissertation mehr als ungewöhnlich sind, doch bis zu einem gewissen Grad scheint 2001, der von Anfang als episches Spektakel angelegt war, derartige verlegerische Höchstleistungen regelrecht herauszufordern; das 2014 vom Taschen-Verlag veröffentlichte The Making of Stanley Kubrick’s 2001: A Space Odyssey brachte in der limitierten Erstauflage gut neun Kilogramm auf die Waage. Obwohl sich Peiler somit in guter Gesellschaft befindet, sei dennoch die Frage erlaubt, wie sinnvoll ein solcher Umfang bei einer wissenschaftlichen Studie, zumal einer Qualifikationsarbeit, tatsächlich ist.

Die künstlerische Rezeption von 2001 beschränkt sich, wie Peiler festhält, nicht auf einige wenige ikonische Motive oder Momente wie etwa den Monolith oder die zu Strauss tanzenden Raumschiffe; vielmehr erfahren »selbst auf den ersten Blick nachgeordnete Elemente […] reiche Ausgestaltung in künstlerischen Rezeptionen« (714). Um dies zu belegen, listet Peiler auf mehr als 450 Seiten, unterteilt in sieben Kategorien, die sich noch einmal in zahlreiche Unterkategorien aufteilen, Beispiele auf und erklärt jeweils ausführlich, inwiefern sich diese auf Kubricks Film beziehen.

Der Autor, der 2018, anlässlich des 50. Geburtstags des Films, eine Ausstellung zu 2001 im deutschen Filmmuseum kuratiert und im gleichen Jahr ein kleines Büchlein dazu veröffentlicht hat (201x2001; siehe Spiegel, »Sammelrezension«), ist ohne Zweifel ein vom Film restlos begeisterter Fan, dessen Wissen dazu seinesgleichen sucht. Das wäre an sich nichts Negatives. Gerade die Geschichte der SF-Forschung zeigt, dass sich Fantum und Wissenschaft nicht ausschließen müssen, sondern vielmehr befruchten können. Voraussetzung ist allerdings, dass sich die Begeisterung mit wissenschaftlicher Methodik und kritischer Reflexion verbindet. Peiler gelingt dies nur teilweise. Große Teile seines Buchs wirken, als würde ein Sammler durch seine Kollektion führen und stolz jedes einzelne Objekt präsentieren. In einer anderen Form, etwa als Nachschlagewerk zum Stöbern oder auch als Wiki, wäre das wahrscheinlich faszinierend, als linear zu lesendes Buch ist es dagegen sehr ermüdend. Und in jedem Fall kann eine solche Materialsammlung nur den ersten Schritt einer wissenschaftlichen Untersuchung darstellen.

Eine eigentliche Reflexionsebene fehlt der Studie aber; im Grunde zeigt Peiler mit seinem riesigen Korpus nur, dass 2001 in ganz unterschiedlichen Kontexten rezipiert wird. Dies dürfte aber ohnehin unbestritten sein und ließe sich wohl auch mit deutlich geringerem Aufwand belegen. Das ganze Unternehmen scheint allerdings von der Überzeugung geleitet, dass Ausführlichkeit an sich eine Tugend ist, ja dass sie die theoretische Reflexion bis zu einem gewissen Grad ersetzen kann. Praktisch alles an To Infinity and Beyond ist zu lange geraten, vieles ist redundant. Nicht nur werden alle Eigennamen und Filmtitel konsequent ausgeschrieben, der Text ist auch sonst mit Unnötigem gespickt. Wenn Peiler, um eines von vielen Beispielen zu nennen, die meist scherzhaft kolportierte Verschwörungstheorie erwähnt, Kubrick habe die Mondlandung inszeniert, liest sich das folgendermaßen:

So kursiert die Verschwörungstheorie, Stanley Kubrick habe die erste bemannte Mondladung der Apollo-11-Mission der NASA am 21. Juli 1969 durch die US-Amerikaner Neil Armstrong und Buzz Aldrin (während Michael Collins im Orbit verblieb) im Filmstudio inszeniert. (238)

Wahrscheinlich ist diese Anhäufung irrelevanter Details, bei der selbst der Name des Apollo-11-Astronauten genannt wird, der den Mond nicht betreten hat, als Ausdruck wissenschaftlicher Präzision gedacht, tatsächlich blähen sie den Text aber nur unnötig auf. Hätte Peiler auf derartiges Füllwerk verzichtet, wäre sein Buch bereits deutlich schlanker ausgefallen.

Bei aller Detailhuberei und obwohl Peiler mehr als 200 Seiten mit Vorüberlegungen und Abgrenzungen füllt, bleibt der zentrale Begriff der künstlerischen Rezeption erstaunlich diffus. Kubricks Film biete sich unter anderem deshalb für die kreative Weiterverarbeitung an, weil sich der Regisseur in seinem Werk verschiedentlich selbst zitiert und weil der Film seinerseits ebenfalls ein Amalgam unterschiedlicher Einflüsse sei; diese »Kombinathaftigkeit von 2001: A Space Odyssey lässt sich damit als weitere Voraussetzung für eine künstlerische Rezeption des Films beobachten, da die versatzstückhafte Natur der Vorlage somit den Film für ein weiteres Zitat prädestiniert« (155). Diese Ausführungen lassen den Rezensenten einigermaßen ratlos zurück. Nicht nur dürften in so ziemlich jedem Film, der nicht von einem Einsiedler im Alleingang hergestellt wurde, zahlreiche Einflüsse sichtbar werden, es ist zudem nicht einsichtig, warum 2001 dadurch, dass er sich auf andere Werke bezieht, seinerseits in besonderem Maße zum Zitat einladen soll. Dass Peiler den Umstand, dass Kubrick mehrfach mit den gleichen Schauspielern arbeitete, als eine Form des Eigenzitats begreift, trägt nicht zur Nachvollziehbarkeit seiner Argumentation bei.

Zu Beginn seiner Studie plädiert Peiler dafür, die künstlerische Rezeption »als Teil der Werkgeschichte, als Teil des Werks selbst« (227) zu verstehen. Dies mündet zum Schluss in den Vorschlag, »die künstlerische Rezeption als Kriterium für ein alternatives Modell zur Kanonisierung von Filmwerken« (721) zu betrachten. Beide Forderungen sind nachvollziehbar, aber auch nicht wirklich bahnbrechend und hätten sich mit weitaus weniger Material begründen lassen.

Notes

  1. Siehe dazu auch Spiegel, »Sammelrezension«. [^]
  2. Siehe Spiegel, »Monolith«. [^]

Autor

PD Dr. Simon Spiegel ist Research Fellow am Seminar für Filmwissenschaft der Universität Zürich und Privatdozent an der Universität Bayreuth. Er ist Chefredakteur der Zeitschrift für Fantastikforschung und schreibt regelmäßig für diverse Publikationen über Film und verwandte Themen. 2019 ist seine Habilitationsschrift Bilder einer besseren Welt. Die Utopie im nichtfiktionalen Film bei Schüren erschienen. Weitere ausgewählte Publikationen: Utopia and Reality. Documentary, Activism and Imagined Worlds (Mitherausgeber, University of Wales Press 2020); Theoretisch phantastisch. Eine Einführung in Tzvetan Todorovs Theorie der phantastischen Literatur (p.machinery 2010); Die Konstitution des Wunderbaren. Zu einer Poetik des Science-Fiction-Films (Schüren 2007).

Konkurrierende Interessen

Simon Spiegel ist Mitherausgeber der Zeitschrift für Fantastikforschung.

Zitierte Werke

Bizony, Piers. The Making of Stanley Kubrick’s 2001: A Space Odyssey. Taschen, 2015.

Peiler, Nils Daniel: 201x2001. Fragen und Antworten mit allem Wissenswerten zu Stanley Kubricks 2001: A Space Odyssey. Schüren, 2018.

Spiegel, Simon. »Der Monolith der Filmgeschichte«. Filmbulletin 6 (2018): 20–24.

Spiegel, Simon. »Sammelrezension zu 2001: A SPACE ODYSSEY«. Zeitschrift für Fantastikforschung 7.1 (2019): 1–9. DOI:  http://doi.org/10.16995/zff.1315