In seiner Dissertation Zombies in der Kirche. Das Zombie-Motiv als Allegorie der Säkularisierung in The Walking Dead und Fear the Walking Dead nimmt sich Daniel Hercenberger dem Vorhaben an, einen Zusammenhang zwischen der populären Darstellung von Zombies und der Säkularisierungstheorie herzustellen, indem er die im Titel genannten Fernsehserien im Hinblick auf die Forschungsfrage analysiert, »inwiefern der Zombie-Topos als Allegorie der Säkularisierung gelesen werden könnte« (14).
Zu diesem Zweck untersucht er in einem ausführlichen Theorieteil sowohl sakrale Räume als Teil der Kirchenkrise (27–48), die komplexen Ursprünge und Interpretationskontexte von Zombies (49–96) sowie die Säkularisierungsthese (106–109), bevor er diese Themen in zwei weiteren Kapiteln verbindet und vertieft (127–190). Anschließend kombiniert er verschiedene film- und religionstheoretische Ansätze, um eine spezifisch theologische Filmanalyse zu entwickeln (191–208). Diese wendet er nach einem inhaltlichen Überblick der beiden Serien (209–226) auf ausgewählte Szenen, Situationen, Werbeformate und Charaktere der Serien an (227–320), um seine Ergebnisse anschließend kurz und prägnant zusammenzufassen und diese auf seine Forschungsfrage rückzubeziehen (321–332). Dabei kommt er zu dem Ergebnis, dass die Darstellung der Zombies in den The-Walking-Dead-Reihen (The Walking Dead [US 2010–2022, Idee: Frank Darabont], Fear The Walking Dead [US 2015–, Idee: Dave Erickson, Robert Kirkman]) durchaus als Parallele zur Säkularisierung verstanden und interpretiert werden können und dass die Serien deren Folgen auf dramatische Art und Weise inszenieren (325 f.).
Hercenberger führt die verschiedenen Ansätze und Hintergründe bezüglich der Motivik des Zombies im Theorieteil so weit aus, dass er sogar Aspekte erarbeitet, die nur am Rande mit den Zombies in Verbindung gebracht werden können1, wodurch er eine breite Grundlage für seinen Forschungsteil liefert. Die Thematisierung der Säkularisierung hingegen ist auf vier Seiten vergleichend betrachtet stark verkürzt. Dabei reduziert er die Thematik teilweise so sehr, dass auf die Kritik und insbesondere auch die Gegenthese der Säkularisierungstheorie nur am Rande und in Fußnoten eingegangen wird:
Auf die Gegenthese einer Rückkehr der Religion bzw. Wiederkehr der Götter wird hier nicht eingegangen, weil die Säkularisierung mit dem Horrorgenre kontextualisiert werden soll. Die durch die Säkularisierung entstandene Sehnsuchts-Leerstelle wird im Lichte der Wiederkehr der Religion durch einen gewissen Optimismus im Kino durch Filme, welche die Religion oder Mythen thematisieren, aufgegriffen (109, Anmerkung 77).
Das führt dazu, dass die viele Aspekte des Diskurses der Säkularisierungstheorie nicht betrachtet und insbesondere die grundsätzliche Umstrittenheit der Theorie innerhalb des wissenschaftlichen Kontextes (siehe hierfür u. a.: Pollack) nicht deutlich werden. Dabei hätte eine Gegenüberstellung der verschiedenen Thesen in Bezug auf die Serien einen potenziell sehr fruchtbaren Ansatz dargestellt, der zu einer schlüssigeren Argumentation hätte führen können. Ein weiterer Kritikpunkt ist, dass Hercenberger bereits im Theorieteil vereinzelt Kurzanalysen der Serien vorwegnimmt, um seine Standpunkte zu stützen, anstatt diese erst in dem dafür vorgesehenen Analyseteil vorzunehmen.
Madison wurde durch die Destruktion der intakten Gesellschaft ihrer ursprünglichen Funktion als Psychologin – und somit als Repräsentantin eines areligiös – rationalisierten Subsystems, das dem Menschen versucht Stabilität und Hilfe im Leben zu bieten, ihrer pädagogischen Hoheit entmachtet. Unterstrichen wird Madison damit als säkulares Sinnbild in Anlehnung an CG. Jungs Feststellung des Glaubens an die Wissenschaft, weshalb heute Menschen den Psychiatern die Fragen stellen, »die früher in den Bereich der Theologie gehört hätten« (104).
Es kommt hinzu, dass in den Literaturverweisen zu den Szenen der Serien lediglich die Staffel und die Folgen angegeben werden und nicht mit Zeitstempeln o. Ä. gearbeitet wird, was Nachvollziehbarkeit und Überprüfbarkeit erschwert. Es soll an dieser Stelle aber durchaus betont werden, dass Hercenberger im Theorieteil mit einem breiten Wissen überzeugt, bei dem eine leidenschaftliche wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit der popkulturellen Verarbeitung verschiedener religiöser und/oder Zombie-Topoi im Horrorgenre spürbar wird. Dabei beweist der Autor vor allem sein Geschick, eine Vielzahl an Literatur zu spezifischen Aspekten so gegenüberzustellen und zu kontextualisieren, dass daraus ein leicht überschaubarer Einblick in das Feld ermöglicht wird, was insbesondere zu Beginn des dritten Kapitels deutlich wird (49–52). Besonders eindrucksvoll ist die Herleitung der theologischen Filmanalyse, die Hercenberger vorlegt. Dabei verknüpft er bereits vorhandene film- und religionstheoretische Analyseformen so miteinander, dass er einen hermeneutischen Ansatz entwickelt, der möglichst ertragreiche Ergebnisse bezüglich seiner Forschungsfrage erzielen soll und kann (199–202).
Im Analyseteil versucht Hercenberger seinem Theorieteil entsprechend dem hohen Anspruch einer ganzheitlichen Besprechung aller Facetten der Darstellungsweisen gerecht zu werden. Sein Vorgehen und Bemühen dabei sind zwar bemerkenswert, jedoch hätte der Arbeit auch hier gelegentlich eine Fokussierung gutgetan. So fehlt bei der Besprechung des Intro-Soundtracks beispielsweise eine musikwissenschaftliche Grundlage, weshalb die Analyse sehr oberflächlich bleibt und zur Beantwortung der Fragestellung wenig beitragen kann (229). Dies führt leider auch dazu, dass manche Argumentationen, wie beispielsweise die Interpretation eines Kerzenleuchters als nicht nur religiöses, sondern eindeutig christliches Element im Serienintro, zu kurz kommen und daher nicht schlüssig erscheinen (236). Allgemein lässt sich kritisieren, dass eine multireligiöse Betrachtung fehlt, da Religionen jenseits des Christentums fast gänzlich übergangen werden. Gleichwohl schafft Hercenberger es, theologische Inhalte und Reflexionen aus dem Material herauszuarbeiten, die den theologischen Diskurs rund um die Relevanz der Untersuchung von Populärkultur und insbesondere dem Genre des Horrors stark bereichern. Dabei werden nicht nur seine filmtheoretischen Qualitäten deutlich, sondern auch seine bibelwissenschaftlichen, indem er eine schon fast exegetische Einordnung der lediglich in einer Szene kurz erscheinenden Bibelstelle (Offb 16,17) im Kontext der Serie vornimmt (243–246). Die fehlende Auseinandersetzung mit der Gegenthese der Säkularisierung führt dazu, dass interessante Interpretationen außenvorgelassen werden. So beschreibt Hercenberger das Kapellenereignis der ersten Folge der zweiten Staffel folgendermaßen:
So ist auf den ersten Blick anzunehmen, dass auf den Kirchenbänken drei Betende sitzen, die ihren Blick auf die große Christusfigur im Altarraum gerichtet haben […] Schnell offenbart sich jedoch durch ein einsetzendes Krächzen, dass es sich bei den vermeintlich Betenden um Zombies handelt, womit die anfangs spirituelle Stimmung dem Horror gemäß ins Gegenteil verkehrt wird und nun grausige Fratzen in Nahaufnahmen präsentiert werden (248).
Hercenberger zieht hier zwar die Parallele zur Christmette der Toten, dennoch hätte man an dieser Stelle auch aus religionssoziologischer Perspektive weiter ausführen können, warum die Zombies auf den Kirchenbänken einen betenden Eindruck machen. Wäre es möglich anzunehmen, dass selbst Zombies Reststücke von Religiosität in sich tragen und Kirchen weiter Anziehungskraft auch auf sie auslösen können? Dieser Aspekt hätte zu interessanten Ergebnissen führen können.
Den qualitativen Höhepunkt seiner Arbeit bietet Hercenberger dann aber mit der Analyse der Figuren Father Gabriel (263–283) und Nick Clark (300–315), in der er sorgfältig die verschiedenen Lebensstationen der Figuren auf ihre theologischen Topoi untersucht und gekonnt in Verbindung einerseits mit der Theodizee und andererseits mit Identitätskrise und Säkularisierung bringt, wodurch er auch seine theologisch-systematischen Fähigkeiten präsentiert. Dadurch wird deutlich, dass seine Arbeit sich nicht nur auf die pop-theologische Auseinandersetzung mit der Säkularisierungsthese an sich beschränkt, sondern einen ausführlichen theologischen Korpus miteinbezieht. Durch die Verbindung mit der These entstehen Verflechtungen, die insbesondere im Horrorgenre deutlich werden. (277–284).
Es lässt sich festhalten, dass Hercenberger Arbeit trotz einiger Schwächen eine hohe theologische und filmwissenschaftliche Relevanz vorweist, die dazu veranlassen sollte, nicht nur die allgemeine Popkultur mehr ins Zentrum theologischer Auseinandersetzungen zu verlagern, sondern vor allem dem Horrorgenre an sich mehr Aufmerksamkeit zu widmen. Auch wenn man selbst kein:e Vertreter:in der Säkularisierungsthese sein sollte, lohnt es sich, diese Arbeit zu betrachten, da sie viele wichtige Anstöße für die Thematik liefern kann und Freiräume für Diskussionen bietet.
Notes
- Siehe hierfür u. a.: »Die Auftritte der Zombies können entsprechend ansatzweise mit den Totentänzen formal in Verbindung gebracht werden, wobei die Bewegungen der Zombies in keiner Weise der Fröhlichkeit und überbordenden Beweglichkeit eines Totentanzes ähneln« (73). [^]
Autorin
Carolin Puckhaber studiert an der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg den Master of Arts Ökumene und Religionen sowie den Master of Education mit den Fächern Ev. Religion und Mathematik. Am Institut der Ev. Theologie und Religionspädagogik arbeitet sie als studentische Hilfskraft in der Kirchengeschichte für das Fach Latein. Sie ist Gründungsmitglied der Ludobande (Interdisciplinary network of young academics for Game Studies) und im Zentralkomitee des Arbeitskreises Geschichtswissenschaften und digitale Spiele (AKGWDS).
Forschungsinteressen: Theologie & Populärkultur, Religionswissenschaften, Games Studies, Gender Studies.
Konkurrierende Interessen
Die Autorin hat keine konkurrierenden Interessen zu erklären.
Filmografie
Fear The Walking Dead. Idee: Dave Erickson, Robert Kirkman. US 2015–.
The Walking Dead. Idee: Frank Darabont. US 2010–2022.
Zitierte Werke
Pollack, Detlef, »Säkularisierung«. Handbuch Religionssoziologie, Springer, Hg. Detlef Pollack. Springer, 2018, 303–327. DOI: http://doi.org/10.1007/978-3-531-18924-6_12.