Das Büro – wir verbinden damit Alltäglichkeit, Monotonie, Langeweile. Kaum ein Ort1 scheint vom Fantastischen weiter entfernt zu sein. Dass der Arbeitsplatz jedoch durchaus Potential für das Imaginäre birgt, bezeugt die Vielzahl an Texten und Filmen aus verschiedensten Fantasy-Genres, in denen das Büro zum Schauplatz wird: Die Arbeitsstätte kann als profane Gegenwelt dienen oder als Ausgangspunkt für Exkursionen in fantastische Reiche in Szene gesetzt werden. Das Fantastische kann als bloßer Vorstellungsraum, in den sich die Figuren hineinträumen, um aus ihrer eintönigen Bürowelt zu entkommen, erscheinen, oder als unerwarteter Einbruch des Übernatürlichen in den Arbeitsalltag stattfinden; das Aufeinandertreffen von Bürokratie und Fantastik kann aber auch als Integration von Alltäglichkeit in fantastische Reiche sowie als Kippmoment zwischen diesen drei Modi inszeniert werden. Bereits in den klassischen Texten der Büroliteratur wie Gogols »Der Mantel« (1842), Melvilles »Bartleby, the Scrivener: A Story of Wall Street« (1853) oder Dostojewskis Der Doppelgänger (1846) lässt sich ein Spiel mit dem Fantastischen feststellen, das das Bürokratische mit dem Imaginären verknüpft. So postuliert beispielsweise William Vaughn, dass die Geschichte des Angestellten Bartleby aufgrund ihrer Anleihen bei der Gattung des Schauerromans als »one of the great ghost stories in American literature« (537) gelesen werden könnte. Das Büro, das der vom Erzähler wiederholt als geisterhaft beschriebene Bartleby ›heimsucht‹, wird in der Novelle mit klaustrophobischen Räumen wie Gefängnis oder Grabkammer in Verbindung gesetzt und nimmt auf diese Weise Bezug auf Traditionen der Raumdarstellung der Gothic Fiction. In vielen utopischen und dystopischen Werken werden als Teil des world buildings ferner Zukunftsvisionen des Büros entworfen; vor allem (fiktive) staatliche Institutionen spielen darüber hinaus oft eine zentrale Rolle für das Handlungsgeschehen:2 »[S]ea levels have risen and war stalks the land, but government […] endures« (Winters). Die meist zentralistisch und autokratisch strukturierten Regierungsbehörden – als Beispiel sei hier etwa auf die Ministerien für Liebe, Frieden, Überfluss und Wahrheit aus Orwells 1984 (1949) verwiesen – dienen in den Texten dabei häufig als Antagonisten.
Als Thematik taucht das Büro insbesondere auch in der Comic Fantasy auf. Dort erzeugt die Verflechtung von alltäglichen Büroroutinen und administrativen Prozessen mit Strukturen übernatürlicher Gesellschaftssysteme durch die Inkongruenz dieser Welten humoristische oder satirische Effekte. In der Romantasy Enchanted, Inc (2005) von Shanna Swendson wird eine Assistentin von einer mysteriösen Firma abgeworben, die sich als magisches Unternehmen entpuppt, das Zaubersprüche für die moderne Welt produziert und Geschäftspraxis, Business-Talk und Magie verbindet: »We set our prices based on what went into developing the spell, how useful it is […]. A simple spell that’s likely to be used just about every day to make life a little simpler may run about twenty dollars. A more complex spell for a specialized purpose might run into the hundreds« (Swendson 81). Bei der Raumbeschreibung der magischen Bürowelt kommt es zu einer Resemantisierung von bürokratischen Handlungen und moderner Technik: Kristallkugeln dienen als Telefone, Sicherheitstüren werden nicht durch einen Zugangscode, sondern durch Zaubersprüche in lateinischer Sprache geöffnet und anstelle von Rolltreppen oder Fahrstühlen werden Wendeltreppen magisch in Bewegung gesetzt. Das Gewöhnliche bekommt auf diese Weise einen außergewöhnlichen Anstrich und ruft dabei das Clarkeʼsche Gesetz auf, das besagt, dass jede hinreichend fortschrittliche Technologie von Magie nicht zu unterscheiden sei. Die Abteilungen der Firma sind darüber hinaus fantastisch verfremdet. Im »Prophets and Lost Department« beispielsweise sagen die auf Samtkissen gebetteten Angestellten in einem Wahrsagerzelt Marktbewegungen und Aktientrends voraus – ökonomische Vorhersagen werden so spöttisch als unwissenschaftliches Ratespiel enttarnt.
Im Werk des auf komische Fantastik spezialisierten britischen Autors Tom Holt taucht das Büro ebenfalls regelmäßig als wichtiger Schauplatz auf. In Barking (2007) arbeiten Werwölfe und Vampire in konkurrierenden Anwaltskanzleien; The Portable Door (2003), In Your Dreams (2004) Earth, Air, Fire and Custard (2005) und You Don’t Have to Be Evil to Work Here, But it Helps (2006) beschreiben die Erlebnisse eines menschlichen Angestellten in einer von magischen Wesen geführten Firma und bringen monotone Büroarbeit mit der Rettung der Welt vor der Bedrohung durch böse Kräfte zusammen. In The Outsorcerer’s Apprentice (2014) beutet ein Geschäftsmann aus unserer kapitalistisch geprägten Gesellschaft die Bewohner einer feudalistisch strukturierten Märchenwelt als externe Dienstleister aus. Eigentlich automatisierte Büroprozesse werden zur Kostenreduzierung auf die unwissenden Märchenfiguren im Paralleluniversum ausgelagert – Verifizierungsanfragen einer Bank werden (mit tödlichen Folgen) von einer Sphinx gestellt, die Musik einer Telefonwarteschleife wird live von Elfen eingespielt und die betenden Mönche eines Klosters dienen, wie im folgenden Zitat erläutert wird, als organischer Computerserver:
»What’s the biggest headache of the IT revolution? Servers, right? You need a huge great building full of really expensive, temperamental machinery, which pumps out kilowatts and kilowatts of heat, so you’ve got to spend a fortune on sophisticated ventilation systems; the capacity is never enough and the electricity bill’s a killer. […] Instead of all that technology, simply download all those bits and megabytes of information into the brains of a bunch of monks […] You don’t need me to remind you about the staggering storage and retrieval capabilities of the human brain. I’ve got twelve thousand monks in there, that’s all, and between them they can handle the entire output of five major home shopping networks, a leading search engine and a Latin American government. […] They think the voices in their heads are the word of God, they don’t want paying«. (Holt, The Outsorcerer’s Apprentice 169)
Die Vermischung der wirtschaftlichen Sphären bringt Instabilität in die fantastische Welt und die eigentlich zeitlosen Märchenfiguren, in deren Realität Geld bisher keine Bedeutung hatte, transformieren sich im Kontakt mit dem Outsorcerer zu modernen Subjekten, zu Homines oeconomici, die ihr Verhalten nun primär nach pekuniären Gesichtspunkten ausrichten und durch ihr zweckrationales Handeln typische Märchenlogiken und -tugenden unterlaufen. Der parodistische Roman endet entsprechend nicht mit einer epischen Schlacht. Der Bösewicht wird, ganz businesslike, einfach durch die Androhung juristischer Konsequenzen von der Fortsetzung seines schändlichen Tuns abgehalten.3
Auch die Ausübung göttlicher Herrschaft wird in der Literatur häufig durch einen Rekurs auf menschliche Verwaltungstätigkeit dargestellt. So beginnt Blaise Cendrars’ 1919 verfasstes und ursprünglich als Drehbuch geplantes Werk La Fin du Monde Filmée par l’Ange Notre-Dame mit einer Szene, in der Gott als Geschäftsmann auftritt. Der Allvater sitzt an seinem Schreibtisch, unterzeichnet Papiere, telefoniert und bestellt seine Abteilungsleiter ein, während ihm Nonnen als Schreibkräfte dienen. Als Vorsitzender des global agierenden Glaubenstrusts zieht er nach Ablauf des Geschäftsjahrs positive Bilanz, da durch die Milliarden von Kriegstoten unzählige Seelenämter verbucht werden konnten. Als Steigerung hierfür kann nur noch die Apokalypse dienen, die der Text bildreich von der Auslöschung der Menschen über die Zerstörung der Natur bis hin zur Verflüssigung der Erde zurück ins ursprüngliche planetarische Chaos nachzeichnet. Die Platzierung des Allmächtigen im Büro übt zum einen satirisch Kritik am Betreiben von Religion als bürokratischer und geschäftsmäßiger Institution und zum anderen am Industriekapitalismus, der das Ende der Welt aus Vorstandsetagen heraus herbeiführt. Antike Gottheiten lassen sich in der Literatur mitunter ebenfalls im Büro antreffen. In dem kurzen Prosastück »Poseidon« (1920) von Kafka erscheint der Meeresgott als schlecht gelaunter Verwaltungsbeamter und im Werk Olympian Nights (1902) von John Kendrick Bangs tätigen die griechischen Götter ihre Amtsgeschäfte aus Regierungsbehörden heraus. In solchen mythenzersetzenden Narrativen fungiert das Angestelltentum, das zu Beginn des 20. Jahrhunderts zum Massenphänomen wird, oft als (negativ konnotiertes) Symbol für die Moderne. In Jenseitsdarstellungen wird das Personal von Himmel und Hölle nicht selten auch als Bürokraten porträtiert. So führen etwa die Romane Here Comes the Sun (1993) von Tom Holt oder What in God’s Name (2012) von Simon Rich den desolaten Zustand der besten aller möglichen Welten auf einen nicht mehr funktionierenden bürokratischen Apparat bzw. eine scheiternde Unternehmenspolitik zurück. Engel und Dämonen residieren hier entgegen biblischer Darstellung nicht mehr in den Wolken beziehungsweise im ›Pfuhl und Schwefel‹ des Feuersees, sondern im Großraumbüro. Diese Form der Repräsentation des Nachlebens bringt metaphysische Fragen mit Workplace Comedy zusammen und dient zugleich als Ausgangspunkt für satirische Bürokratie- oder Herrschaftskritik. Die Inkongruenz dieser räumlichen Überlagerung führt zudem einerseits zu einer Relativierung der Vorstellung eines himmlischen Elysiums und andererseits zu einer Dämonisierung des Büros.
Im fantastischen Büro kann allerdings ebenso Angst und Schrecken verbreitet werden. In Romanen des Horrorgenres erscheinen Vampire und Zombies nicht mehr nur metaphorisch als Sinnbild für das zerstörerische Wirken des kapitalistischen Systems und die Willenlosigkeit der Arbeitsdrohnen, sondern sie halten als reale Monster Einzug in die Bürogebäude. In Christopher Fowlers Roman Breathe (2004) beispielsweise werden die Angestellten eines Unternehmens durch eine über das Belüftungssystem des Büros verbreitete leistungssteigernde Droge in blutrünstige Zombies verwandelt, die durch die Zweckentfremdung von Büromaterial und -equipment untereinander ein Massaker anrichten und die Einrichtung demolieren. Da das Büro mit Ordnung, Affektkontrolle und Hierarchie verbunden wird, lädt es als Schauplatz ähnlich wie beliebte Horrorsettings wie Haftanstalten, Herrenhäuser oder Klöster dazu ein, dort imaginativ Chaos zu stiften und literarisch die 40+ Stunden in der Woche als ›Gefängnis‹ dienende architektonische Raumstruktur zu zerstören sowie symbolisch das soziale Raumgefüge zu destabilisieren. Im Anschluss an Traditionen der Gothic Fiction lassen sich ferner haunted offices als Settings finden. In der viktorianischen Literatur etwa wird die gesellschaftliche Grenzgängerstellung der neu entstandenen Angestelltenklasse zwischen Unter- und Mittelschicht immer wieder anhand von klassischen Schauermotiven thematisiert: »The situation of the clerk is best depicted with gothic tropes; he is compelled to inhabit a liminal space in society and culture, and robbed of a valid selfhood. […] He is one of many interchangeable and dispensable clerks, replaceable by identical workers« (Ibitson 382). Im Spukbüro spielt infolgedessen das Motiv des Doppelgängers, das auf diese kulturelle Identitätslosigkeit und Austauschbarkeit der entfremdeten Angestelltenmasse rekurriert, eine wichtige Rolle. Heimgesuchte Bürogebäude lassen sich dabei nicht nur in filmischen und literarischen Darstellungen oder in Computerspielen4 finden, sie treiben auch als urbane Legende kulturübergreifend ihr Unwesen.5
In der an diesen kursorischen Überblick über die Vielfältigkeit dieses bisher wenig erforschten Themas anschließenden Textanalyse soll sich nun exemplarisch eingehender mit zwei literarischen Schauerbüros, die Elemente der Gothic Fiction und der Weird Fiction kombinieren, auseinandergesetzt werden. Untersucht wird die literarische Beschreibung der Büroräume zum einen im Roman Miakro (2018) von Georg Klein und zum anderen in Authority (2014) von Jeff VanderMeer. Die Werke inszenieren unheimliche Arbeitsstätten, indem sie beide – allerdings auf jeweils ganz eigene Weise und mit unterschiedlichen Schlussfolgerungen – das Bürokratische mit dem Organischen zusammenführen. Die Raumkonzeption der Texte löst Dichotomien von Innen und Außen sowie Kultur und Natur auf und bietet Anknüpfungspunkte für sozial-ökologische und gesellschaftskritische Fragestellungen. Das Büro dient hier also nicht nur als Schauplatz; es wirkt vielmehr als ein mit Handlungsmacht ausgestatteter Aktant, der die Grenzüberschreitung der Figuren ins Fantastische bewirkt.
1. Georg Kleins Miakro: Entgrenzte Arbeit im lebendig gewordenen Büro
Während in VanderMeers Roman zunächst ein realistisch gestalteter Büroalltag einer geheimen Regierungsbehörde dargestellt wird, in den sich das bedrohlich Fantastische nach und nach einzuschleichen scheint, schildert Kleins für den Preis der Leipziger Buchmesse nominierter Text, den ich aufgrund seiner radikaleren Transformierung des sozialen und physikalischen Raums des Büros als Einstieg in die Diskussion der Thematik gewählt habe, eine irreale Bürowirklichkeit, deren Unheimlichkeit insbesondere durch die Verfremdung der Arbeitsstätte zu einem lebendigen grotesken Organismus erzeugt wird. Der Roman setzt mit einer Beschreibung der Arbeitsroutine der dort beschäftigten Angestellten ein. Der Büroleiter Nettler arbeitet zusammen mit einer Gruppe von Männern bereits seit vielen Jahren im scheinbar unterirdisch gelegenen Mittleren Büro, das von der labyrinthisch aufgebauten wilden Welt, in der das Volk, bestehend aus Frauen, Alten und Kindern, lebt, durch eine Sicherungsschleuse abgegrenzt ist. Tagsüber verrichten sie dort die sogenannte Glasarbeit: Sie stehen an tischähnlichen, aus den organischen Wänden des Büroraums herausgewachsenen Gebilden und rufen durch Handbewegungen in einer Flüssigglasscheibe einen schemenhaften Bilderfluss hervor, den sie »zu bremsen, zu glätten und zu etwas Erkenn- und unter Umständen Verwertbarem zusammenzudenken« (Klein 12) versuchen. Die Tätigkeitsbeschreibung dieser Verrichtung – sie schieben, drücken und wischen auf dem lebendigen Glas – erinnert an bürotypische Computerarbeit, bei der nichts Materielles produziert wird, sondern Daten und Informationen verarbeitet und distribuiert werden. Die mysteriöse, im Laufe des Texts nicht weiter erläuterte Beschäftigung – In wessen Auftrag wird sie verrichtet? Woher stammen die Eindrücke im Glas? Welches Ziel verfolgt das Büro damit? – rekurriert zudem auf Vorstellungen von Büroarbeit als inhaltlich undefinierbar, wie dies beispielsweise die Autorin Jenny Diski ausführt: »People can be said to ‚work in an office‘ and no further explanation is required, but there’s no real clue to what they do, unlike people who work in other places, who make things in a factory, mine in a mine, teach in a school, sell things in a shop« (Diski). Auch auf eine durch den technologischen Fortschritt zunehmend undurchschaubarere Materialität der Büroarbeit, deren algorithmische Grundlage sich mittlerweile fast vollständig der Beobachtbarkeit entzieht, wird angespielt.
Im Weichglas tut sich ihnen ferner kund, in welchem Versorgungsschacht, quasi eine Bürokantine, Verpflegung und Alltagsgegenstände für sie aus den an das Büro angrenzenden Nährfluren ›ausgewandet‹ wurden. Die käßig-weiße Wand spendet des Weiteren über zitzenartige Vorrichtungen – »Zapfstummel« (Klein 77) – Wasser zum Trinken und formt Schlafnischen für die Arbeiter. Der lebendige Arbeitsplatz behandelt seine Untergebenen allerdings nicht nur fürsorglich, mitunter einverleibt er sich bei nachlassender Arbeitsleistung die Arbeitskräfte. Als dieses Unglück einen der Angestellten ereilt, verlassen seine Kollegen das schützende Büro und machen sich auf den Weg in die wilde Welt, um diesen dort zu suchen. Sie betreten in der Romanmitte schließlich einen Aufzug, der sie aus der organischen Umgebung in eine konventionelle Büroetage mit menschengemachten Elementen wie Laminat, Schließfächern und Fenstern, die einen Blick nach Draußen ermöglichen, bringt.
Nun verändern sich Erzählperspektive und Schauplatz: Das unterirdische Reich von Nettler und seinen Arbeitskollegen Guler, Wehler, Schiller und Axler erweist sich als bloßer Mikrokosmos in einem Makrokosmos – auf diese Weise entsteht erzähltechnisch das titelgebende Miakro. Die Innenschau des Büros wird von einer Außenperspektive abgelöst, in der eine militärische Einheit in einer postapokalyptischen Landschaft – geprägt durch Ruinen einstiger Besiedlung, schadstoffbelastetes Grundwasser, Treibstoffmangel sowie eine gesellschaftliche Geschlechtertrennung und den Verlust von Kulturtechniken wie Lesen und Schreiben – versucht, Zugang zu einem mysteriösen, »Objekt gewordene[n] Bauwerk« (ebd. 173) zu bekommen. Dabei handelt es sich um ein verlassenes Verwaltungsgebäude, das von einem pilzartigen Organismus befallen und zu einem Unding deformiert wurde. Es weist nun außen eine »enorme, käsig weiße Ausstülpung« mit einer »glasig ins Bläuliche schillernde[n] Kappe« (ebd. 174) auf und durch das Eindringen der fremden Materie in das Mauerwerk nimmt die Struktur des Gebäudes eine neuartige fantastische Gestalt an, es dehnt sich abnorm aus und wird nur noch durch das Mycel des Parasiten zusammengehalten:
[Man kann erkennen,] wie es das Mauerwerk auseinanderstemmt und gleichzeitig, im Verlauf der allmählichen Dehnung, mit dem Fleisch seines Fruchtkörpers zusammenhält. […] Die Verankerung [eines Fenstergitters] hatte es aus den Steinen gezogen, es klebte armweit vor seiner ehemaligen Einbettung auf einer weißlichen Ausstülpung, in deren Masse auch die Scherben der Scheibe zu erkennen waren. Das einstige Quadrat der Fensteröffnung hatte sich zu einer Raute verzogen. Die Backsteine der schmückenden Übermauerung waren ungleichmäßig weit voneinander weggerückt, und die entstandene Spalte füllte die gleiche, käsig bleiche Substanz. (ebd. 197)
Das Ungetüm verhält sich reaktiv, es setzt die militärische Technik außer Gefecht, zieht aber auch Tiere sowie den morgendlichen Dunst an und inkorporiert diese in seine »elastisch poröse[…] Substanz« (ebd. 179).
Die vor allem durch die groteske Belebung und die beklemmende Enge des unterirdischen Raums erzeugte Atmosphäre des Unheimlichen im ersten Teil des Romans entwickelt sich durch den erzählerischen Bruch, der die trotz der fantastischen Verfremdung vertraut wirkende innere Bürowelt in der Außensicht um das Monströse erweitert, zur Weird Fiction.
Zur Unterscheidung der beiden Konzepte sei hier verwiesen auf Mark Fisher, der feststellt, dass »Freud’s unheimlich is about the strange within the familiar, the strangely familiar, the familiar as strange – about the way in which the domestic world does not coincide with itself«. (9) Weirdness hingegen sei verbunden mit einem »sense of wrongness« und der »conviction that this does not belong«: »[The weird] brings to the familiar something which ordinarily lies beyond it, and which cannot be reconciled with the ›homely‹ (even as its negation)« (ebd. 13). Während die Bürobewohner ihre seltsame Umgebung im Inneren des Objekts fraglos als Heim- und Arbeitsstätte anerkennen, generiert die Alterität des »abartigen« (ebd. 192) Pilzgeschöpfs entsprechend Unbehagen und Angst in den Soldaten. Das Mittlere Büro präsentiert sich den Lesenden infolgedessen plötzlich nicht mehr nur als eine dystopische Zukunftsversion unserer eigenen Arbeitswelt, sondern wird durch den zusätzlichen Blick von außen zu einer anormalen Entität, zu einem Hybrid aus anorganischen und organischen Elementen, transformiert, deren Andersartigkeit der Text nicht aufzulösen oder zu erklären versucht. Das ›weirde‹ Bürogebäude lässt so eine Vielzahl an Interpretationsansätzen zu. Im Kontext der Thematik des Romans lässt sich das äußere Bauwerk selbst beispielsweise als Verweis auf die Missstände unserer verwalteten Welt lesen. Das angeschwollene Bürogebäude mag auf diese Weise den aufgeblähten Bürokratieapparat versinnbildlichen. Innen haben sich durch die Pilzfäden zudem das sprichwörtliche Labyrinth der Bürokratie und der metaphorische bürokratische Dschungel organisch manifestiert. In diesem Urwald verirren sich Nettler und seine Kollegen beim Versuch, die Außenwelt, die ihnen durch den Blick aus dem Fenster in der oberirdischen Büroetage offenbar wurde, zu erreichen:
Die Treppe, von deren Ende [Guler] gestürzt ist, ist nicht das einzige derartige Gebilde, welches die bleiche Wand in den Hohlzylinder hinausgetrieben hat. Rundum ragen bestimmt ein Dutzend weiterer Stummel Richtung Mitte, ein jeder allerdings kaum mehr als kümmerliche zehn, zwölf schiefe Stufen weit. Der einzige Auswuchs, der es von ganz unten, aus dem undurchschaubar Trüben kommend, fast bis an ihren Ausguck geschafft hat, knickt auf seinem Weg nach oben mehrfach ab, als ginge es ihm darum, ein spiraliges Aufwärts, ein pflanzenhaftes Winden ins Rechtwinklige zu übertragen. (ebd. 285)
Kleins verfremdende Darstellung der unfertigen, ins Nichts wuchernden Treppen schließt in ihrer Symbolik an die Carceri d’invenzione von Giovanni Battista Piranesi (Abb. 1) oder M. C. Eschers Lithografie Relativität (1953) an, die, wie das Miakro, die Grenzen zwischen Außen- und Innenraum verschwimmen lassen und durch die »abyssal repetitions of the imaginary void« (Vidler 37) Unheimlichkeit erzeugen sowie Gefühle der Gefangenschaft und Ausweglosigkeit vermitteln wollen. Die die Gleichförmigkeit des Mittleren Büros ablösende Instabilität der organischen Auf- und Abgänge und ihr monströser Ursprung erzeugen in den Protagonisten eine räumliche Verunsicherung. Bei Guler führt dies sogar zu einem körperlichen Kontrollverlust, er fällt ins Nichts. Der Text versucht dieses Gefühl des Schwindels erzählerisch an die Lesenden weiterzugeben. Die seitenlange Beschreibung dieses »bleiche[n] Gewirr[s]« (Klein 304) führt durch ein Übermaß an Details zu einer Desorientierung im imaginären Raum. Für die ehemaligen Angestellten verwandelt sich so nach ihrem ›Austritt‹ aus dem Büro ihre Umgebung von einem schützenden, gleichbleibenden Ort zu einem feindseligen, sich beständig wandelnden Raum.
Im Inneren des Undings, so erfahren wir aus den in der Außenwelt stattfindenden Erzählpassagen, sind seit einer Woche fünf Soldaten eines Erkundungstrupps – Nettmann, Achsmann, Guhl, Schill und Weller – verschollen. Klein lässt über diese Namensanalogien unterschiedliche Wirklichkeitsebenen interagieren. So entsteht innerhalb der fiktiven Realität des Textes eine kontinuierliche Unsicherheit über die Existenz von einzelnen Menschen und die Wahrhaftigkeit von Ereignissen. Sind Büromenschen und Soldaten dieselben Personen, die einer Gehirnwäsche oder einer Amnesie zum Opfer gefallen sind? Sind es vom Unding erzeugte Doppelgänger? Handelt es sich beim Büroleben, das immer wieder Parallelen zum Leben der Soldaten in der Außenwelt aufweist, um durch den halluzinogenen Pilz hervorgerufene Wahnvorstellungen oder um eine Simulation? Oder handelt es sich um Imaginationen von Sterbenden, die die Verwertung der eigenen körperlichen Substanz durch das Pilzgeschöpf als ›Arbeit‹ im Büro wahrnehmen? Denn am Ende des Romans wird enthüllt, dass vier der verschwundenen Soldaten in einem Fahrstuhl ums Leben gekommen sind und Nettmann dort, dem Tode nahe, als Wirtstier für das Unding dient: »Die bleichen Auswüchse umschlingen Stiefel und Handgelenke. Zwei starke Stränge sind um seinen Rumpf, um seine Brust und über seinem Gürtel um seinen Bauch, gewunden. Ein einzelner kaum daumendicker Ausläufer hat sein Gesicht erreicht. Über Kinn und Unterlippe ist er in Nettmanns offenen Mund gekrochen, um von dort weiter […] in das Dunkel seiner Inwändigkeit zu schlüpfen« (ebd. 327).
Die Überlagerung von unterschiedlichen Raum-, Zeit- und Handlungsebenen lässt sich nicht vollständig entschlüsseln; die auf diese Weise erzeugte Inkongruenz erweist sich dabei als narratives Verfahren der Weird Fiction: »The form that is perhaps most appropriate to the weird is montage – the conjoining of two or more things which do not belong together« (Fisher 10 f.). Daher soll im Folgenden auch nicht der Versuch einer Auflösung der unerklärbaren Vorgänge im Zentrum der Betrachtung stehen. Ausführlicher hingegen wird sich der Raumgestaltung der Mikroebene, nämlich der des fantastischen Arbeitsplatzes gewidmet, bei dem das Verhältnis von Mensch und Umwelt neu bestimmt wird. Die Arbeiter scheinen für und durch den Bioorganismus Büro zu leben. Eine Trennung von Freizeit und Arbeit existiert im Mittleren Büro nicht. Den »Ruhemodus der Büronacht« (Klein 12) verbringen die Büroarbeiter in den Schlafnischen, die sich in den Wänden des Büros gebildet haben. Der eigentlich transitorische und monofunktionale Arbeitsplatz, in dem sich in unserer Gesellschaft zwar fast täglich, aber immer nur temporär und zu einem bestimmten Zweck aufgehalten wird, fungiert in Kleins Roman als ein identitätsstiftender Ort – jeder, der durch die Absperrung ins Büro gelangt, verwandelt sich sogleich in einen Angestellten und reduziert sein Ich auf die neue Arbeitsidentität. Das Büro dient darüber hinaus als Lebensraum, der Schutzzone und Ernährungsbasis darstellt. Für diese Einverleibung anderer Raumfunktionen durch das Büro lassen sich durchaus realweltliche Vorbilder anführen, deren dystopisches Potential durch Kleins Übersetzung ins Groteske aufgezeigt wird: »Campus offices […] incorporate everything we do into one area. At Google you not only get free food all day and the gym anytime you want but also have day care, on-campus health and dental service, a resistance pool, and the ability to get your oil changed. […It’s] meant to be a self-contained universe. […] you pretty much never have to leave, even to sustain your own biological existence« (Saval 286). Die Anordnung des Büros, das aus einem einzigen großen Raum mit einer hohen Kuppel besteht – der Arbeitsplatz als neuer Ort religiöser Anbetung? –, in dem die ›Schreibtische‹ der Angestellten mittig platziert sind, folgt (innen)architektonisch dem Konzept der Bürolandschaft. Hierbei handelt es sich um eine offene Raumplanung ohne Privatbüros mit als Inselgruppen angeordneten Arbeitsbereichen, die die hierarchische Distanz zwischen Management und Angestellten verringern soll und eine Form der horizontalen Kontrolle durch die sich gegenseitig überwachenden Kollegen generiert (vgl. Forino 60 f.).
Das lebendige Büro wirkt zudem transformativ auf seine Bewohner ein: Sie entwickeln nach Eintritt ins Büro – der »Bürogeburt« (Klein 82) – haarlose »Bürogesichter« (ebd. 40) und tragen einheitliche blaue Büro-Overalls (ebd. 19), sie können sich nicht an die »Bürovorzeit« (ebd. 148) erinnern, entwickeln eine »Büroart« (ebd. 148), genießen die »Bürogesundheit« (ebd. 132) und atmen die »Büroluft« (ebd. 56). Ihr Alltag ist ganz und gar anhand der Abläufe des Büros ritualisiert. Der für sie allumfassend gewordene Funktionsraum Büro infiziert ihr gesamtes Sein. Gemeinschaft wird gleichfalls nur über den Arbeitsplatz gestiftet – als einzige Form sozialer Beziehung gibt es die Kollegenschaft, es existieren keine romantischen Partnerschaften oder Familienverbindungen. Das Büro wirkt ferner exkludierend. Das Büro ist durch den Ausschluss der Frauen als selbstbezügliche Männerdomäne gekennzeichnet. Durch ihre räumliche Separierung verstehen sich die Angestellten zudem nicht als Teil des »Volkskörper[s]« (ebd. 21; meine Hervorhebung, A. M.); semantisch wird der Arbeitsplatz dergestalt im Umkehrschluss mit dem Geistigen in Verbindung gebracht. Während die Frauen außerhalb des Büros als Knüpfwerkzieherinnen tätig sind, versuchen die Männer ihren Glastischen Informationen zur Verwaltung des Büroalltags zu entlocken. Die Arbeiter entnehmen dem Glas quasi Herrschaftswissen – etwa Hinweise bezüglich der Lokalisation von Versorgungsschächten oder ausgewandeten Gebrauchsgegenständen wie Besteck oder Seife –, das sie von der Bevölkerung der wilden Welt absetzt.
Mit Eintritt ins Büro erhalten die Angestellten darüber hinaus alle einen »bürogemäße[n]« (ebd. 134) Namen, der mit dem Suffix -l/er endet. Guhl und Schill werden zu Guler und Schiller, Jessmann, Achsmann und Nettmann zu Jessler, Axler und Nettler. Die neu angefügte Ableitungssilbe, die bei der »Bildung von Nomina Agentis, also Bezeichnungen für Personen, die einen Beruf oder eine Tätigkeit ausüben« (ÖAW), verwendet wird, kann dabei zum einen auf ihren Identitätswechsel – vom Menschen (besonders deutlich bei der Endung -mann) zum Arbeitenden (Büroler) – hinweisen; die Diminutiva werden im allgemeinen Sprachgebrauch aber ebenso eingesetzt, um Personen und Gruppen sprachlich herabzuwürdigen: »Wer ›Hausbesetzler‹ statt ›Hausbesetzer‹ sagt, gibt damit zu erkennen, dass er die Hausbesetzer nicht ganz ernst nimmt, sie für spätpubertierende Möchtegern-Rebellen hält. Und aus dem Schubladen-Unwort ›Unterschichtler‹ spricht womöglich die tiefe Verachtung eines unteren ›Mittelschichtlers‹.« (Sick)6 Das Unding macht so seine ›unternehmerische‹ Verachtung für seine Angestellten, aus denen es sich zu nähren scheint, deutlich. Die Arbeitnehmer werden jedoch nicht nur durch das Büro umbenannt, sie verschmelzen sogar körperlich mit diesem, indem sich ihre aus dem Raum entstandenen Arbeitsgeräte an ihre Körperformen anpassen und Mensch und Maschine so eine Symbiose eingehen:
Bis Schillers Platte die nötige Höhe erreicht hatte, ließen sie ihn an ihren Plätzen zusehen. Und als es nach einigen Tagen so weit war, als Schiller bei hüftweit gespreizten Beinen derart an die Vorderkante seines Arbeitstischs rührte, dass sein Bauch nach und nach, mit dem beflissen tiefen Einatmen des Anfängers, eine flache Delle in den noch extraweichen vorderen Rand des blutjungen Rechtecks drücken konnte, hieß es, Fluss und Verschränkung nicht weiter zu stören. (Klein 24)
Durch die Ausübung der Glasarbeit kommt es so zu einer Auflösung der Grenzen zwischen Subjekt und Objekt – sie werden durch die Verschränkung »einig« (ebd. 25). Der Tisch wird durch die Berührung des Menschen zum Leben erweckt, der Arbeiter hingegen wird als Teil des Geräts stillgestellt und verdinglicht. Der Glastisch ersetzt zudem die Sinne der Büromenschen: »Die Welt und jegliches Klima sind im Tisch zu Hause. Frühling, Sommer, Herbst und Winter, Hitze wie Kälte, Trockenheit und Niederschlag regeln sich im weichen Glas. Das Mittlere Büro kennt weder Regen noch Wind« (ebd. 121). Durch den Wegfall dieser sensorischen Empfindungen geht das eigene Körperbewusstsein verloren. Die Angestellten sehen nicht nur identisch aus, sie verfügen anders als die Volksfrauen auch nicht über einen Eigengeruch. Der Einzelne geht in der gleichmachenden Atmosphäre des Büros auf.
Die einschränkende Arbeitsumgebung resultiert in einer Disziplinierung des Körpers und der Regulierung von individuellen, »bürofremd[en]« (ebd. 99) Handlungsantrieben wie Empfindungen, Affekten, Begierden und selbstständigen Gedanken und führt infolgedessen zur Entindividualisierung der Büroangestellten, die allein für den Dienst am Büro leben sollen. Die körperliche Annäherung zwischen Schiller und Wehler – ein Verstoß gegen diese Disziplinierung – wird daher unterbunden, indem Letzterer durch die Wand verschluckt wird und so nun nicht mehr nur im übertragenen Sinn im Büro aufgeht. Der sex- und emotionslose Konformismus dieser Gesellschaft entsteht hier nicht wie in vielen anderen Dystopien durch Rauschmittel oder Medienkonsum, er ergibt sich vielmehr aus einem Zuviel an Arbeit: Im Büro ging jeder davon aus, »dass der andere immerzu an die Arbeit, an die Handhabung des Glasflusses dachte, so wie man dies selbst tat« (ebd. 99). Der Niedergang des Mittleren Büros am Ende des Romans kündigt sich daher nicht nur räumlich durch Fehlbildungen an den Arbeitstischen an, sondern wird durch eine vermehrte Beweglichkeit und ein zunehmendes Körperbewusstsein der Arbeitenden begleitet:
Blenker sieht den Niedergang der Arbeitshaltung an vielen bestürzenden Details. Nie wäre früher einer mit derart jämmerlich geknickten Beinen, die Füße handlang auseinander, die Knie und Oberschenkel wie aneinander festgeklebt, hinter seinem Tisch gestanden. Niemals wäre zu Nettlers Zeiten ein Büroler darauf verfallen, mit der Rechten durch ein Loch seines zerschlissenen Overalls zu greifen und sich dann eine halbe Ewigkeit den linken Brustmuskel zu kneten. (ebd. 265)
Kleins lebendiges, parasitäres Büro reflektiert verschiedenste Aspekte der aktuellen Arbeitswirklichkeit und enthüllt durch die fantastische Verfremdung die Absurdität der ›verwalteten Welt‹7 und die dystopischen Tendenzen des kapitalistischen Erwerbssystems. Selbst der Duktus des Textes, geprägt durch Bandwurmsätze und Nominalstil mit ungewöhnlichen Substantivkomposita wie »Frischtischler« (ebd. 24), »Fieberfehlzeit« (ebd. 51), »Wildewelteinsatz« (ebd. 32) oder »Lichtpflichtstunden« (ebd. 224) sowie komplexen Adjektivbildungen, kann im Kontext der Handlung als poetische Überzeichnung einer Verwaltungssprache gelesen werden. Die histoire des Romans affiziert so auch den discourse, indem sich der narrative Inhalt auf die sprachliche Präsentation der Geschichte auswirkt. Aufgerufen werden ferner mit Arbeit verbundene soziokulturelle Phänomene wie Depersonalisierung, Verdinglichung und Entfremdung. Im fantastischen Modus tritt der Zustand der Verdinglichung nicht nur im übertragenen Sinn auf: In einer Umkehrung realweltlicher Verhältnisse macht die Pflanze sich den Menschen zu Nutze und diese verschwinden hinter ihrer Tätigkeit und werden – als Bestandteil des ›Un-Dings‹ – buchstäblich verdinglicht. Dargestellt wird so zum einen die Entfremdung durch Arbeit. Jedes Tun richtet sich allein an den Bedürfnissen des Büros aus, alle Handlungen sind zweckhaft auf den dort ablaufenden Informationsprozess ausgerichtet und autotelische Praktiken werden infolgedessen, wie bereits ausgeführt wurde, vom Mittleren Büro unterbunden. Aufgrund dieses Nützlichkeitsprimats wird den arbeitenden Menschen das eigene Begehren fremd gemacht und sie werden, so argumentiert beispielsweise Bataille, durch diese Selbstentfremdung dinghaft.8 Jenseits ihrer Stellung als Angestellte haben die Büroler im System des Miakros keine Existenzberechtigung. Nach der Entdeckung der Außenwelt und der daraus resultierenden ›Enttarnung‹ des Mittleren Büros verschwinden Nettler, Guler, Schiller und Axler daher einfach aus der Erzählung. Sie existierten nur im Kontext ihres nun beendeten ›Dienstverhältnisses‹. Der Versuch, aus der Welt der Arbeit zu entkommen, führt zu ihrer Auslöschung. Der Text hinterfragt auf diese Weise ein Menschenbild, das nur als ökonomisch nützlich empfundenen Mitgliedern der Arbeitsgemeinschaft Wert zuschreibt. Gleichzeitig beschreibt der Text aber auch den Zustand einer Entfremdung von der eigenen Arbeit. Die Angestellten wissen weder, wie ihre Arbeit genau funktioniert oder woher die Informationen, die sie auf ihren Glastischen betrachten, stammen, noch welchem übergeordneten Ziel diese Tätigkeit dient. Sie sind bloße Befehlsempfänger ihrer Arbeitsgeräte. Das Begreifen der Arbeitszusammenhänge und der dazugehörigen räumlichen Ordnung ist im Pilzorganismus nicht möglich. Arbeit hat hier keinen offensichtlichen Nutzen, sie ist habitualisierter Selbstzweck, der Sinnfragen von vornherein suspendiert. Auf den Prüfstand werden damit Vorstellungen von Arbeit gestellt, die diese als inhärent zweckorientierte und produktive Tätigkeit definieren.9
Zudem rekurriert der Roman durch seine Darstellung des Mittleren Büros als Ineinssetzung von Arbeits- und Heimstätte auf Formen entgrenzter Arbeit,10 bei denen sich Leben und Arbeit unter anderem auf Grund der Möglichkeiten der digitalen Kommunikationstechnologien nicht mehr räumlich und zeitlich trennen lassen. Das Büro wird auf das gesamte Leben der Angestellten ausgeweitet – es gibt kein ›out of office‹ mehr. Begriffe wie Bürogeburt verweisen darüber hinaus auf unternehmerische Slogans, die den Arbeitsbetrieb als Familienverbund und die Geschäftsführung als väterliches Familienoberhaupt verkaufen sollen. Der Verlust der Gesichtsbehaarung, die als körperliches Zeichen des Erwachsenseins fungiert, die Einkleidung in hellblaue Strampler mit »halb bloßliegenden Waden« (ebd. 20) und der Säugevorgang durch die Wandknollen – »[Nettler] stülpte die Lippen über den glitschigen Nippel« (ebd. 17) – markieren die Infantilisierung der Angestellten, ihnen wird jede Entscheidung von der Entität Büro abgenommen. Der Raum ist zudem nicht nur lebendig, ihm werden durch Personifizierungen menschliche Eigenschaften zugeschrieben: Das Glas beispielsweise schmatzt auf (vgl. ebd. 31), der Tisch kränkelt (vgl. ebd.), der Gang ist »knausrig« (ebd. 16) oder »tückisch« (ebd. 70). Bezüge lassen sich so zu automatisierten Büros herstellen, in denen viele administrative Praktiken angestoßen durch technische Prozesse selbsttätig ausgeführt werden und die zugrundeliegenden Büroobjekte infolgedessen gleichberechtigt neben den menschlichen Aktanten als Handlungsträger wirken und das Netzwerk ›Büro‹ mitkonstituieren: »Handeln ist nicht das Vermögen von Menschen, sondern das Vermögen einer Verbindung von Aktanten« (Latour 219). Automatisierte durch Algorithmen gesteuerte Systeme, die den Handlungsrahmen der zu verrichtenden Arbeit bestimmen, können sogar zu einer Verschiebung der Agency innerhalb der Mensch-Ding-Relationen im Büro führen. Das Raum-Mensch-Geflecht des Mittleren Büros erzeugt durch die Verdinglichung der Angestellten und die Vermenschlichung der Büroumgebung in ähnlicher Weise eine Hybridität, bei der nicht mehr klar zwischen Subjekt und Objekt unterschieden werden kann.
Das organische Büro lässt sich des Weiteren als unheimliche Manifestation neoliberaler sprachlicher Begrünungsversuche lesen, die metaphorische Bürobotanik betreiben. Büros werden in diesem Zusammenhang als Gewächshäuser für Ideen, als Nährboden für Selbstverwirklichung oder als Oase der Kreativität beschrieben. Der Arbeitsplatz wird so als locus amoenus und unternehmerisches Wachstumsstreben als natürlicher Vorgang inszeniert: »Begrifflich verlegt man sich aufs Pflanzliche und Organische – und imaginiert Räume, in denen sich Selbstentfaltung mit Gewinnmaximierung zu verbinden scheint. […D]as Büro [wird] zur kapitalistischen Utopie, zum perfekten ökonomischen Nicht-Ort: Ich komme zu mir selbst, indem ich ins Büro gehe« (Hornuff). Der Text greift auf diese Weise Neudefinitionen von Arbeit auf, die diese nicht mehr vornehmlich negativ als Mühsal oder als lebensnotwendige Erwerbstätigkeit rahmen, sondern positiv – etwa als Mittel der Selbstoptimierung – zu konnotieren versuchen. Bei dieser Umdeutung ändert sich nicht primär die Arbeit selbst, vielmehr soll die Haltung zu dieser adjustiert werden. Arbeit soll dafür spielerisch gestaltet werden und Vergnügen bereiten:
Der Wandel der Arbeitswelt hatte einen besonderen wirtschaftlichen Hintergrund. Ab Mitte der 1970er Jahre zwang die Globalisierung die Unternehmen zu Kosteneinsparungen. Indem den Arbeiter:innen komplexere Tätigkeiten zugewiesen wurden, konnten Arbeitsplätze eingespart und durch die Übertragung von mehr Verantwortung Kontrollinstanzen abgebaut werden. Das sogenannte Job Enrichment sollte auch bei monotonen Tätigkeiten für Zufriedenheit sorgen: Verspätungen, Ungenauigkeiten, Krankenstände oder gar (stille) Kündigungen sollten so vermieden werden. Das scheinbar unaufhaltsame Streben nach Freude an der Arbeit ist also weniger auf gelungene Selbstermächtigung als vielmehr auf wissenschaftlich fundierte und systematisch betriebene Beeinflussung zurückzuführen. (Lemberg)
So entsteht ein paradoxes Verhältnis zwischen Zwang und Selbstbestimmung, das zur Verschleierung von Ausbeutungsstrukturen ausgenutzt werden kann. Durch Freude an der Arbeit sollen Arbeitsbedingungen kapitalistischer Wertschöpfung nicht nur erduldet, sondern sogar gutgeheißen werden: »Worker exploitation thus reaches a new low: workers are not only forced to work in impossible conditions, they are also encouraged to have ›fun‹« (Sicart 134). Die zunächst widersprüchlich erscheinende Beschreibung der Arbeitseinstellung der Angestellten in Kleins Roman, die jeden Morgen »freiwillig wie immer, an die Arbeit gehen mussten« (ebd. 61; meine Hervorhebung, A. M.), lässt sich in diesem Sinne deuten.
Die Tätigkeit der Angestellten involviert archaische und futuristische Kulturtechniken und Arbeitsmerkmale. Sie sind in einem als Büro betitelten Raum an computerartigen, biotechnischen Geräten beschäftigt, tragen jedoch keine Anzüge, sondern Blaumänner und werden als Trupp bezeichnet; sie verrichten Fließbandarbeit an einem »von rechts nach links ruckelnden […] Bildfluss« (Klein 12), sind als Sammler auf der Suche nach Nahrung tätig und befinden sich wie Bergleute in einem Stollensystem. Diese Amalgamierung lässt sich zum einen als Verweis darauf verstehen, dass Formen von Bürotätigkeit mittlerweile in fast allen Berufssparten zum Arbeitsablauf gehören. Darüber hinaus definiert diese Vermischung Arbeit aber auch als ein Konzept, das global betrachtet von einer Gleichzeitigkeit des Ungleichzeitigen geprägt ist: Die Arbeitswelt des 21. Jahrhunderts umfasst von Algorithmen ausgeführte Arbeitsprozesse der Informationsökonomie genauso wie traditionelle Praktiken von Jäger- und Sammlerkulturen. Arbeit konstituiert sich zudem durch ein Nebeneinander von manuellen Tätigkeiten und neuartigen immateriellen Arbeitsverfahren. Selbst scheinbar automatisierte Verrichtungen sind abhängig von menschlicher Arbeitskraft. So erfolgt beispielsweise das Trainieren von künstlicher Intelligenz durch die repetitive Handarbeit von sogenannten Klickarbeiter:innen, die durch das Identifizieren und Annotieren von Bilddateien – ganz ähnlich wie die Glasarbeit von Kleins Büroangestellten – unter ausbeuterischen Bedingungen die »Fließbandarbeit des digitalen Zeitalters« (Pramer) erledigen. Bereits mit der Bezeichnung Glasarbeit, die handwerkliche Tätigkeit evoziert, wird auf Silizium als wichtige materielle Grundlage digitaler Technologien hingewiesen und auf materielle Herstellungsprozesse, die immaterielle Arbeit nach wie vor zur Grundlage hat.
Des Weiteren ließe sich Kleins fantastische bioarchitektonische Assemblage aus menschlicher Materie, Pilzchitin, Bausubstanz und Elektrizität, die zugleich auf der Mikroebene Ort (die Vertrautheit des Büros) und auf der Makroebene Raum (das sich immer weiter ausdehnende Unding) ist sowie innen und außen unterschiedliche Zeitebenen aufweist, als fantastische Manifestation eines Hyperobjekts denken. Der von Timothy Morton geprägte Begriff bezieht sich auf omnipräsente Phänomene, deren zeitliches und räumliches Ausmaß – »massively distributed in time and space relative to humans« (Morton 1) – die menschliche Fassungskraft übersteigt und so in seiner Gesamtheit eigentlich nicht anschaulich repräsentiert werden kann – als Beispiele ließen sich der Klimawandel, das Anthropozän, Plastik, Planeten oder die Menschheit anführen. Das sich aus einzelnen Prozessen, Handlungen, Theorien und Gegenständen konstituierende Hyperobjekt ermöglicht es, diese nicht alle zur gleichen Zeit beobachtbaren Komponenten als zusammenhängend zu begreifen. Der Mensch existiert innerhalb dieser Hyperobjekte und formt sie durch seine Handlungen. Das Miakro kann in diesem Kontext als symbolische Darstellung des Hyperobjekts Kapitalismus gelesen werden. Fragmente räumlicher, zeitlicher und medialer Prozesse des kapitalistischen Arbeitssystems, deren in mehreren Dimensionen existierende Gesamtheit die menschliche Wahrnehmung übersteigt, werden auf diese Weise zu einem unheimlichen (Un)ding verschmolzen und partiell erfahrbar gemacht. Die Figuren können immer nur Teile des Hyperobjekts, das ihr gesamtes Leben durchdrungen hat, wahrnehmen (vgl. Morton 70), das Miakro wird entweder von außen als Pilzgeschöpf oder von innen als Bürowelt erfasst und bleibt dergestalt in seiner Totalität einer komplexen Verkettung von Wirkungsweisen unzugänglich. Es ist ein bezüglich Zeit und Raum dynamisches Objekt:
Die falschhölzerne Glätte, die Schiller nach dem Verlassen des Aufzugs mit einem Geistesblitz Laminat genannt hat, geht für kürzere Streifen über in sauber gefügte fahlgelbe Ziegelsteine, als wäre das Mauerwerk aus der Senkrechten ins Horizontale gekippt, um Lücken im Laminat zu flicken. Das Unding kümmert sich weiter auf seine stete Weise um den Raum, und wenn es besser sprechen könnte, würde es uns womöglich bitten, seinen Bewohnern in Fragen des Nacheinanders und der Parallelität, so gut uns dies von Fall zu Fall gelingt, unter die Arme zu greifen. (Klein 266)
Die Montagetechnik des Romans erweist sich dabei als probates narratives Verfahren zur Thematisierung eines Hyperobjekts, denn die Unsicherheit über den fiktionsinternen Realitätsstatus von Ereignissen, Figuren oder Orten auf den beiden unterschiedlichen Erzählebenen »spiegelt ästhetisch den problematischen epistemologischen wie ontologischen Status eines ›Ganzen‹, von dessen Existenz zwar ausgegangen wird, das aber nie ›ganz‹ geschaut werden kann« (Herrmann 64). Die Unwirklichkeit der beiden parallel verlaufenden und sich gegenseitig ausschließenden Handlungsstränge in der Konfrontation mit dem Unding ließe sich darüber hinaus als eine erzählerische Form der Dezentrierung der anthropozentrischen Perspektive lesen. Eine solche existentielle Verunsicherung und eine Verschiebung des Betrachtungswinkels löst laut Morton auch die Auseinandersetzung mit Hyperobjekten aus: »The vastness of the object’s scale makes smaller beings – people, countries, even continents – seem like an illusion, or a small colored patch on a large dark surface. How can we know it’s real? What does real mean?« (Morton 32). Kleins Schreibweise einer »selbstreflexiven Transzendentalpoetik«, die versucht, mit »literarischen Techniken die Bedingung der Möglichkeit auszuloten für die Darstellung eines verborgenen ›Ganzen‹, das sich den übrigen – insbesondere logisch-rationalen – Anschauungsformen des Menschen entzieht« (Hermann 64), wird so in Miakro eingesetzt, um durch den fantastischen Modus das eigentlich undarstellbare Hyperobjekt abzubilden.
Das Geschöpf entpuppt sich zudem – hierin erneut dem Hyperobjekt ähnlich – als nichtlokales Ereignis, als ein ubiquitäres Phänomen (vgl. Morton 47). Dass die in immer mehr Gegenden auftauchenden gigantischen Blaupilze kein Symbol für eine Renaturalisierung der Welt darstellen, also keinen Konter der Natur gegen die zerstörerische menschliche Welt ankündigen sollen, lässt sich unter anderem daran erkennen, dass sich der Organismus nicht nur Technik und Menschen, sondern auch Bäume und Sträucher einverleibt. In seiner Umgebung wächst kilometerweit nichts Pflanzliches mehr. Der ›Großkonzern‹ Pilz arbeitet folglich nicht symbiotisch mit der Pflanzenwelt, er geht ausbeuterisch mit dem Lebensraum um. Die Inszenierung des Miakros als parasitäres Pilzgeschöpf, das seinen eigenen Aufbau auf fremder organischer Substanz gründet und sein Myzel im gesamten Erdboden ausbreitet, lässt sich daher als Manifestation der kapitalistischen Maschinerie denken, die den Büroarbeitern zunächst durchaus Vorteile wie die robuste »Bürogesundheit« und im Vergleich mit den Volksfrauen komfortable Lebensbedingungen beschert, deren unendliches Wachstum jedoch die endliche Welt bedroht. Begegnungen der Romanfiguren mit den gigantischen Pilzwesen finden entsprechend an zwei paradigmatischen Arbeitsstätten des Kapitalismus statt: im bereits seit dem frühen Kaufmanns- und Finanzkapitalismus, vor allem aber seit der Globalisierung von Handlungsbeziehungen, zentralen ›Wirtschaftsort‹ des Büros und – symbolisch für den Industriekapitalismus – in einer alten Fabrikanlage, in der Kohle verarbeitet wurde.
2. Das Büro als natürliches Habitat in Jeff VanderMeers Authority
Jeff VanderMeers Southern-Reach-Reihe dreht sich ebenfalls um ein Hyperobjekt:11 Area X, ein mysteriöses von der Außenwelt abgeschnittenes Naturhabitat mit mutationsauslösender Wirkung, das von jeglicher menschenverursachter Verschmutzung gereinigt zu sein scheint: »No heavy metals. No industrial runoff or agricultural runoff. No plastics« (VanderMeer, Authority 125). Die drei Romane Annihilation (2014), Authority (2014) und Acceptance (2014) machen entsprechend die Folgen des Klimawandels zum Thema: »Annihilation grapples with the ways in which the climate crisis is profoundly transforming our sense of what nature has been and what humans might become« (Iossifidis und Garforth 249). Der erste Teil der Serie beschreibt eine Expedition in diese mysteriöse, unberührte Wildnis, die sich plötzlich über eine amerikanische Küstenstadt ausgebreitet und dort alles menschliche Leben vernichtet hat. Die wissenschaftliche Erkundung der Zone, die im Auftrag der an der Grenze von Area X errichteten Southern Reach – einer staatlichen Forschungseinrichtung mit Militärbasis, die dem Geheimdienst Central untersteht – erfolgt, soll Aufschluss über die Entstehung und die Wirkung der unerklärbaren Entität bringen. Den Klimax der Handlung, die aus der Sicht einer an der Expedition teilnehmenden Biologin geschildert wird, stellt die Begegnung der Erzählerin mit dem Crawler, einer von Area X erschaffenen alienartigen Kreatur, die die Protagonistin in einer gleichzeitig als Turm und als Tunnel beschriebenen topografischen Anomalie antrifft und die der Ausgangspunkt für die Ausbreitung des Phänomens zu sein scheint. Das Wesen erzeugt eine aus Fruchtkörpern bestehende Schrift, die an der Wand des Turms/Tunnels wächst und Sporen verbreitet. In dem Sperrgebiet werden, wie sich im Laufe des Romans zeigt, die Mitglieder der Expeditionsteams grundlegend in ihrer Menschlichkeit verändert und zu posthumanen Wesen transformiert. Sie werden zu Mischwesen, die sogar körperlich mit der Landschaft von Area X verschmelzen können. Die Biologin beispielsweise verwandelt sich in eine immense mit dem Land verbundene Wasserkreatur, die nicht mehr den physikalischen Gesetzen der Erde untersteht:
The mountain that was the biologist came up almost to the windowsill […]. The suggestion of a flat, broad head plunging directly into torso. […] the flanks carved by dark ridges like a whale’s, and the dried seaweed, the kelp, that clung there, and the overwhelming ocean smell that came with it. The green-and-white stars of barnacles on its back in the hundreds of miniature craters, of tidal pools from time spent motionless in deep water, time lost inside that enormous brain. The scars of conflict with other monsters pale and dull against the biologist’s skin. […] She saw that the biologist now existed across locations and landscapes. […] Nothing monstrous existed here—only beauty, only the glory of good design, of intricate planning, from the lungs that allowed this creature to live on land or at sea, to the huge gill slits hinted at along the sides, shut tightly now, but which would open to breathe deeply of seawater when the biologist once again headed for the ocean. All of those eyes, all of those temporary tidal pools, the pockmarks and the ridges, the thick, sturdy quality of the skin. An animal, an organism that had never existed before or that might belong to an alien ecology. That could transition not just from land to water but from one remote place to another, with no need for a door in a border. (Acceptance 195 f.)
Es entsteht durch außerirdisches Einwirken, wie im letzten Band enthüllt wird, ein neues biozentrisches Ökosystem, das Menschliches und Nichtmenschliches in einem Netzwerk zusammenführt und so anthropozentristische Vorstellungen unterläuft. Anstelle der metamorphosierten Wissenschaftler:innen kehren von Area X erzeugte Doppelgänger zur Forschungseinrichtung zurück. Im zweiten Roman, Authority, der im Folgenden näher betrachtet werden soll, wird die feindliche Übernahme der – die menschliche Zivilisation versinnbildlichenden – Regierungsbehörde durch die übernatürliche Naturmacht beschrieben; das Bürogebäude der Southern Reach verwandelt sich durch das Eindringen der Umwelt, der »pristine nature« (VanderMeer, Authority 192) von Area X, von einem menschengemachten Ort in einen unbewohnten Raum. Beim Protagonisten des Textes handelt es sich um den neuen Direktor der Southern Reach, John ›Control‹ Rodriguez, der nicht durch wissenschaftliche Forschungsreisen, sondern durch administrative Vorgänge versucht, die Rätsel von Area X zu lösen.
Während der Vorgängerband Annihilation meist der Weird Fiction oder dem Konzept des abcanny12 – dem Monströsen, Unbegreifbaren – zugeordnet wird (vgl. hierzu z. B. Ersoy sowie Duncan/Gold), verwendet der zweite Teil der Southern-Reach-Trilogie für die Raumbeschreibung vor allem Elemente der Gothic Fiction. Nicht die Weiten der unberührten Natur sind hier Schauplatz, sondern beengende Innenräume. Eine besonders unheimliche Szene des Romans findet etwa in einem verborgenen Zwischenraum hinter einer Falltür in der Decke statt. Das Bürogebäude wird als ein »concrete coffin« (ebd. 29) beschrieben, gebaut in »a style now decades old« (ebd. 27), dessen klaustrophobische Atmosphäre sogar den Außenraum affiziert: »The edges of the lake were singed black, as if at one time set ablaze, and a wretched gnarl of cypress knees waded through the dark, brackish water. The light that suffused the lake had a claustrophobic gray quality, separate and distinct from the blue sky above« (ebd. 27 f.). Auch die aus Area X stammende Doppelgängerin der Biologin – Ghostbird –, die in der Behörde festgehalten wird, erscheint nicht monströs wie die Klone und Mutationen im ersten und dritten Teil der Reihe; sie stellt vielmehr eine klassische Doppelgängerfigur dar. Die Abnormalitäten von Area X werden den Lesenden nicht mehr direkt, sondern nur mittelbar medial und fragmentiert, etwa in Form kurzer Videoausschnitte, anhand von Zeichnungen des Wissenschaftlers Whitby Allen oder als verschriftlichte Aussagen zugänglich gemacht. Das fremdartige Gebiet mit all seinen Gefahren wird zu einem Wasserfleck an der Decke, »that resembled variously an ear and a giant subaqueous eye« (ebd. 91),13 reduziert oder zu einer »crude map […] in green, red, and black, showing the usual landmarks: lighthouse, topographical anomaly, base camp […] and also, farther up the coast, the island« (ebd. 102) topografisch abstrahiert.
Area X wird mit dem Vokabular klassischer Schauererzählungen beschrieben: »A kind of ghost or ›permeable pre-border manifestation‹ as the files put it – light as fog, almost invisible except for a flickering quality – had quickly emanated out in all directions« (ebd. 35). Die dortigen Vorkommnisse werden zunächst als »Stories of odd salvagers, and false beacons, and the hundred legends that accrete around a lonely coastline and a remote lighthouse« (ebd. 37) abgetan. Die bereits aus dem ersten Band bekannten und als ›abcanny‹ zu beschreibenden Enthüllungen des Romans sind in der Wiederholung daher als ›uncanny‹, als unheimlich, zu konzeptionalisieren. Sie erscheinen nun als etwas Verdrängtes, das ans Tageslicht kommt.14 Spannung wird infolgedessen nicht durch das Unbekannte erzeugt, sie entsteht durch die Erwartungshaltung der wissenden Leserschaft. In Controls Büro, das bereits seiner in Area X verschollenen Vorgängerin als Arbeitsstätte diente und dessen Einrichtung wie in einem Schrein unberührt geblieben ist, scheint ferner die ehemalige Direktorin als geisterhafte Präsenz anwesend zu sein; sie ist an den Ort durch ihre unerledigte Arbeit gebunden. Die Southern Reach lässt sich so als haunted office – der Protagonist beschreibt seinen Arbeitsplatz selbst als »haunted place« (ebd. 50) – charakterisieren, das nicht ausschließlich von außen belagert wird, sondern bereits wie etwa das Gebäude in Poes House of Usher (1839) durch den (räumlichen und personellen) Verfall im Inneren dem Niedergang geweiht erscheint:
[Cheney, one of the scientists,] had staked his reputation to Area X – in the general sense that the Southern Reach had become his career. The initial glory of it, of being chosen, and then the constriction of it, like a great snake named Area X was suffocating him, and then also what he had to know in his innermost thoughts, or even coursing across the inner rind of his brain. That the Southern Reach had indeed destroyed his career, perhaps even been the reason for his divorce. (ebd. 118)
In der seit über 30 Jahren bestehenden Institution wird kaum noch Forschungsarbeit verrichtet, da sich der Sperrzone keine Geheimnisse entlocken lassen. Die unzähligen Expeditionen waren alle – wie die im ersten Roman geschilderte Entdeckungsreise – zum Scheitern verurteilt. Aufgrund des wissenschaftlichen Stillstands nimmt der Mitarbeiterstab immer weiter ab und die Southern Reach droht in die Bedeutungslosigkeit zu versinken. Die Behörde verschleiert die Nutzlosigkeit der eigenen Institution durch die Aufrechterhaltung der Fiktion, es handle sich bei Area X um eine bürokratisch zu beherrschende Ausnahmeerscheinung. Die Fäule des in unmittelbarer Umgebung des Verwaltungsbaus gelegenen Sumpfs verweist so bildlich zum einen auf diesen Vorgang der Zersetzung, und zum anderen auf behördliche Korruption.
Die Evozierung des Raumes erfolgt in VanderMeers Roman vor allem über die Vermittlung der subjektiven Sinneswahrnehmungen des zunehmend durch Verfolgungswahn geplagten Direktors der Behörde: Flackerndes Licht, merkwürdige Geräusche oder der Geruch nach verrottetem Honig deuten den Niedergang der Einrichtung an. Letzterer stellt bereits einen Hinweis auf die beginnende Kontamination des Gebäudes durch Area X dar, wird doch in Annihilation beschrieben, dass die Biologin nach dem Eindringen von Sporen aus Area X in ihren Körper »a pinprick of escalation in the smell of rotting honey« (Annihilation 25) verspürte. Die Ausbreitung des Gestanks markiert daher olfaktorisch die visuell noch nicht wahrnehmbare Expansion von Area X in den menschlichen Raum. Der für Büros nicht ungewöhnliche banale Tatbestand der Geruchsbelästigung bekommt so eine unheilvolle Bedeutung. Der eigentümliche Geruch als Ankündigung einer Auslöschung kann ferner als intertextuelle Anspielung auf William Goldings Roman The Inheritors (1955), der aus der Sicht einer Gruppe von Neandertalern über den Zusammenstoß mit den ›neuen‹ Menschen berichtet, gelesen werden. Der Homo sapiens wird dabei in der Wahrnehmung der vor der evolutionären Verdrängung stehenden Vormenschen ebenfalls mit verdorbenem Honig verbunden: »The new people are like a wolf and honey, rotten honey and the river« (Golding 197).
Die Erzählung selbst lässt sich auch als Wiedergänger begreifen, ahmen doch Controls verwaltungstechnische Handlungen im Büro diejenigen der Biologin auf Naturexkursion im ersten Teil nach: »He’d been on an expedition sent into the Southern Reach and just like the expeditions into Area X, not told the truth« (Authority 232). Beide Figuren tragen zudem keinen gewöhnlichen Eigennamen, sie sind nach ihrer Funktion benannt – die Wissenschaftlerin tritt im ersten Band nur als Biologin in Erscheinung und der Spottname Control verweist auf die vermeintliche Autoritätsposition des Protagonisten. Die Hauptfiguren erkennen entsprechend im Laufe der Handlung, dass sie gar nicht als Akteure in ihrer eigenen Geschichte dienen, sondern als Teilchen in größere Netzwerke eingebunden sind: Control ist ein Rädchen im bürokratischen Getriebe, die Biologin ein Organismus in einer neuen Biosphäre. Beide fungieren somit weniger als individuelle Charaktere, sie symbolisieren vielmehr bestimmte Wissensordnungen. Die beiden machen zudem auf ihrem jeweiligen Tätigkeitsfeld – Akten durchforsten, Natur beobachten – dieselben Entdeckungen bezüglich Area X. So entdeckt Control die Botschaft des Crawlers beispielsweise genau wie die Biologin in einer Art räumlichen Anomalie. Er stößt auf die Worte nicht in seinen Unterlagen, sondern er findet diese auf einer Wand im Büro, die direkt hinter einer – aufgrund dieser Konstruktion nutzlos gemachten – Tür versteckt ist:15 »At first he had thought the wall beyond the door was covered in a dark design. But no, [the former director] had obliterated it with a series of odd sentences written with a remarkably thick black pen. Some words had been underlined in red and others boxed in by green« (ebd. 96). Die fantastische Physikalität und Sinnlichkeit der Schrift, das Sich-Selbst-Überschreiben und der autopoetische Charakter der Worte des vom Expeditionsteam im Turm gefundenen Textes scheint in der mit schwarzen Filzstift geschriebenen bürokratischen Wiederholung durch Marginalien, farbige Unterstreichungen und Einkreisungen, nachgeahmt zu sein. Die menschliche, nur visuell wirkende Kommunikationsform ist eine inferiore Kopie der mysteriösen Mitteilung, die optisch, olfaktorisch, akustisch und taktil ›spricht‹:
I saw that the letters, connected by their cursive script, were made from what would have looked to the layperson like rich green fern-like moss but in fact was probably a type of fungi or other eukaryotic organism. The curling filaments were all packed very close together and rising out from the wall. A loamy smell came from the words along with an underlying hint of rotting honey. This miniature forest swayed, almost imperceptibly, like sea grass in a gentle ocean current. Other things existed in this miniature ecosystem. Half-hidden by the green filaments, most of these creatures were translucent and shaped like tiny hands embedded by the base of the palm. (Annihilation 24 f.)
Im Akt des Kopierens wird dieser lebenden, einzigartigen Botschaft die Besonderheit genommen; sie wird wiederholbar gemacht. Die Abschrift stellt einen Versuch dar, durch bürokratische Standardisierung Kontrolle über das unerklärliche Phänomen zu erlangen und durch die Stillstellung der Schrift die Handlungsmacht des Nichtmenschlichen zu beschneiden. Im Scheitern der Wiedergabe der Kommunikation deutet sich bereits die Superiorität des Posthumanen an.
Die administrativen Tätigkeiten und das Umfeld des Protagonisten werden ferner häufig mit Begriffen aus der Natur umschrieben – er arbeitet in einer »backwater agency« (Authority 8) ausgestattet mit einem Teppich, der wie Moos aussieht, und soll sich dort etwa um das »rooting out […] of stuff« (ebd. 4) oder das »fishing [for information]« (ebd. 140) kümmern. Die Erkundung seines Büros nimmt sich wie die Landschaftsbegehung eines fremden Gebiets aus – er genießt »a great panoramic view of the bookcases against the walls, interspersed with bulletin boards overlaid with the sediment of various bits of paper« (ebd. 15) und er »wandered into [the office’s] length toward the mahogany desk set against the far wall. […] Near her desk, on the left, he uncovered an array of preserved natural ephemera. Dusty and decaying bits of pinecone trailed across the shelves« (ebd. 41). Die dort entdeckten Abhörwanzen beschreibt er wie biologische Funde und er ordnet diese taxonomisch an, als ob es sich um zu konservierende Insektenpräparate handeln würde:
For the fact was, the director’s office had contained an unnatural history museum of bugs – different kinds from different eras, progressively smaller and harder to unearth. The behemoths of this sort were bulging, belching metal goiters when set next to the sleek ethereal pinheads of the modern era. When he thought his search complete, Control amused himself by arranging the bugs across the faded paper of the blotter in what he believed might be chronological order. Some of them glittered silver. Some, black, absorbed the light. There were wires attached to some like umbilical cords. One iteration – disguised within what appeared to be a small, sticky ball of green papier-maché or colored honeycomb – made him think that a few might even be foreign-made: interlopers drawn by curiosity to the black box that was Area X. (Ebd. 43)
Dieses metaphorische Eindringen des Natürlichen in das Büro wird schließlich durch die konkrete Einnahme der Räumlichkeiten durch die Natur abgelöst.16 Control findet eine aus der Sperrzone mitgebrachte Pflanze in einer Schreibtischschublade, die dort eine Assemblage bestehend aus der wuchernden Pflanze, einer toten Maus, einem alten Handy, Erdreich sowie Büroakten bildet und wie die lebende Schrift des Crawlers ein für Menschen nicht verständliches Kommunikationsangebot macht. Trotz einer den realweltlichen Umgang mit Bürogrün satirisch spiegelnden schlechten Behandlung kann die Pflanze nicht zerstört werden: »The assistant director made Whitby embark upon a summary of hair-raising attempts at destruction that included stabbings, careful burnings, deprivation of soil and water, introduction of parasites, general neglect, the emanation of hateful vibes, verbal and physical abuse, and much more« (ebd. 120). Die Pflanze rüttelt durch die Ausübung dieser »thing-power« am anthropozentrischen Weltbild des Protagonisten. In fantastischer Zuspitzung wird die im Kontext des New Materialism dem Nichtmenschlichen zugewiesene Fähigkeit »to impede or block the will and designs of humans but also to act as quasi agents of forces with trajectories, propensities, or tendencies of their own« (Bennett viii) vorgeführt, die das Natur-Kultur-Verhältnis umdeutet, indem sie Kategorien wie Subjektivität und Handlungsmacht neu bedenkt. Die wirkmächtige vitale Materialität, die von der Pflanze ausgeht, »cannot be thrown ›away‹, for it continues its activities even as a discarded or unwanted commodity« (ebd. 6). Die Pflanze zeigt sich nicht nur widerständig gegen Gewalt, sie widersetzt sich zudem dem eigentlichen Zweck der Büropflanzen, nämlich den menschlichen Bürobewohnern dienlich zu sein, indem sie etwa das Raumklima verbessern, Stress reduzieren oder als Schallschutz Einsatz finden. In einer Subjekt-Objekt-Verkehrung scheint sich die Pflanze, die für den Protagonisten wie eine humanoide Kreatur »trying to escape, with a couple of limbs« (Authority 87) aussieht, vielmehr den Menschen Untertan gemacht zu haben: »[S]omeone had, bizarrely, come in and watered the plant from time to time. With the director gone, who had been doing that? Who had done that rather than remove the plant, the mouse?« (ebd. 88).
Diese bizarre Version einer topflosen Büropflanze hat zudem begonnen, die Büroeinrichtung und die dort gelagerten Akten von kulturellen Artefakten zu natürlichen Entitäten zu transformieren: »Some pages were brittle and thin, and the scraps of paper and ragged collages of leaves had a tendency to stick together, while being infiltrated and bound more tightly by the remains of translucent roots touched by lines of crimson left behind by the plant«17 (ebd. 155). Controls Versuch, Ordnung in die Dokumente zu bringen, lässt ihn so vom Bürokraten zu »a new kind of urban farmer« (ebd. 152) werden. Auch die Kontaminierung der ehemaligen Direktorin durch Area X während eines kurzen Aufenthalts in der Sperrzone lässt sich anhand der Überlagerung des Bürokratischen durch Organisches nachzeichnen. Ihre Berichte sind nicht mehr ordnungsgemäß auf normiertem Papier notiert; sie beginnt sich wie Area X haptisch, materiell und nichtmenschlich auszudrücken: »Oak and magnolia trees had provided some of the raw material in the form of leaves, to which the director had added napkins, receipts, even sometimes toilet paper, creating a thick mulch« (ebd.). Ihre auf unterschiedlichsten Materialien festgehaltenen Gedanken haben sich – hierin der lebendigen Schrift in der Turm-Tunnel-Anomalie nicht unähnlich – zu einem palimpsestartigen Mulch vereinigt, der keine lesbare Botschaft mehr enthält, sondern nur noch Ausdruck einer (nichtentschlüsselbaren) Kommunikation ist. Die von Area X Kolonisierte hat die organische Sprache der Eroberermacht übernommen: »Once a colony is mapped, authority is established over the locals. This authority is established through language and names: for instance, reshaping or demanding that the colonizer’s language be used or renaming the colonized to something more familiar« (Masucci 177).
Der schleichenden Invasion tritt Control (vergeblich) mit bürokratischen Waffen entgegen. Zum einen ist er bemüht, durch das Weißeln der Worte an der Wand, quasi einer großformatigen Tipp-Ex-Aktion, Realität durch Schriftauslöschung zu verändern, wie dies in bürokratischen Institutionen, in denen Wirklichkeit aus Akten heraus gestaltet wird, möglich ist. Aufgrund des Primats der Schriftlichkeit gilt in der verwalteten Welt das Prinzip: quod non est in actis non est in mundo – was nicht in den Akten ist, ist nicht in der Welt. Sachverhalte, die nicht schriftlich festgehalten werden, existieren im bürokratischen Sinn nicht. Zum anderen versucht er, durch das Anordnen von Dokumenten zu Akten, durch das Erzeugen eines Archivs, Unbekanntes bekannt zu machen und so Kontrolle zu erhalten:
So he sat on a stool, his favorite neoclassical composer playing on his laptop, and let the music fill the room and create a kind of order out of chaos. […] These files detailed all of the director’s official memos and reports – against which he would have to check every doodle and fragment. An ›inventory list‹ as Control thought of it. (Authority 151)
Der Verweis auf die Neoklassik lässt sich als Rekurs auf Michel Foucaults in Les Mots et les Choses (1966) postulierte Vorstellung eines klassischen Epistemes, das Wissen durch Modelle der Repräsentation wie Tabellen, Skizzen und Karten sowie durch die Systematik des Klassifizierens und Benennens der Pflanzen- und Tierwelt produziert, lesen. Hierbei handelt es sich um eine Wissenskonfiguration und Erkenntnislogik, die die homogene Wissenssysteme und feststehende Taxonomien infrage stellende Ordnungs- und Hierarchielosigkeit von Area X nicht zu ergründen weiß. Das Hyperobjekt lässt sich nicht in »formalisierte Operationen sprachlicher, informationeller, mathematischer, statistischer, graphischer Art übersetzen« und kann daher nicht »zu einem ›Vorgang‹ im Büro« (Böhme 95) werden. Controls Verwaltungshandeln muss daher an den durch Area X verseuchten Dokumenten scheitern. Das Unerklärliche lässt sich auf eine derart menschliche Weise nicht auflösen. Max Weber hat die schriftliche Aktenführung in Büros, deren Organisation aus einem anarchischen und ungeordneten Zustand herausführe, als eine der wesentlichen Errungenschaften der Menschheitsgeschichte bezeichnet: »Die Entwicklung ›moderner‹ Verbandsformen auf allen Gebieten (Staat, Kirche, Heer, Partei, […]) ist schlechthin identisch mit Entwicklung und stetiger Zunahme der bureaukratischen Verwaltung: ihre Entstehung ist z. B. die Keimzelle des modernen okzidentalen Staats« (Weber 128). Controls eigentlich erzähltechnisch vollkommen unspektakuläres bürokratisches Versagen beim Versuch »Herrschaft kraft Wissen« (ebd. 129) herzustellen, lässt sich symbolisch daher als eigentlicher Moment der Niederlage der menschlichen Zivilisation verstehen, noch bevor sich die Sperrzone tatsächlich des Raums bemächtigt und die menschengeschaffene Umwelt in eine posthumane »pristine wilderness«, wie Area X in der Romanreihe wiederholt bezeichnet wird, verwandelt. Der Titel des Romans bezieht sich entsprechend nicht primär auf das in der Erzählung durchaus raumeinnehmende innerbehördliche Kompetenzgerangel in der Southern Reach, sondern auf den am Schluss des Texts vollzogenen Wechsel der Autorität über die Welt. Wie der Titel des Folgebandes Acceptance andeutet, muss dieser Herrschaftswechsel, die Abkehr von einem Anthropozentrismus und die damit einhergehende Neudefinierung des Menschlichen allerdings nicht notgedrungen als Auslöschung ausgelegt werden:
The more important question is not how we might survive but rather if we should. The Southern Reach trilogy moves us beyond this ethos of the present, into the posthuman possibilities of remaking how we conceptualize life and personhood. […] Expedition members who can respond to this situation only with fear and an attempt to reassert ontological division are frightened and eventually perish; those able to embrace Area X on its terms, abandoning anthropocentrism, discover a new world and a new understanding of life itself. (Vint 192 ff.)
Die trotz ihrer ähnlichen Thematik sehr unterschiedlichen fantastischen Büroromane enden so beide mit dem Niedergang des Büros. Zerstört wird dabei nicht der physikalische Raum, sondern das Funktionsgefüge ›Büro‹. In Kleins Werk wird der soziale Raum gewaltsam aufgelöst, denn das Unding »zerblitzt ihr Kollektiv zu ausnahmslosem Nichts« (Klein 291). Ebenso verliert in Jeff VanderMeers Text die Behörde, die gegründet wurde, um Area X zu kontrollieren, durch das Eindringen der feindlichen Macht in den Bürokomplex ihre Funktion: »The Southern Reach doesn’t exist anymore« (Authority 337).
3. Schlussbetrachtung
Bei Kleins Miakro und VanderMeers Authority handelt es sich um edifice fantasy; ein »edifice« ist nach der Definition John Clutes ein Gebäude, das mehr ist als ein Gebäude:
An edifice is more than a house and less than a City, though it may resemble a house from the outside and a city from within. From without, an edifice may seem self-contained and finite; from within, it may well extend beyond lines of vision, both spatially and temporally. In almost every possible way, edifices manifest a principle central to the description of most physical structures in fantasy: there is always more to them than meets the eye. […] Any fantasy edifice conforms to at least some of the following range of descriptions: […] it is larger inside than out; it contains or is a Labyrinth, […] it is a Microcosm of the world; it is a Polder or a Portal (or even a set of portals); […] it is alive; it occupies simultaneously the past, the present, and the future; […] it tends to undergo Metamorphosis at the turning-point (or Recognition) of the Story, […]; it is a three-dimensional representation of Story; it represents, in the end, a consort of manifest or discoverable (rather than repressed) Realities. (Clute)
In beiden Texten dominieren die Orientierung der Figuren im Raum und die Beschreibung der Örtlichkeiten die narrative Handlung – die fantastischen Bürogebäude treten so als eigentliche Hauptfiguren in Erscheinung. Bereits die Titel der Werke beziehen sich daher auf die Raumobjekte. Die Repräsentation der dynamischen Gebäude kippt, wie gezeigt wurde, zwischen dem Unheimlichen der klassischen Schauerliteratur und dem Monströsen der Weird Fiction. Die Büros werden in der literarischen Beschreibung instabil, sie oszillieren, transformieren sich unter anderem durch den Wechsel der Fokalisierungsinstanz von einem innerlich erlebten Ort zu einem von außen betrachteten Raum. Sowohl Area X als auch das Miakro bleiben am Ende der Texte rätselhaft, ihre Entstehung wird nicht erläutert und ihre Bedeutung ist ambivalent. VanderMeers Darstellung einer heimgesuchten Regierungsbehörde verspricht zunächst eine Auflösung der mysteriösen Vorkommnisse und eine Enttarnung des ›Täters‹, da das Setting genretypisch auf den Schauerroman mit seinem Konzept eines explained supernatural und den Agententhriller mit seinem Whodunit-Schema Bezug nimmt. Dies wird jedoch durch die Übernahme des Schauplatzes durch das abcanny am Ende des Romans und die daraus resultierende Auflösung literarischer Konventionen unterbunden. Kleins Darstellung einer postapokalyptischen Bürowelt bricht durch die narrative Verwirrung von Raum und Zeit ebenfalls mit klassischen Erzählstrukturen. Beide Hyperobjekte versperren sich einer eindeutigen Konzeptionalisierung und können so als »a refusal to commodify, or to reduce nonhuman elements to human use« (Baker 169) gelesen werden.
Darüber hinaus verfügen die Werke jedoch durchaus über einen starken Realitätsbezug, der vor allem über die Wahl des Schauplatzes Büro vollzogen wird. Kleins Text lässt sich fraglos auch als Dystopie über die Zukunft der Digitalgesellschaft, »in der nur noch Restbestände von Emotionen und Geschlechtlichkeit, von Kultur und Kommunikation vorkommen« (Uthoff) und Leben nur noch stellvertretend vor dem Bildschirm erfahren wird, lesen, durch die Verwendung des Begriffs Büro wird jedoch explizit die Arbeitswelt als Bezugspunkt aufgerufen. Dies bestätigt der Autor in einem Interview:
Es ist eine Analogie […] auf Leben, wo sich Leben und Arbeit nicht mehr trennen lässt [sic!], und das ist auf eine ganz bestimmte Art ein typisches Zeichen der Moderne, dass sie diese Illusion der Freizeit, die sie auch hervorbringt am Anfang, dass sie diese Illusion der Freizeit auch vernichtet, durch das, was dann Arbeitswirklichkeit ist. (Meyer)
Arbeit wird im Roman aber nicht nur, wie von Klein im zitierten Gesprächsausschnitt ausgeführt, als entgrenzt dargestellt, sie wird, wie erläutert wurde, mit Automatisierung, Entfremdung und Ausbeutung der »höchst nützlich gewesenen Idioten« (Klein 291) in Verbindung gebracht. Dystopische Elemente, die üblicherweise eingesetzt werden, um die Strukturen eines autoritären Staats zu illustrieren, wie die Deindividualisierung durch Angleichung des Aussehens und der Denkweise, können in Kleins Text folglich als Überzeichnung einer Unternehmenskultur gedeutet werden, die durch den Aufbau eines Images unternehmensintern Loyalität erzeugen will: » [Das Image] setzt sich zusammen aus Objekten (einheitliche Kleidung, Logos, aber auch der Standort oder das Gebäude), aus Sprache, (Legenden, Geschichten) aus Verhalten (Routinen, Bräuche, Zeremonien) und Gefühlen (Sicherheit, Stolz)« (Henn et al. 196). Gefahren eines Totalitarismus gehen hier nicht von politischen Gruppierungen aus, sondern von einem Wirtschaftssystem, das menschliche Interessen zugunsten unternehmerischen Wachstums unterdrückt. Die Büroler sind dabei dieser im Roman grotesk verlebendigten kapitalistischen Arbeitswelt ausgeliefert, ohne sich dessen zunächst bewusst zu sein.
VanderMeer hingegen rekurriert mit seiner Romanreihe auf den gesellschaftlichen und staatspolitischen Umgang mit Klimawandel und Umweltzerstörung. Der Schauplatz Büro steht hier weniger für die Arbeitswelt ein, sondern symbolisiert Bürokratie sowie Handlungs- und insbesondere Regierungsversagen. Der Verfall der Behörde verweist auf die Unwirksamkeit administrativer Techniken und bürokratischer Methoden der Wissensgenerierung und Herrschaftsausübung in der Auseinandersetzung mit der ökologischen Krise, die »no leader to negotiate with, no stated goals of any kind« (Authority 306) hat. Controls letzte Amtshandlung in der Behörde, kurz bevor diese von Area X übernommen wird, ist hierfür symptomatisch. Er drückt immer wieder – bezeichnenderweise – die Control-Taste ›[strg]‹ des Computers, ohne das gewünschte Ergebnis zu erzielen:
In the afternoon, he turned to Grace’s DMP file […]. Which, because it was a proprietary program, meant that he was clicking Ctrl to go from page to page. Ctrl was beginning to seem the only control he actually had. […] Ctrl Ctrl Ctrl. Always too many pages. Ctrl this. Ctrl that. Ctrl crescendos and arias. Ctrl always clicking past information, because the information he found on the screen seemed to lead nowhere anyway. […] Ctrl only had one role, and it performed that role stoically and without complaint. (ebd. 287)
Das ›Ctrl‹ im letzten Satz des Zitats bezieht sich natürlich auf die Computertaste, es lässt sich jedoch auch als eine Beschreibung des Bürokraten Control lesen, der verbissen an seinen »wrong tools« (ebd. 306) zur Lösung des Problems festhält. Zum anderen steht das Setting Büro, wie ausgeführt wurde, stellvertretend für Kultur und menschliche Zivilisation. Während bei Klein eine Verkehrung der Subjekt-Objekt-Relationen durch die Verlebendigung des Raumobjekts und die Verdinglichung der Büroarbeiter »in eine dienstbare Sache« (Klein 298) zu beobachten ist, strebt VanderMeers Text eine Überwindung der Subjekt-Objekt-Spaltung an. Die Werke über die Southern Reach versuchen, den binären Gegensatz zwischen Natur und Kultur aufzulösen und »one’s [repressed] knowledge of oneself as nonhuman, as much an alien part of a natural world as a plant or a whale« (Carroll) herauszustellen. Beide Texte führen so über den Schauplatz des fantastischen Büros, durch die Verbindung des Profanen mit dem Übersinnlichen, die Begrenztheit menschlicher Episteme vor und rücken das Nichtmenschliche in den Fokus der Betrachtung.
Notes
- Die Verwendung der Begriffe ›Ort‹ und ›Raum‹ orientiert sich an der in der Forschung gängigen Unterscheidung zwischen place (Ort) und space (Raum), die sich wie folgt zusammenfassen lässt: »Place can […] be understood as a relatively fixed, stable, and thus familiar or at least recognizable point, whereas space partakes of the mobile, dynamic, and unfamiliar« (Tally Jr. 18). Ort lässt sich, wie Marie-Laure Ryan darüber hinaus ausführt, als soziales Konzept, Raum als ein mathematisches verstehen (vgl. Ryan 110). Bei Beschreibungen der physikalischen Umgebung und der Einrichtung der Büros wird entsprechend der Raumbegriff verwendet. Büros können folglich je nach Betrachtung sowohl als Ort als auch als Raum beschrieben werden. Für die Analyse der Romane von Klein und VanderMeer spielen insbesondere auch Kippmomente, in denen vertraute Orte zu unvertrauten Räumen werden, eine wichtige Rolle. [^]
- Behörden spielen beispielsweise in H. G. Wells’ A Modern Utopia (1905) oder Franz Werfels Stern der Ungeborenen (1946) eine wichtige Rolle. Die Romanreihe The Laundry Files (2004–) von Charles Stross handelt von einer britischen Behörde, die sich mit dem Okkulten auseinandersetzt. Dabei wird satirisch auf die bürokratischen Aspekte im Umgang mit dem Übernatürlichen eingegangen. [^]
- Die Discworld-Romane Going Postal (2004) und Making Money (2007) von Terry Pratchett, die im Postamt beziehungsweise in einer Bank spielen, können als weitere bekannte Beispiele aus dem Bereich Comic Fantasy genannt werden. [^]
- Vgl. hierzu Müller. [^]
- Vgl. zum Beispiel Elliott O’Donnells Bericht zu einem Spukbüro in Denver in Twenty Years’ Experience as a Ghost Hunter (1916). [^]
- Im Deutschen Wörterbuch der Brüder Grimm steht mit Verweis auf Campe zum Begriff ›Wissenschaftler‹ folgendes: »ein wissenschafter oder gelehrter in verkleinelndem sinne oder verächtlichem oder spottendem verstande« (798). [^]
- Vgl. zum Konzept der verwalteten Welt z. B. folgendes Zitat von Adorno: »[…T]he world appears to most people today more as a ›system‹ than ever before, covered by an all-comprising net of organization with no loopholes where the individual could ›hide‹ in face of the ever-present demands and tests of a society ruled by a hierarchical business setup and coming pretty close to what we called ›verwaltete Welt‹, a world caught by administration« (115). [^]
- Bataille stellt fest, dass der Mensch durch den Eintritt in die Welt der Arbeit zum Ding werde und sich in der Produktion selbst entfremde: »Durch die Einführung der Arbeit trat an die Stelle der Intimität, der Tiefe der Begierde und ihrer freien Entfesselung von Anfang an die rationale Verkettung, bei der es nicht mehr auf die Wahrheit des Augenblicks ankommt, sondern auf das Endresultat der Operationen. Die Arbeit begründete die Welt der Dinge […]. Seit der Setzung der Welt der Dinge wurde der Mensch selbst zu einem der Dinge dieser Welt, zumindest für die Zeit, da er arbeitet. Diesem Schicksal versucht der Mensch zu allen Zeiten zu entkommen.« (87) [^]
- Zu denken wäre hierbei etwa an den Begriff der sogenannten Bullshit Jobs, subjektiv als sinnlos wahrgenommene (Büro)Arbeit, den der Anthropologe David Graeber geprägt hat: »[A] bullshit job is a form of paid employment that is so completely pointless, unnecessary, or pernicious that even the employee cannot justify its existence even though, as part of the conditions of employment, the employee feels obliged to pretend that this is not the case.« (9 f.). [^]
- Vgl. zum Konzept der entgrenzten Arbeit vor allem Voß. [^]
- VanderMeer verweist selbst in einigen Interviews auf die Möglichkeit, Area X als Hyperobjekt zu lesen. Vgl. z. B. das Gespräch zwischen VanderMeer und Morton in der Los Angeles Review of Books (Hageman et al.). [^]
- China Miéville beschreibt »the Weird« als »ab-, not un-canny« (»M. R. James« 113), dessen Monster »teratological expressions of that unrepresentable and unknowable, the evasive of meaning« (»On Monsters« 381) seien. [^]
- Vgl. hierzu zwei Passagen aus Annihilation, in der die Biologin mit einer transformierten Lebensform in Kontakt tritt: »As [the dolphins] slid by, the nearest one rolled slightly to the side, and it stared at me with an eye that did not, in that brief flash, resemble a dolphin eye to me. It was painfully human, almost familiar« (VanderMeer, Annihilation 97). »I can’t shake the sense that [my husband] is still here, somewhere, even if utterly transformed – in the eye of a dolphin, in the touch of an uprising of moss, anywhere and everywhere« (ebd. 194). [^]
- Miéville beschreibt in Anlehnung an Freud das Unheimliche entsprechend als »something which is secretly familiar, which has undergone repression and then returned from it« (»M. R. James« 112). [^]
- So wie bei der topografischen Anomalie in Annihilation begrifflich nicht zu bestimmen ist, ob es sich um einen Turm oder einen Tunnel handelt, stellt sich hier die Frage, ob die nicht mehr als Durchgang zu verwendende Tür überhaupt noch eine Tür ist oder vielleicht doch eine Wand konstituiert. Eine solche räumliche Anomalie tritt erneut auf, als Area X in die Southern Reach einfällt: »Control reached out for the large double doors. […] But there were no doors where there had always been doors before. Only wall« (Authority 288). [^]
- VanderMeer hat bereits 2004 in der Kurzgeschichte »Secret Life« die fantastische Übernahme eines Bürokomplexes durch eine Pflanze beschrieben. Ein Hausmeister wird dabei zu einer grotesken Verbindung aus Mensch und Pflanze: »The vines, the floors, the confined labyrinthine ecosystem that had come to life in the air ducts amidst the insulation, had its own rhythms and patterns. At regular intervals, for example, which he somehow equated with morning, a phalanx of mice would stampede down the vine—running right over him, their feet cold and tiny, their speech a deep chittering that he could swear sometimes held hints of human language. […] He felt himself twisting into the vine itself, so surrounded by leaves and flowers that surely they must sprout from him. At some point, his clothing fell away from him, no longer necessary. He did not pine for the sun or for any other living thing. […] The vine grew stronger still. […] Until one day, it filled every crack, every crevice, every secret area of the building. It had reached as far as it could go. […] The building began to crumble from the pressure, the stone and metal subverted, infiltrated, by vegetation, compromised beyond repair. The cascade of ruin moved inward and outward, everywhere revealing the miracle of green: a slow avalanche that took many weeks« (»Secret Life«). [^]
- Die Akten imitieren den Zustand der durch Area X korrumpierten Notizen der Expeditionsmitglieder, die die Biologin im ersten Roman in einem Leuchtturm findet: »The journals and other materials formed a moldering pile about twelve feet high and sixteen feet wide that in places near the bottom had clearly turned to compost, the paper rotting away. Beetles and silverfish tended to those archives, and tiny black cockroaches with always moving antennae« (Annihilation 111). [^]
Autorin
Alexandra Müller ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Allgemeine und Vergleichende Literatur- und Kulturwissenschaft der Justus-Liebig-Universität Gießen und hat zum Thema »Trauma und Intermedialität in zeitgenössischen Erzähltexten« (2017) promoviert. Ihre Forschung beschäftigt sich vor allem mit Intermedialität, Literatur und Arbeit, Trauma- und Trauerdiskurs. Im Kontext fantastischer Literatur wurden beispielsweise folgende Artikel veröffentlicht: »Heinrich Marschners Oper Der Vampyr: Der Blutsauger zwischen romantischem Held und biedermeierlichem Sünder« (2021), »Teuflische Trucks und verrückte Vehikel – Automobile in fantastischen Spielfilmen und Serien« (2020), »Von wiederentdeckten Werken, ungelesenen Büchern und Schubladen- romanen: Das Motiv des vergessenen Textes in der Gegenwartsliteratur« (2018).
Competing Interests
Die Autorin hat keine konkurrierenden Interessen zu erklären.
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