Der 2024 erschienene Sammelband Fantasy ­Aesthetics. Visualizing Myth and Middle Ages, herausgegeben von Hans Rudolf Velten und Joseph Imorde, versammelt insgesamt elf Beiträge in englischer Sprache, die sich der Visualisierung des Mittelalters im Kontext von Fantasy-Ästhetiken annähern. Der Band ist interdisziplinär angelegt, um »exchange between approaches in literary studies, art history, and book studies« (15) anzuregen. Ebenso formuliert Velten den Anspruch »to expand and differentiate these observations, to relate them to the iconographic traditions of the fantastic, and thus to better explore and understand the visual aesthetics of Fantasy« (ebd.). Dieser Anspruch, so valide er grundsätzlich ist, deutet dabei bereits schon den versuchten, aber nicht immer gelungenen Spagat des Buchs an, dessen Titel einen recht allgemeinen Ansatz verspricht, das in der Ausführung aber in verschiedener Hinsicht sehr spezialisiert ist.

So beziehen sich die »Fantasy Aesthetics«, die der Band untersucht, nahezu vollständig auf unterschiedliche Formen der Illustrationen von Fantasy-Romanen in einem historisierenden Setting, wobei sich die Leser*innen leider selbst aus dem Zusammenhang erschließen müssen, welches Verständnis von Fantasy und Mittelalter hier jeweils bedient wird, bzw. vor allem, welches nicht bedient wird. Dem Band liegt offensichtlich ein klar europäisch-nordamerikanisch geprägtes Bild von Fantastik und Mittelalterrezeption mit starkem Fokus auf ein paar wenige Autoren wie Tolkien zugrunde. Das wäre für sich genommen nicht automatisch zu kritisieren, allerdings ist es dennoch eine verpasste Chance, diesen Zuschnitt nicht entsprechend sichtbar zu machen, statt ihn als Allgemeinplatz von »Myth and Middle Ages« zu behandeln, wodurch auch der oben bereits angesprochene Spagat nur bedingt gelingt. Ebenso mutet es wie eine etwas merkwürdige Leerstelle an, dass im Kontext von Fantasy-Ästhetiken und ihrem Verhältnis zu Imaginationen des Mittelalters seit dem 19. Jahrhundert einflussreiche visuelle Kulturen wie Comics, Magazine/Fanzines, Filme, aber auch analoge wie digitale (Rollen-)Spiele trotz der mit ihnen verbundenen Buchkulturen keinen eigenen Platz in einem Band gefunden haben, der auf den ersten Blick einen allgemeinen Zugang zum Thema verspricht. Dieser gewählte Zuschnitt ist grundsätzlich legitim und zeigt im Kern auf, wie fruchtbar weiterführende, interdisziplinäre Forschung für das Feld sein könnte, aber auch hier wäre eine konkretere Thematisierung oder wenigstens eine stärkere Betonung des offensichtlich existierenden thematischen und disziplinären Zuschnitts z. B. durch einen präziseren Titel oder eine klarere Begründung des Konzepts in der Einleitung sinnvoll gewesen.

Ähnliches gilt für grundlegende Begrifflichkeiten des Bandes. So operieren die Beiträge immer wieder mit dem Begriff des (neo-)medieval zur Beschreibung von Elementen, die das Mittelalterliche des Untersuchungsgegenstandes erzählen sollen. Dieser Begriff und seine eventuellen Doppelbedeutungen im Rahmen von unterschiedlichen Annäherungen durch die Autor*innen wird allerdings nicht einmal in der Einleitung kritisch eingeordnet und es ist nicht immer klar, ob und welche (Teil-)Definitionen hierzu von Beitrag zu Beitrag deckungsgleich sind. Das mutet angesichts eines Buchs in englischer Sprache zumindest etwas merkwürdig an, da nicht nur, aber auch die englischsprachige Forschung zu Mittelalterrezeption in der Regel recht klar zwischen Begrifflichkeiten wie medieval und medievalist oder sogar neomedievalist unterscheidet1 und sie nicht synonym oder mehr oder weniger austauschbar verwendet. Diese begriffliche Trennung existiert nicht grundlos, sondern soll die nötige analytische Schärfe in der Unterscheidung zwischen der historischen Epoche des Mittelalters und seiner schon seit der Renaissance stark aufgeladenen Rezeption und damit verbundene (pop-)kulturelle Zuschreibungen gewährleisten. Der fehlende Anschluss an diese Diskurse bzw. schon das Fehlen einer Positionierung des Bandkonzeptes zu ihnen im Allgemeinen bleibt so leider eine manchmal mehr, manchmal weniger deutliche Leerstelle, die zu schließen dem Band als Ganzes vermutlich gutgetan hätte.

Diese grundsätzlichen Punkte tun allerdings den einzelnen Beiträgen nicht automatisch einen Abbruch, sondern betreffen häufig primär ihre Rahmung und Positionierung zueinander und damit des Bandes als Ganzes. Positiv hervorzuheben sind Beiträge wie der von Thomas Honegger zur historischen Entwicklung der Visualisierung von Elfen oder der von Judith Klinger zur Kartographie des »Never-Seen« (81) von Fantasy-Welten, die trotz ihrer rein fiktiven Settings durch Karten dennoch immer wieder auf eine Art und Weise aufbereitet werden, die an realhistorische Karten (oder Vorstellungen davon) angelehnt sind. Beide Beiträge betten ihren Untersuchungsgegenstand auf überzeugende Weise in größere kunst- und kulturhistorische Traditionen ein und zeigen so die in mehrfacher Hinsicht historische Verflechtung der Kategorien von Fantasy und Mittelalter auf sehr konkrete Weise auf. Ebenso sind auch Beiträge wie der von Miriam Strieder zu begrüßen, die die Spannung aus Imaginationen von Mittelalter und Marketingstrategien aufgreift und so dazu beiträgt, das Thema des Bandes ganz konkret in den Produktionsbedingungen und Überlegungen von Verlagen zu verankern, die wiederum viele der untersuchten Ästhetiken historisch wie aktuell bedingen.

Somit lesen sich die einzelnen Beiträge insgesamt interessant und bilden unterschiedliche Forschungsinteressen ab, die von ihren Autor*innen teils sehr überzeugend untersucht werden. Eine etwas klarere Rahmung des Bandes als Ganzes mit einer präziseren Positionierung der Sammlung der Einzelbeiträge in den Forschungsfeldern, an die der Band anschließen will, wäre dennoch wünschenswert gewesen, auch um die bewusst gewählte interdisziplinäre und international ausgerichtete Annäherung ans Thema besser zu gewährleisten. Auch vor diesem Hintergrund wäre es vermutlich fruchtbar für das Feld, wenn Fantasy Aesthetics weitere interdisziplinäre Bände mit unterschiedlichen medialen und geographischen Zugängen folgen, die diese Lücken langfristig auch für die Forschung im Allgemeinen zu schließen versuchen.

Notes

  1. Siehe z. B. Matthews; Alvestad und Houghton; Young u. v. m. [^]

Autorin

Aurelia Brandenburg hat Geschichte, Digital Humanities und Cultural Landscapes in Würzburg studiert und arbeitet inzwischen als Doktorandin im SNF-Forschungsprojekt Confoederatio Ludens an der Hochschule der Künste Bern. Ihre Forschungsschwerpunkte liegen besonders in den geschichtswissenschaftlichen Game Studies und der Geschichte digitaler Spiele, meist mit Schwerpunkt auf Gender und Queerness; ihre Dissertation beschäftigt sich mit Männlichkeit im deutschsprachigen Spielejournalismus 1980–2000.

Konkurrierende Interessen

Die Autorin hat keine konkurrierenden Interessen zu erklären.

Zitierte Werke

Alvestad, Karl C. und Robert Houghton, Hg. The Middle Ages in Modern Culture: History and Authenticity in Contemporary Medievalism. Bloomsbury Academic, 2020.

Matthews, David. Medievalism: A Critical History. D. S. Brewer, 2017.

Young, Helen. »Race and historical authenticity: Kingdom Come: Deliverance«. The Middle Ages in Modern Culture: History and Authenticity in Contemporary Medievalism, Hg. Karl C. Alvestad und Robert Houghton. Bloomsbury Academic, 2020, 28–39.

Young, Helen und Kavita Mudan Finn. Global Medievalism: An Introduction. Cambridge University Press, 2022, DOI:  http://doi.org/10.1017/9781009119658.