There is a crack in everything

That’s how the light gets in.

– Leonard Cohen

Es ist sicherlich kein Zufall, dass wir uns nach dem letztjährigen Thema »Verschwörungstheorien« im zweiten Corona-Jahr dem Thema »Hoffnung« widmen. Denn trotz oder gerade wegen einer von vielen als dystopisch empfundenen Gegenwart scheint Hoffnung als zentrales Moment, sowohl ihre Ablehnung als auch ihre Emphase, den Diskurs zu durchziehen. Je unausweichlicher die Katastrophe erscheint, desto weniger, so lässt sich wohl festhalten, können wir uns Hoffnungslosigkeit noch leisten. Doch Hoffnung braucht Mut und Visionen, und wo sind diese zu finden, wenn nicht in der Kunst. Gerade die (permanente) Krise scheint also ein passender Moment zu sein, um darüber nachzudenken, welche Rolle Hoffnung in und für die Fantastik spielt.

Diese Frage stellt sich nicht nur vor dem Hintergrund der allzu oft dystopischen Zukunftsvorstellungen der SF oder auch der Weltentwürfe der Fantasy, sondern auch anhand der anderen Genres der Fantastik, so zum Beispiel dem Horror. In welcher Weise kann Horror hoffnungsvoll sein oder inwiefern spielt Horror mit Hoffnungen? Gleiches gilt auch für den Bereich der Postapokalypse: Wie wird hier beispielsweise gesellschaftlicher Zusammenbruch als eine Voraussetzung für utopische Gemeinschaftsvorstellungen verhandelt? Oder inwiefern besitzen selbst die dystopischen Weltentwürfe des Cyberpunk auch utopische Anteile, zum Beispiel in Fragen der Repräsentation und Anerkennung von LGBTQIA-Figuren? Die Spielumsetzung von The Walking Dead (Studio: Telltale Games/Skybound Games. 2012–2019), die in seiner letzten Staffel statt des immer gleichen negativ gezeichneten Menschenbilds Hobbes’scher Couleur die Zombie-Apokalypse als Möglichkeit einer von den gesellschaftlichen Zwängen der vorapokalyptischen Welt gelösten Gemeinschaftsbildung zuvor Diskriminierter, Marginalisierter und Ausgeschlossener vorstellt, kann als ein solches Beispiel gedacht werden. Ebenso zeigt eine Horror-Serie wie The Haunting of Bly Manor (US 2020, Idee: Mike Flanagan), dass auch die Teile der Fantastik ein Hoffnungspotential besitzen, bei denen man es zunächst nicht vermuten würde. Zwar trägt die Serie vieles zu Grabe, aber nicht die Hoffnung queerer Liebe über den Tod hinaus; zudem lässt sie Gespenster nicht einfach als erschreckende Kreaturen auftreten, sondern vielmehr als Rückkehr verdrängter und marginalisierter Vergangenheiten, die sich auf ihre Art Bahn brechen. Oft sind es solche Szenarien, die etablierte patriarchale Ordnungen unterlaufen, diese sogar zerstören, die inklusive Ordnungen überhaupt erst möglich erscheinen lassen. Genau diesen Möglichkeitsräumen der Hoffnung spürt auch Theresia Heimerl in ihrem Beitrag zu vampirischer Liebe und vampirischem Begehren nach.

Vielleicht hängt die neuerliche Fokussierung auf die Hoffnungspotentiale der Fantastik auch mit einer gewissen Müdigkeit oder eines Überdrusses in Anbetracht der vielen dystopischen Weltentwürfe der letzten Jahre zusammen. Zwischen dystopischer Zukunft und grimdarker Fantasy ergaben sich immer weniger Momente, in denen Fantastik eine Form der Wunscherfüllung oder auch des oft verteufelten Eskapismus sein konnte. Das Lachen des Adels angesichts des Vorschlags zur Demokratisierung am Ende von Game of Thrones (S08E06: The Iron Throne. US 2019, Regie: David Benioff und D. B. Weiss. 2019), die Unentrinnbarkeit aus einer alle Masken fallenlassenden auf Barbarei basierenden Gesellschaft in den Purge-Filmen sowie in den The-Hunger-Games-Büchern und Filmen, die auf Reihe und Dauer geschalteten Gräuel der Technik in Black Mirror (GB/US 2011–2019, Idee: Charlie Booker), die zu reiner Ästhetik gewordenen Cyberpunk-Erzählungen in Games wie Cyberpunk 2077 (Studio: CD Project RED. 2020) lassen Hoffnung als etwas der Fantastik Entgegengesetztes erscheinen. Gerade hierauf reagieren aktuelle Erzählungen, Formate und Trends, nicht aber, indem sie einfach wieder ungebrochene, naive utopische Welten präsentieren, sondern indem sie den Kampf um Veränderung, Anerkennung und letztlich das Überleben als etwas Mögliches präsentieren. Und sie zeigen auch – wie im Fall der vampirischen Liebe –, dass Veränderungen keineswegs nur Voraussetzung einer besseren Zukunft, sondern für viele Menschen bereits notwendige Grundlage einer (über)lebbaren Gegenwart sind. Dass am Ende von Disco Elysium (Studio ZA/UM. 2019), das eine Welt präsentiert, in dem Fukuyamas Ende der Geschichte tatsächlich in seiner ganzen Monstrosität Wahrheit geworden ist, in der die Hoffnung auf Veränderung und Revolution schon längst begraben und alle abseits des Zentrums der Macht stehenden sich selbst überlassen wurden, dennoch die Maiblumen – das Symbol der Revolution – zu blühen beginnen, zeigt, dass der alte Gegensatz von Utopie und Dystopie nicht mehr wirkmächtig zu sein scheint. Die Forderung nach einem Blick, dessen Radikalität gerade im Fokus auf die Zwischenräume und Nischen liegt, durchzieht daher auch die Texte des diesjährigen Forums. So konzentriert sich beispielsweise Isabella Hermanns Beitrag gerade nicht auf das Utopische, sondern vielmehr auf das anti-dystopische Potential der Fantastik. Dies könnte sogar als Rückkehr zu Thomas Morus’ Utopia verstanden werden, ist der Inselstaat im gleichnamigen Werk eben keine Utopie, sondern nur bei weitem weniger dystopisch als die damalige Realität.1 Der große Unterschied besteht aber darin, dass bei Morus das Staatswesen absolut gesetzt wird und das Leiden der Menschen als nötiges Übel angenommen wird Hermanns Ansatz hingegen die Menschen und ihr besseres (demokratisches, freies, faires, inklusives) Zusammenleben in den Vordergrund stellt, eine Form des Anti-Dystopischen also, wie sie zum Beispiel in Kim Stanley Robinsons Büchern New York 2140 (2017) und The Ministry for the Future (2020) zu finden ist.

Besonders deutlich wird das veränderte Verhältnis von Utopie und Dystopie mit Blick auf eine der größten Herausforderungen der Gegenwart – die Klimakrise. Die Fridays-for-Future-Bewegung setzt sich nicht für eine utopische Zukunft ein, sondern für die Möglichkeit, überhaupt eine Zukunft zu haben. Das Aufhalten des Klimawandels ist nicht mehr erreichbar, Überleben, in welcher Form auch immer, damit das höchstmögliche Ziel. Dass diese Verschiebung keineswegs eine Minderung der Radikalität der Forderungen bedeuten muss, zeigt sich an der Untrennbarkeit der Diskursfelder von Klimagerechtigkeit und sozialer Teilhabe. Pointiert lässt sich dieser Nexus in den Schriften Donna Haraways finden, deren Denken und Schreiben genau an den diversen Schnittstellen von Ökologie und sozialer Umwelt operiert. Bezeichnenderweise ist es gerade nicht das Projekt einer neuen Zeit von dem sie schreibt, sondern vielmehr die »Hoffnung auf lebbare Welten« (Haraway 244). Was wie eine Minimalforderung klingt, wird vor dem Hintergrund der enormen Herausforderungen zu einem ambitionierten Vorhaben und mehr noch, umschließt die Überzeugung, dass eben jene lebbaren Welten nicht in Form von ideologischen Großprojekten, sondern nur in immer neuen Verschiebungen des Denkens und Zusammenlebens erreichbar sind – Hoffnung also etwas ist, was in jeder einzelnen Beziehung immer wieder aufs Neue gemeinsam hergestellt werden kann und muss. Damit wird noch eine andere Schnittstelle sichtbar, die zwischen individueller und kollektiver Verantwortung, und damit verbunden zwischen individueller und kollektiver Zeit. So macht es einen großen Unterschied, ob wir von einer lebbaren Welt im Hier und Jetzt oder von einer lebbaren Welt für noch nicht geborene Generationen sprechen. Der Auseinandersetzung mit diesen Fragen und damit Verbunden möglichen Zeitformen eines hoffnungsvollen Denkens in Ursula K. Le Guins The Left Hand of Darkness (1969) geht Leonie Achtnich in ihrem Beitrag nach. Diskursverschiebungen dieser Art schlagen sich auch in zeitgenössischen Formen der Fantastik nieder. So versuchen Bewegungen wie Hope Punk oder Solar Punk den desaströsen Zukunftsaussichten der Menschheit immer noch die Möglichkeit der Hoffnung abzuringen.

Hoffnung für und in der Fantastik ist dabei immer auch eine Frage nach den politischen Implikationen von Fiktion im Allgemeinen. Es ist aber auch eine Frage danach, in welcher Hinsicht Fiktion nicht nur auf inhaltlicher Ebene Hoffnung verhandelt oder darstellt, sondern ob und inwiefern Fantastik selbst in Bezug zu Hoffnung steht oder gar Hoffnung sein kann. Denn wie Laurie Penny schreibt, ist es das »Gebiet der Fantasie«, auf dem auch die Weichen für mögliche zukünftige Gesellschaftsentwürfe gestellt werden, denn »welche Geschichten wir uns zu erzählen erlauben, hängt davon ab, was wir uns vorstellen können« (Unsagbare Dinge 9). Dies macht nur allzu deutlich, dass es so etwas wie eine ›unpolitische‹ Fantastik gar nicht geben kann. In diesem Sinne fordert Judith Vogt in ihrem Beitrag Erzählungen, mit denen die Rezipient*innen hoffnungsvolles Denken, vergleichbar eines Muskels, trainieren können. Und Wenzel Mehnert stellt mit dem Solar Punk ein Genre vor, dass sich als Laboratorium möglicher Zukünfte versteht, indem es andere Möglichkeiten des Zusammenlebens von menschlichen und technischen Entitäten denkbar werden lässt. Damit eine bessere Welt möglich sein kann, wie es Marx und Engels formulieren, muss sie gedacht werden können, müssen wir uns erlauben, sie zu denken – etwas, das auch Lara Fritzsche in ihrem Buch Tiefrot und radikal bunt (2019) als zentrales Desiderat aktueller Politik diagnostiziert. Dass es aber oft nicht die fantastischen oder übernatürlichen Elemente sind, sondern die integrativen und hoffnungsvollen – wie bei dem gerade erschienenen Spiel Life Is Strange: True Colors (Studio: Deck Nine Games. 2021), bei dem nicht die Superkraft der Empathie der Protagonistin Alex Chen als unrealistisch verhandelt wird, sondern die Vorstellung, es könnte eine Kleinstadt in Colorado geben ohne Rassismus und Queerfeindlichkeit –, sollte uns dabei zu denken geben. Gerade mit dem immer wieder behaupteten Trend, dass es inzwischen weniger Erzählungen als Erzählwelten sind, die die Rezipient*innen faszinieren, trägt die Fantastik, ob gewollt oder nicht, dazu bei, dass neue Welten, Zukünfte und Visionen gedacht werden können. Doch die Fantastik bietet nicht nur das konkrete Erleben einer anderen Welt – mit all seinen Möglichkeiten des Weiterdenkens und Fühlens –, sondern auch die befreiende Macht einer Kunsterfahrung, die das Bekannte sprengt, ohne es bereits wieder in eine neue Form zu überführen. So ist beispielsweise der diesjährige Cannes-Gewinner, Julia Ducournaus Titane (FR/BE 2021), ein Film voller Wut und Gewalt, der aber nicht in nihilistischer Verweigerung verharrt, sondern stattdessen mit ganzer Kraft die Grenzen der patriarchalen Ordnung sprengt. In Titanes Chaos scheint noch eine weitere Facette der vielschichtigen Beziehung zwischen Hoffnung und Fiktion auf – die Erfahrung einer Befreiung. Eine Befreiung, die damit einhergeht, mit dem Raum der Fiktion immer auch einen Ort zu betreten, der nicht auf jede Frage schon eine passende Antwort und auf jedes Problem eine fertige Lösung bereithalten muss – möglicherweise aber gerade darin die Grundlage zu deren Auffindung bietet. Auch hier kehren die veränderten Hoffnungsvorstellungen vielleicht zu älteren Merkmalen der Fantastik zurück, die alle Abenteuererzählungen prägen: Hoffnung ist nicht der sichere, sondern gerade der noch ungewisse Ausgang.

In diesem Sinne ist Fantastikforschung schon von Grund auf auch Hoffnungsforschung. Wie sich Menschen zu anderen Zeiten und Orten andere Welten vorstellen konnten, ist ein Indiz für das jeweils denkbar Mögliche und das möglich Denkbare. Schon Aristoteles’ Definition der Dichtkunst, nicht das Wahrscheinliche, sondern das Mögliche zu zeigen, begründet dies, und Michel Foucaults Idee einer immer wieder drastisch veränderten Ordnung der Dinge setzt sie fort. In diesem Sinne lotet Fantastik immer die Hoffnungen und Ängste von Gesellschaften aus und die Fantastikforschung beobachtet mitunter genau dieses Ausloten. Somit diskutiert dieses Forum eben keinen randständigen Bereich, sondern ein zentrales Moment der Fantastik und damit auch der Fantastikforschung.

Autor*innen

Lucia Wiedergrün hat Geschichte und Filmwissenschaft an der Freien Universität Berlin studiert und ist derzeit Promotionsstudentin der Kolleg-Forschungsgruppe Cinepoetics – Poetologien audiovisueller Bilder an der FU Berlin. Sie forscht im Rahmen ihrer Arbeit zum Verhältnis von abstrakten Zeitkonstruktionen und konkreter filmischer Erfahrung. Sie ist Mitherausgeberin der Zeitschrift für Fantastikfoschung. Neben der Fantastik gehören Auseinandersetzungen mit Naturdarstellungen und Überwachungsdispositiven im Film zu ihren Forschungsinteressen.

Dr. Tobias Unterhuber studierte Neuere deutsche Literatur, Allgemeine und Vergleichende Literaturwissenschaft und Religionswissenschaft in München und Berkeley. 2018 promovierte er mit der Arbeit Kritik der Oberfläche – Das Totalitäre bei und im Sprechen über Christian Kracht. Er ist Post-Doc am Institut für Germanistik, Bereich Literatur und Medien an der Leopold-Franzens-Universität Innsbruck. Er ist Herausgeber der Zeitschrift PAIDIA sowie der Zeitschrift für Fantastikforschung. Forschungsinteressen: Popliteratur, Literaturtheorie, Diskursanalyse, Literatur & Ökonomie, Gender Studies, Medienkulturgeschichte und kulturwissenschaftliche Computerspielforschung.

»They’ll wait a hundred years or five hundred«: Individuelles und kollektives Hoffen in Ursula K. Le Guins Roman The Left Hand of Darkness

Leonie Achtnich

Ursula K. Le Guins Roman The Left Hand of Darkness2 ist vor allem für seine Darstellung androgyner Menschen auf dem Winterplaneten Gethen im fiktiven Hainish-Universum bekannt. Le Guins literarische und kontrovers diskutierte Ausgestaltung eines alternativen Geschlechterverständnisses stellt ein wesentliches Merkmal ihres Schreibens dar: das Erproben von Weltmodellen, die sich von dem unsrigen unterscheiden. Ein vor diesem Hintergrund wenig beachteter Aspekt des Romans ist seine Gestaltung alternativer Hoffnungskonzeptionen. In Anbetracht der Tatsache, dass die Besiedelung des Weltraums heute als Exitstrategie für einen akut gefährdeten Planeten diskutiert wird, bietet das im Roman entwickelte Verhältnis von individueller und kollektiver, von planetarischer und intergalaktischer Hoffnung Anlass, nach dem Aktualisierungspotenzial solcher literarischen Weltmodellierungen zu fragen.

Die Verbindung von Hoffnung und Zeit ist ein wesentlicher Aspekt vieler Hoffnungskonzepte. Das spiegelt sich schon im Alltagsgebrauch des Wortes wider: Das Digitale Wörterbuch der deutschen Sprache (DWDS) etwa definiert Hoffnung als die »zuversichtliche Erwartung, dass etwas geschehen wird, zuversichtlich Annahme«. Das Oxford English Dictionary (OED) hebt auch die Wunscherfüllung hervor, die im Begriff steckt: Hoffnung (hope) sei die »[e]xpectation of something desired; desire combined with expectation«. Beiden Definitionen gemeinsam ist die Unsicherheit in Bezug auf die zukünftigen Ereignisse: Gehofft werden kann nur da, wo nicht gewusst wird. Gerade diese Verbindung von Zeit und Wissen lässt die Betrachtung von Hoffnungsdarstellungen in Texten, die alternative oder zukünftige Weltmodelle entwerfen, fruchtbar erscheinen.

Mit den Parametern von Hoffnung arbeitet auch Le Guin in ihrem intergalaktischen Gedankenexperiment LHD. Indem sie ihre Handlung in ein alternatives Universum mit anderen Voraussetzungen von Zeit und Wissen verlagert, verschiebt sie die Zeitbezüge von Hoffnungskonzepten. Denn die Protagonisten sind nicht an die menschliche Lebenszeit in unserem Sinne gebunden und können durch Zeitsprünge das individuelle Leben ausdehnen, wodurch Zeitvorstellungen und -konzepte relativ werden. Das führt dazu, dass das einzelne Leben keine verlässliche Größe mehr für die Handlungen des Individuums und die langfristigen Ziele der Gemeinschaft darstellt. Mit dieser Relativierung von Zeitkonzepten hebelt Le Guin in der fiktiven Welt ihres Romans das Verhältnis von verfügbarer Zeit und Zukunftserwartung aus und setzt ihre Hoffnungsszenarien unweigerlich mit denen der Leser:innen, also den unsrigen, in Kontrast. Dabei handelt es sich nicht um eine Zukunftsversion. Die Autorin betont: »This book is not about the future« (LHD xviii); sie hebt stattdessen dessen Funktion als »thought-experiment« (ebd.) hervor. Ihre eher skeptische Haltung gegenüber Genrezuschreibungen kommt in der Einleitung zu einem ihrer Kurzgeschichtenbände so zum Ausdruck: »You want genre? I’ll give you genre. […] Miniaturized Realism, Geriatric Realism, Californian Realism, Oregonian Realism, and Uncompromising Realism; Surrealism; Mythological Fantasy, Temporal Fantasy, Vegetable Fantasy, Visionary Fantasy, Revisionary Fantasy, Real Fantasy … « (»Introduction« vii).

Der Roman stellt also nicht die Zukunft dar oder behauptet, Zukunftswissen zu vermitteln, sondern nutzt das Medium fiktionalen Erzählens zur Entfaltung des Möglichen. Als Gedankenexperiment kann der Roman die Frage der tatsächlichen zukünftigen Realisierung offen lassen und verschiedene Szenarien durchspielen, die die Zukunft des Einzelnen, des Planeten und der Menschheit betreffen und die dennoch mit dem Lebenshorizont der Leser:innen verbunden sind. Denn das Hainish Universum, in dem die Handlung von LHD angesiedelt ist, hat mit dem unsrigen genug gemeinsam, um Relektüren vor dem Hintergrund aktueller Debatten zu ermöglichen. Gerade wegen »[Science fiction’s] ability to articulate complex and multifaceted responses to contemporary uncertainties and anxieties« (Wolmark 156) laden solche alternative Weltentwürfe dazu ein, den Blick zu schärfen für die aktualisierte Position vor dem jeweiligen Kontext der Neulektüre. Diese Art der Wiederentdeckung gerade von SF-Texten, »a genre that is preoccupied with space and time« (Wolmark 159), ist derzeit populär – besonders im Hinblick auf die Darstellungen von Klima und Klimawandel (z. B. Eriksen und Gjerris 227). Auch LHD nimmt sich ein Thema vor, das heutige Debatten bestimmt: Das Verhältnis des Einzelnen zum Kollektiv vor dem Hintergrund gemeinsamer Zukunftserwartungen.

Der Lesehorizont hat sich gerade im Hinblick auf das menschliche Verhältnis zum All seit dem Erscheinen vor über fünfzig Jahren stark verändert. Im Roman werden die Weltraumfantasien der Entstehungszeit reflektiert, und damit auch der Wettlauf ins All der 1950er- und 1960er-Jahre, der einen Wettstreit zwischen den Nationen auslöste. So betrat der erste Mensch im Erscheinungsjahr des Romans, 1969, den Mond. Im Text findet sich das Echo der damit verbundenen Hoffnungsszenarien in Bezug auf ein kollektives Weiterleben auf anderen Planeten. So spielt der Roman in einer technologisch deutlich weiter fortgeschrittenen Welt: Im fiktiven Hainish-Universum machen schnelle Schiffe, Zeitsprünge und Kommunikationswege eine Besiedelung von Galaxien möglich, die Lichtjahre auseinanderliegen. In diesem Universum leben die Ekumen, eine intergalaktische Gemeinschaft von 83 Planeten und ihren Bewohnern, die im Namen des materiellen Austauschs und friedvollen Kontakts (und im Namen Gottes) andere Planeten kontaktiert und de facto kolonisiert (LHD 34).

LHD erzählt die Geschichte eines solchen Beitritts: Der Abgeordnete Genly Ai befindet sich auf dem Planeten Gethen und sucht dessen Königreiche von den Vorteilen der Union der Ekumen zu überzeugen. Dabei gerät er in eine innerplanetarische Auseinandersetzung, denn Gethen befindet sich in einer politischen Krisensituation. Seine Königreiche rüsten auf und scheinen damit den Krieg – für den es auf Gethen bislang nicht einmal ein Wort gab – überhaupt erst zu erfinden (18, 102, 143). Genly hält seine Beobachtungen und die Ereignisse in Aufzeichnungen fest, die später gesammelt und mit Zeugenberichten versehen den Ekumen zur Verfügung gestellt werden. In seiner Gegenüberstellung von lokalen (planetarischen) und globalen (intergalaktischen) politischen Auseinandersetzungen und dem im Romanverlauf entwickelten Versuch einer Gemeinschaftsbildung reflektiert der Roman einen Konflikt von persönlicher und gemeinschaftlicher, von individueller und kollektiver Erwartungshaltung, wie er sich auch in heutigen Debatten über die Zukunft der Menschheit auf dem Planeten und jenseits davon findet.

Relative Zeitkonzepte

In Le Guins Universum ist die Zeit relativ. Das zeigt sich vor allem im Gespräch Genlys mit den Königen des monarchischen und bürokratischen Planeten Gethen. Als der König sich in einem diplomatischen Gespräch der Zusammenarbeit verweigert und damit droht, den Abgesandten des Planeten zu verweisen, erklärt Genly: »Why, I’ll go. I might try again, with another generation« (36). Seine Lebenszeit gehorcht offenbar anderen Gesetzen als die des Königs, wie in seiner Erklärung deutlich wird:

If I left Gethen now for the nearest world, Ollul, I’d spend seventeen years of planetary time getting there. Time-jumping is a function of traveling nearly as fast as light. If I simply turned around and came back, my few hours spent on the ship would, here, amount to thirtyfour years; and I could start all over. (28)

Es zeigt sich also, dass es unterschiedliche Zeitrechnungen und Zeitempfindungen gibt und dass ›Lebenszeit‹ unter den Bedingungen des intergalaktischen Lebens nicht absolut, sondern relativ ist. Der Handlungsraum von Genly überschreitet die Zeitspanne eines menschlichen Lebens, wie es der König von Gethen – und die Leser:innen – gewohnt sind. Im Roman wird die dynamische Natur der Zeit somit zu mehr als einer physikalischen Zukunftsträumerei. Sie bietet ein Werkzeug gegen Tyrannei, Diktatur und die Willkür des Einzelnen: Das Warten kann politische Verhandlungen ersetzen, weil es, relativ betrachtet, zeitlich nicht ins Gewicht fällt. Die Ekumen als interstellare Gemeinschaft haben viel Zeit zur Verfügung, daher ist es nicht von Belang, wann sie ihre Ziele erreichen. Dem König von Gethen werden die Grenzen seiner Macht vom technologischen Fortschritt vor Augen geführt: »his power is threatened, his kingdom is a dust mote in space« (17). Die Ekumen erhoffen sich den Beitritt von Gethen also in einem Zeitrahmen, der kollektiv und langfristig gedacht ist: »The Stabiles of the Ekumen are very patient men, sir. They’ll wait a hundred years or five hundred for Karhide and the rest of Gethen to deliberate and consider whether or not to join the rest of mankind« (16).

Gegen die Zeitrechnung der Ekumen wiegt das Leben des Einzelnen wenig. »My own survival doesn’t matter all that much« (293), so hält es der Abgesandte in seinen Notizen fest. Diese Gegenüberstellung einer Jetzt-Zeit mit einer zeitlosen Hoffnung auf Erfüllung lässt eine Nähe zu religiösen Diskursen und christlichen Erlösungsszenarien erkennen. Tatsächlich wird der Sinn der Gemeinschaft der Ekumen auch als »an attempt to reunify the mystical with the political« (135) bezeichnet. Le Guin schlägt mit ihren kollektiven Hoffnungsvorstellungen somit einen Bogen von religiösen Jenseitsvorstellungen zu Science-Fiction-Visionen vom ewigen oder zumindest ausgedehnten biologischen Leben. Zugleich aber verweist sie auf die Problematik dieser Vorstellungen, die als »false hint of immortality« (36) trügerisch seien: Die Unsterblichkeit bezieht sich nicht auf tatsächlich gelebte Zeit, sondern nur auf die Möglichkeit, über Zeitsprünge auch eine ferne Zukunft in den Bereich des eigenen Lebens zu rücken. Damit werden starre Zeitkonzepte aufgelöst: Die Erwartungshaltung in Bezug auf die Zukunft – und damit die Hoffnung – kann sich verändern. Was aber bestehen bleibt, ist der Konflikt zwischen dem individuellen Leben und dem kollektiven menschlichen Überleben: »but time is the thing that the Ekumen has plenty of … You don’t, said the interior voice, but I reasoned it into silence« (28). Die Entgrenzung der Zeit schafft ein Missverhältnis zwischen dem Hoffen des Einzelnen und der Zukunftserwartung der Ekumen: Während für die beiden Protagonisten Genly und seinen Verbündeten Estraven persönliche Hoffnung (»personal hope«) im Vordergrund steht, entwirft Le Guin die Gemeinschaft der Ekumen – und damit der Menschheit – als eine Größe, die das Wohl des Einzelnen übersteigt.

Zukunftswissen

Nur durch die Ungewissheit in Bezug auf die Zukunft entsteht die Erwartung, die Hoffnungskonzepte wesentlich prägt. Das Dreieck von Nichtwissen, Hoffen und Handeln bestimmt auch LHD, nur wird hier schnell deutlich, dass Le Guin das Verhältnis problematisiert. Auf Gethen ist die Zukunft nicht ungewiss, denn ein Orakel kann sie gegen Bezahlung voraussagen. Auch der Abgesandte Genly macht davon Gebrauch: »Will the world Gethen be a member of the Ekumen of Known Worlds, five years from now?« (62). Da die Wahrsager seine Frage bejahen, wird den Leser:innen der Ausgang der Handlung bereits zu einem frühen Zeitpunkt vermittelt, was das Hoffen obsolet macht: Wo Wissen herrscht, ist Hoffnung unnötig. Die ›Foretellers‹ formulieren das dadurch entstehende Spannungsverhältnis selbst aus: »Unproof is the ground of action. […] The only thing that makes life possible is permanent, intolerable uncertainty: not knowing what comes next« (70). Le Guin führt damit den zweifelhaften Nutzen von Zukunftsvoraussagen vor Augen. Denn das Orakel verspricht ein Zukunftswissen, das bei Erscheinen des Romans und erst recht heute mit fortschreitenden wissenschaftlichen Methoden erreichbar erscheint: Mithilfe von Statistik und Technologien ist die Zukunft teilweise voraussagbar, wodurch sich auch das Verhältnis von Hoffen und Handeln verschieben müsste. Im Roman aber geschieht das nicht. Da der Status der Antwort dem Glauben an das Orakel unterliegt und die Antworten zudem das Leben des Einzelnen nicht in Betracht ziehen – ob Genly den Beitritt miterleben wird, bleibt unklar –, wirkt sich zusätzliches Wissen kaum auf das Handeln der Protagonist:innen aus.

Individuelle und kollektive Hoffnung

Der Konflikt zwischen kollektiver und individueller Hoffnung wird im Romanverlauf herausgestellt. Für Genly und seinen einheimischen Verbündeten Estraven sind die intergalaktischen Pläne von wenig Belang, denn sie erhoffen sich die Erfüllung der Wünsche in der eigenen Lebenszeit. Estraven, der ehemalige Minister des bockigen Königs, formuliert den eigenen Hoffnungshorizont so: »I speak merely out of personal hope« (16). Aus der Gnade gefallen, steht er Genly zur Seite und will den Beitritt seines Planeten zur Sternenunion beschleunigen, was er schließlich mit dem Leben bezahlt. Harold Bloom erkennt in der Einleitung zu dem von ihm herausgegebenen Sammelband zu LHD das Hoffnungspotenzial dieser Figur gerade in ihrem Verhältnis zur Zeit: »[he] hastens the future« (Bloom 7). Die Figur Estraven verweist darauf, dass Hoffnung in einem Spannungsverhältnis zwischen der kollektiven Zeit der Menschheit und der individuellen Zeit des Einzelnen steht. Le Guin entwickelt diesen Konflikt vor dem Hintergrund eines ausführlichen Zukunftswissens und einer von der unmittelbaren drängenden Zeitlichkeit enthobenen Gesamtsituation. Der Mittelteil des Romans fokussiert intensiv auf die ›personal hope‹ der beiden Protagonisten Genly und Estraven, während sie sich gemeinsam durch die Eiswüste des Planeten kämpfen. Dieser Teil des Romans ist nicht nur eine theoretische Erkundung von Freundschaft, sondern stellt auch eine Relativierung kollektiver Hoffnungskonzepte dar. Er lenkt den Blick weg von den vermeintlich zeitlosen Zielen der Ekumen hin zum täglichen Fortschreiten der Freunde auf der Eisfläche und der Hoffnung auf Essen, Obdach und gutes Wetter. Durch diese Unsicherheiten auf der Handlungsebene baut der Roman auch jenseits des großen Hoffnungsbogens Spannung auf, die wiederum mit dem Nichtwissen der Leser:innen spielt: »It is the pure storyteller’s sensibility that induces in the reader a state of uncertainty, of not knowing what comes next« (Bloom 3). So verschieben sich die Grenzen des Hoffens vom Metaphysisch-Politischen zum Individuellen, wie es Genly in seiner Beschreibung der Beziehung zu seinem Freund und Verbündeten Estraven vermittelt: »it is individual, it is personal, it is both more and less than political« (259).

Aktualisierte Hoffnungshorizonte

Der Konflikt zwischen kollektiver und individueller Hoffnung, wie ihn Le Guin vor dem Hintergrund ihres Hainish-Universums entwirft, ist aktualisierbar, gerade weil sich die beiden Hoffnungsparameter Wissen und Zeit als wandelbar herausstellen. Die Möglichkeit, Zukunftswissen zu generieren, hat sich seit der Romanveröffentlichung verändert: Die Lebenserwartung steigt, Prognose-Fähigkeiten versprechen (kontroverses) Zukunftswissen, die Besiedelung des Weltraums und damit die Hoffnung, der eigenen planetarischen Konfliktsituation zu entgehen, werden diskutiert. Auch das Verhältnis von kollektiver und individueller Zeit hat sich verschoben. Während die Visionen vom Leben im All voranschreiten, tritt die begrenzte planetarische Zeit drängender in den Vordergrund und das Wohl des Einzelnen muss sich an jenem der Gemeinschaft messen lassen.

Le Guins Entwurf einer Welt, in der die Hoffnungen des Individuums mit denen des Kollektivs in Konflikt geraten, ist somit ein literarisches Experiment, das eine bestimmte Konstellation von Hoffnungsparametern erprobt. Das Aktualisierungspotenzial der heutigen Lektüre dieser Darstellung einer spezifischen – fiktiven – Konstellation von Zeit, Wissen und Hoffnung liegt nicht in einer möglichen dystopischen oder utopischen Ausrichtung des Romans. Vielmehr bietet es sich an, die Eigenarten dieser Welt zu erkennen und mit denen der eigenen ins Verhältnis zu setzen. Bei der Lektüre von LHD messen die Leser:innen die verschiedenen Hoffnungskonzepte der Protagonist:innen immer auch an den Parametern ihres Universums. Das politisch brisante Verhältnis von kollektiver und individueller Hoffnung, wie es Le Guin in ihrem alternativen Weltentwurf zeichnet, ist rein fiktiv, ein Gedankenexperiment. Aber bei der heutigen Lektüre wird dennoch deutlich, wie viel drängender der Faktor Zeit für die Frage nach dem Verhältnis zwischen dem Wohl des Einzelnen und dem Wohl der Gemeinschaft vor dem aktuellen Lesehorizont geworden ist: Anders als die Ekumen haben wir keine hundert oder fünfhundert Jahre Zeit, um auf eine Lösung der planetarischen Krisensituation zu hoffen.

Autorin

Leonie Achtnich ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Peter Szondi-Institut für allgemeine und vergleichende Literaturwissenschaft an der Freien Universität Berlin. Sie studierte Komparatistik in Berlin und in Verona und war für einen Forschungsaufenthalt an der Harvard University. Ihre Dissertation erschien 2020 unter dem Titel Literatur im Fieber. Zur Poetik der Temperaturen bei Conrad, Woolf, Joyce und Th. Mann. In ihrem neuen Forschungsprojekt geht sie Fragen von Gemeinschaft und Kollektivität zwischen Literatur und Grammatik in Romanen des 18. Jahrhunderts nach.

»Take me away from all this death!« Vampirische Existenz als Hoffnungsort von Frauen, Kindern und Menschen alternativer Sexualität.

Theresia Heimerl

1 Hinführung

In Francis Ford Coppolas Literaturverfilmung Bram Stoker’s Dracula aus dem Jahr 1992 ermutigt, um nicht zu sagen nötigt, Mina Harker den Vampirgrafen aus dem wilden Osten Europas, als dieser zögert, sie zu beißen und so zur Vampirin zu machen, mit den Worten: »Take me away from all this death!«

Die vampirische Existenz, vor der Dracula Mina aus Liebe bewahren will, erscheint der jungen Frau als Sehnsuchtsort, als einzige Hoffnung, dem Tod zu entkommen. Coppola verdichtet in dieser Szene erstmals in aller Deutlichkeit, was sich bereits in den frühen literarischen Werken über das Vampirdasein, die dieses zu einem Motiv des fantastischen Erzählens machen, unter der Textoberfläche und manchmal auch knapp darüber finden lässt: Der Vampir oder die Vampirin ist für sein oder ihr Opfer nicht nur Monstrum, sondern verkörpert Hoffnung: Zunächst einmal ganz augenscheinlich die Hoffnung auf Unsterblichkeit abseits traditioneller christlicher Versprechen. Darüber hinaus aber sind es auch andere Hoffnungen und Sehnsüchte, für die der Vampir, die Vampirin stehen, die als Überschreitung von gesellschaftlichen und körperlichen Grenzen zusammengefasst werden können. Diese alternative Lesart von Vampirerzählungen schlummert seit ihren Anfängen im 19. Jahrhundert oftmals nur ganz knapp unter der Textoberfläche oder später, als der Vampir die Kinoleinwände erobert, hinter den bewegten Bildern. Die Faszination, ja Sympathie für die Vampire und das Bedauern darüber, dass sie letztlich ihren Jägern, den Repräsentanten der herrschenden patriarchalen Ordnung, zum Opfer fallen, legen bereits Théophile Gautier und Sheridan Le Fanu ihren ›Opfern‹ vampirischer Verführung derart in den Mund, dass auch Leserinnen und Leser mit dem Vampir, der Vampirin die Hoffnung auf einen Ausbruch aus den allzu engen Grenzen zu Grunde gehen sehen – und wohl auch bedauern. Seit den 1970er-Jahren wird der alternative Subtext des Vampirnarrativs zunehmend offenkundiger, wagen es Autorinnen und Regisseure, die ›Moral‹ der wiederhergestellten Ordnung wegzulassen oder zumindest deren Fragwürdigkeit offenzulegen. In diesem Beitrag soll es um jene Hoffnungen gehen, die vampirische Existenz für all jene Menschen bietet, die nicht am oberen Ende traditioneller Hierarchien konventioneller Ordnung stehen: zuallererst und von den Anfängen des Vampirs als literarischer Figur an, sind dies Frauen und Menschen mit alternativer sexueller Orientierung. Mit Fortschreiten und Fortschreiben des Narrativs wird der Vampir auch zum Hoffnungsträger für sozial Deklassierte und Kinder als weitgehend ohnmächtige Menschen in einer Welt der Erwachsenen.

Die Hoffnungsorte, für die der Vampir steht oder die er eröffnet, werde ich in drei Themenbereiche zusammenfassen, die einander oftmals überschneiden oder ergänzen: Unsterblichkeit, Geschlecht(errolle) und Sexualität sowie körperliche und soziale Gerechtigkeit.

2 Unsterblichkeit

Der Vampir bricht durch seine bloße Existenz das Monopol der (christlichen) Religion auf die Unsterblichkeit und damit die vielleicht größte Hoffnung des Menschen. Die vampirische Unsterblichkeit ist zugleich eine rein säkulare Form der Unsterblichkeit, die kein Jenseits mehr braucht, sondern eine unbegrenzte Existenz im Diesseits verspricht. Der Vampir ist in seiner bloßen Existenz eine Provokation für die vermeintlich endgültigste binäre Unterscheidung von Tod und Leben. Er überschreitet diese Grenze nicht bloß temporär, er ist die permanente Verkörperung dieser Grenzüberschreitung und damit Infragestellung einer gott- und naturgegebenen Ordnung. Die Unsterblichkeit des Vampirs und der Vampirin ist nicht, wie das christliche Versprechen auf eine ewige himmlische Existenz, an moralische Verhaltensweisen geknüpft. Der Vampir verkörpert jene Form von Unsterblichkeit, die sich viele Menschen heute insgeheim erhoffen: Ewiges Leben im Diesseits ohne je zu altern oder sonstwie körperlichem Verfall ausgesetzt zu sein. Hierbei geht es um mehr als bloße Ästhetik: Vampire sind alterslos in dem Sinn, dass Alter als visuelle und soziale Ordnungskategorie für sie nicht mehr existiert. Besonders augenfällig wird dies da, wo Kinder oder Jugendliche in eine vampirische Existenz wechseln und so traditionelle Hierarchien der Unmündigkeit bloßlegen. Der Vampir kann seinem Opfer schenken, was in der westlichen Tradition Gott vorbehalten ist: Erlösung vom Tod und ewiges Leben. Der Tod, den Mina Harker in ihrer eingangs zitierten Bitte meint, hat allerdings mehr als eine metaphysische und körperliche Bedeutung, er meint auch die Enge ihrer sozialen Existenz als Ehefrau eines Anwaltsgehilfen im spätviktorianischen England. Letztlich ist nicht der Vampir der lebende Tote, sondern Mina und ihr Umfeld, das sie buchstäblich einsperrt und vom Leben fernhält. Der Vampir hingegen verspricht Hoffnung auf ein Leben in Leidenschaft und Freiheit: »[…] life eternal, everlasting love, the power of the storm and the beasts of the earth«. Diese Hoffnung verbindet Mina auch mit anderen Figuren ganz unterschiedlicher Vampirnarative. Schon der junge Priester Romuald in Théophile Gautiers »La morte amoureuse« (1832) lebt mit seiner vampirischen Geliebten ein Leben wie im Rausch, das er vor ihr nicht gekannt hat und nach ihr nie mehr haben wird – sein Sarg, aus dem er nicht mehr entkommen wird, ist das Kloster. Ähnlich, wenn auch in einem ganz anderen Setting, lebt Oscar, der kindliche Protagonist von Let the Right One In (So finster die Nacht, SE 2008, Regie: Tomas Alfredson): In einer schwedischen Sozialsiedlung der 1970er-Jahre, gemobbt von seinen Mitschülern, erwartet ihn kein ›Leben‹, bevor er den Vampir Eli kennenlernt. Die Hoffnung auf eine Existenz jenseits von Verfall und Tod, die der Vampir verspricht, ist dermaßen verführerisch, dass sie in alten Texten und bis in den Film der 1970er-Jahre hinein mit starken moralischen Verurteilungen belegt werden muss: Widernatürlich und verabscheuungswürdig sei so eine Existenz, urteilen die Vampirjäger, die sich selbst zu Herren über ›richtiges‹ Leben und ›richtigen‹ Tod bestimmen und die Hoffnung auf ein anderes ewiges Leben gar nicht erst aufkommen lassen wollen.

3 Geschlecht(errolle) und Sexualität

Der Vampir ist zugleich eine Vampirin, er oder sie könnte aber genauso einen geschlechtsneutralen Artikel oder wie heute ein Gendersternchen führen. In seiner imaginären literarischen und auch filmischen Existenz bleibt lange unklar, ob er überhaupt primäre Geschlechtsmerkmale besitzt oder ob seine Erscheinungsform als Mann oder Frau nicht ebenso der Notwendigkeit oder Laune des Moments entspringt wie andere Erscheinungsformen als Tier oder Schatten. Vampir ist somit ein Speziesbegriff, der für alle denkbaren Geschlechter verwendet wird oder auch die Möglichkeit einer bisher ungedachten Form von Geschlecht offen lässt. Klar ist hingegen, dass er in seinem Begehren heteronormative Grenzen ebenso überschreitet wie jene konventioneller Sexualität. Die Erfindung des Vampirs als literarische Figur fällt nicht zufällig in jene Epoche, als die Geschlechtergrenzen bis ins Detail ausdefiniert und Frauen zu ›angels in the house‹ stilisiert wurden. Vampirische Existenz bedeutet seit ihren imaginierten Anfängen immer auch die Hoffnung auf ein Dasein jenseits von traditionellen Kategorien wie Geschlecht und sexueller Orientierung sowie den damit verbundenen gesellschaftlichen Erwartungshaltungen. Der Biss des Vampirs ist nicht einfach Metapher für sexuelle Penetration, er ist eine Form von Intimität, die gänzlich frei vom Geschlecht der beiden beteiligten Personen möglich ist und zugleich Initiation in eine andere Existenz, in der solche Intimitäten existieren. Nicht immer und erst recht nicht in der über Jahrzehnte meistrezipierten und zitierten Vampirgeschichte, Bram Stokers Dracula aus dem Jahr 1897, ist die Beziehung zwischen Vampir und Opfer herrschaftsfrei, oft ist sie mit einer sadistischen Erotik der Dominanz aufgeladen, in welcher der Mensch mittels Hypnose durch den Vampir, die Vampirin seines Willens beraubt wird. Doch bereits die frühen filmischen Inszenierungen von F. W. Murnau (Nosferatu – Eine Symphonie des grauens, DE 1992) oder Tod Browning (Dracula, US 1931) lassen ihre weiblichen Protagonisten den Vampir bei geöffnetem Fenster sehnsuchtsvoll erwarten. Lange vor jedwedem Diskurs über Political Correctness betritt der Vampir das Schlafzimmer nur nach ausdrücklicher Einladung, »like a good assertive feminist«, wie Nina Auerbach (144) es trefflich formuliert – und es ist nicht ohne Ironie, dass ausgerechnet der engelhafte Edward Cullen in Twilight (Twilight – Biss zum Morgengrauen, US 2008, Regie: Catherine Hardwicke) dieses Gebot missachtet und ohne Zustimmung im Schlafzimmer der Begehrten steht. Der Vampir verführt zu einer Beziehung ohne Verpflichtungen zu Haushalt und Reproduktion sowie Lust ohne Hemmungen, die seine weiblichen ›Opfer‹, selbst zum Vampir geworden, an den Tag legen dürfen, bis auch sie Opfer der männlichen Jagdgesellschaft werden.

Der Vampir kann in diesem Szenario auch eine Vampirin sein. In der Erzählung »Carmilla« (1872) von Sheridan Le Fanu verliebt sich die fiktive Erzählerin in die titelgebende Vampirin Carmilla. Für diese Erzählerin, selbst minderjährig und gefangen in der Obhut des Vaters und seiner Freunde, allesamt Vertreter der patriarchalen Ordnung ihrer Zeit, wir die mädchenhafte Vampirin Carmilla, die eine Zeit lang bei ihr wohnen darf, zu ihrer einzigen Hoffnung auf ein Leben in weiblicher Freundschaft und zarter erster Erotik. Die mysteriöse Gästin erweckt Gefühle, die es in der Welt der Erzählerin nicht geben darf und an die sie sich noch lange, nachdem der Vater und seine Freunde Carmilla in ihrem Grab zerstört haben, sehnsuchtsvoll erinnert. Die Vampirin hat zumindest den Möglichkeitsraum queeren Begehrens einen Spalt breit geöffnet, auch wenn aus der Hoffnung bloße Erinnerung geworden ist – es hat diese Form von in jeder Hinsicht undenkbarer und unaussprechlicher Liebe gegeben und folglich kann es sie auch wieder geben.

Nicht immer überquert das weibliche vampirische Begehren Grenzen der Heteronormativität, wohl aber hebt es durch die Fähigkeiten der Vampirin die traditionellen Geschlechterrollen auf: Die Vampirin ist ebenso wie der Vampir stärker und mächtiger als menschliche Männer, sie verkörpert die geheime Hoffnung so vieler Frauen: Nachts in den dunkelsten Ecken der Stadt nicht Verfolgte, sondern Verfolgerin zu sein, sich mit Leichtigkeit jeden männlichen Angriffs erwehren und diesen bestrafen zu können. Das Spiel mit männlichen Erwartungen, die in der vermeintlichen Überlegenheit des Geschlechts beruhen, gehört von der zur Vampirin gewordenen Lucy in Stokers Dracula bis zu Jessica in True Blood (US 2008–2014, Idee: Alan Ball) zu den beliebtesten Motiven des Vampirgenres, weil es ein für Leserinnen und Seherinnen hoffnungsvolles ›Was wäre, wenn ich die Stärkere wäre‹ eröffnet. Die Imagination der Vampirin lässt aber noch andere Entwicklungen zu, wenn der männliche Protagonist es tut: Arash in A Girl Walks Home Alone at Night (US 2015, Regie: Ana Lily Amirpour) kann mit der Vampirin gewalttätige, korrupte Männer wie seinen Vater und dessen Drogendealer und deren tote Welt, in der sich tatsächlich die Leichen stapeln und die unschwer als ein dystopischer Iran zu dechiffrieren ist, hinter sich lassen und in eine andere Zukunft fahren: Die Vampirin, der junge Mann und die gemeinsame Katze im Auto auf einer nächtlichen Straße, die ins Unbekannt führt – ein schöneres Bild der Hoffnung auf eine Existenz jenseits von Geschlechterrollen und Speziesgrenzen bietet kaum ein Vampirfilm und auch sonst wenige.

4 Körperliche und soziale Gerechtigkeit

In der Vampirin wird besonders deutlich, wie der Vampir zu einer Hoffnung für all jene werden kann, die in ihrer realen Gesellschaft keine Macht haben oder gar Gewalt erleiden müssen. Dem Vampir werden übermenschliche Fähigkeiten wie Stärke, Schnelligkeit, Verwandlung in unterschiedliche Gestalten zugeschrieben, unbeschadet seiner scheinbaren körperlichen Konstitution. Was einen männlichen Vampir wie Dracula zu einem dunklen Übermenschen macht, verleiht Frauen und Kindern die Möglichkeit, als vampirische Wesen die ihnen durch den Körper, aber auch die damit einhergehenden gesellschaftlichen Zuschreibungen gesetzten Grenzen zu überwinden. Mehr noch, ihre geheime Hoffnung, keine Opfer der Stärkeren zu sein, sondern sich wehren und mindestens ebenso gewaltvoll Rache nehmen zu können, wird im Vampir Wirklichkeit. Einerseits ist es die Hoffnung, im Vampir oder der Vampirin einen Partner gefunden zu haben, der die Beziehung gegen alle Bedrohungen verteidigen und die Welt zumindest ein klein wenig besser machen kann. Das hier keineswegs nur das konventionelle Damsel-in-Distress-Motiv wiederbelebt werden muss, wie in Twilight, zeigt neben dem schon erwähnten A Girl Walks Home Alone at Night, wo die Vampirin frauenverachtende Männer mit dem Tod bestraft, besonders schön Let the Tight One In. Hier werden die Hoffnung auf Ausbruch aus der eigenen engen Existenz als Außenseiter und Hoffnung auf Rache an den gleichaltrigen Peinigern mit der Hoffnung auf Freundschaft und gegenseitige Hilfe verwoben: Weder Elis Vampirsein samt der für Menschen letalen Nahrungsbeschaffung noch ihre unklare sexuelle Identität – Eli gibt sich in einer ganz kurzen Szene als verstümmelter Junge zu erkennen – schrecken Oscar ab. Im Gegenteil, er ist von ihr fasziniert und fasst Selbstvertrauen, beginnt, sich zur Wehr zu setzen. Letztlich aber bedarf es Elis, um seine Hoffnung auf Freiheit von Mobbing und Gewalt Wirklichkeit werden zu lassen: Als Oscar im Schwimmbad beinahe ertränkt wird, tötet Eli den Täter und seine Komplizen brutal, das Wasser färbt sich rot. Ähnlich wie in A Girl Walks Home Alone at Night fahren beide gemeinsam weg, hier mit dem Zug, »in eine offene Zukunft. Oder gar ein Happy-End […]?« (Heimerl 464).

Noch radikaler wird diese Hoffnung auf Umkehrung der Machtverhältnisse und der damit einhergehenden Möglichkeit auf Rache für erlittene Gewalt dort, wo ein Mensch selbst zum Vampir wird. Am eindrücklichsten zeigt dies der kindliche Vampir, wie ihn Eli verkörpert, dieser stellt die radikalste Umkehrung realer Machtverhältnisse dar: Das unmündige, übersehene, wie im Fall von Eli, aber in gewisser Weise auch von Oscar missbrauchte und von Gewalt betroffene Kind ist nun Erwachsenen überlegen, es kann ihnen Gewalt antun und ihre selbstsichere, scheinbare Überlegenheit für sich nutzen, um sie nun zu Opfern zu machen – was Eli, anders als die Kindvampirin Claudia in Anne Rice’ Interview with the Vampire (Interview mit einem Vampir 1976), nur zum Überleben und um Oscar zu beschützen tut.

Die vampirische Existenz als Hoffnungsort für jene, die in ihrem Leben Opfer von Gewalt und sozialer, familiärer oder gar politischer Unterdrückung sind, spannt sich als erzählerischer Bogen über viele Texte und Filme und lässt uns zu der eingangs zitierten Mina Harker zurückkehren. Sie will nicht einfach vom Vampir beschützt oder gerettet werden, sondern wie er sein: Unsterblich, frei zu begehren, wen oder was sie will, und mächtig genug, sich von niemand befehlen oder überwältigen zu lassen.

5 Schlussbemerkung

Der Vampir ist kein strahlender Erlöser, der sich Hoffnung für die Menschheit auf die Fahnen geschrieben hat. Seine Existenz ist ein dunkler Hoffnungsort für all jene, die sich und ihre Sehnsüchte in den Hoffnungsorten des herrschenden Weltbildes nicht wiederfinden. Ursprünglich der Imagination entstiegen, um den Ängsten dieses herrschenden Weltbildes Gestalt zu verleihen, sind vampirische Wesen zu Repräsentanten alternativer Existenzen geworden, die zumindest im Dunkel der Nacht möglich sind. Wussten Männer wie Théophile Gauthier, Sheridan LeFanu und Bram Stoker, dass sie mit den Ängsten der einen die geheimen Hoffnungen der anderen beschreiben, die Coppola und junge Regisseure und Regisseurinnen nach ihm ins Licht der Leinwand holen? Man kann es vermuten, sonst hätten sie wohl ihre dunklen Geschöpfe nicht mit so viel Faszination ausgestattet, ihre Protagonisten nicht so sehnsuchtsvoll das Fenster öffnen lassen.

Im Vampir und in der Vampirin stirbt die Hoffnung nicht zuletzt, sie ist unsterblich.

Autorin

Theresia Heimerl, geboren 1971, Studien der Deutschen und Klassischen Philologie und Katholischen Theologie in Graz und Würzburg (Dr. phil., Dr. theol.); 2003 Habilitation im Fach Religionswissenschaft, seitdem außerordentliche Professorin für Religionswissenschaft an der Universität Graz; Arbeitsschwerpunkte: Europäische Religionsgeschichte, Körper – Gender – Religion, Religion und Film/TV.

Hope Is a Muscle – Hopepunk und Utopie in der Science Fiction

Judith C. Vogt

1 Die Vorstellungskraft in der Krise

Die Futuristin Monika Bielskyte beklagt in ihrem »Protopia Futures [Framework]«: »The dominant historical narratives within both entertainment media and education have brought on a crisis of our collective futures imagination«.

Die SF, die sich stets damit schmückte, dass sie die Gegenwart in die Zukunft vorandachte, ist ratlos, wenn es um die Herausforderungen der Klimakrise geht. Wie der Elefant steht die nahende Katastrophe im Raum, und verformt fast alle Near Future zur Dystopie und selbst den überwiegenden Teil der Space Operas zum Exodus fort von einer verwüsteten Erde.

Das hat natürlich eine funktionelle Berechtigung: SF trifft immer Aussagen über die Gegenwart im Gewand der Zukunft. Sie nimmt dabei gleichzeitig einen warnenden und unterhaltenden Standpunkt ein, ohne dass dadurch ein Widerspruch entsteht – diese vermeintliche Dichotomie ist sogar charakteristisch für das Genre.

In den 2010-Jahren kippte die Stimmung in der SF-Literatur von wenigen hoffnungsvollen Ausnahmen wie beispielsweise Becky Chambers’ Romanen und Novellen abgesehen, wahrnehmbar ins Dystopische. Die globalen Herausforderungen und die komplexen Probleme scheinen zu groß, als dass SF eine mögliche Antwort oder gar einen Plottwist in unserem Streben zur Katastrophe auf Lager haben könnte. Diese Stimmung verschärft sich in den 2020-Jahren bereits, und auch das verwundert nicht: Ganz aktuell prognostiziert der Weltklimarat einen Anstieg der Temperatur um 1,5 Grad bis 2030 (Tagesschau 2021) – das ist so bald, dass so gut wie niemand mehr hoffen dürfte, die Auswirkungen nicht am eigenen Leib zu spüren. Trotzdem halten Konservative weltweit an der Nach-mir-die-Sintflut-Haltung fest und die Ölindustrie befeuert (sorry, pun intended) die Resignation ganz gezielt, denn Menschen, die ohnehin glauben, nichts mehr ändern zu können, werden auch ihren Lebensstil nicht umstellen. Konservative und liberale Parteien setzen darauf, dass schon irgendwann irgendwer irgendeine tolle Technik erfinden wird, die das CO2 wieder aus der Luft saugt. ›Technik wird es schon lösen‹ gepaart mit fortgesetztem Nichtstun. Wie gut der Erfindungsgeist des Kapitalismus große Krisen bewältigt und weltweit Solidarität vor allem mit dem globalen Süden schafft, hat uns jetzt anderthalb Jahre lang die Pandemie gezeigt. Mein Fazit fällt recht ernüchtert aus – obwohl ich Anfang 2020, ähnlich wie Laurie Penny (»This is not the Apocalypse«), noch die Hoffnungen hegte, dass die Pandemie auch Motor für positive Transformation sein könnte (vgl. Vogt).

2 Es ist einfach, sich das Ende der Welt vorzustellen

Kein Wunder, dass es das nicht so richtig einer Urheberschaft zuzuordnende Zitat gibt: »It’s easier to imagine the end of the world than the end of capitalism.«3 Ich denke, die Krise der kollektiven Vorstellungskraft, die Monika Bielskyte anprangert, ist vor allem darauf zurückzuführen, dass wir uns a) kein anderes Gesellschaftssystem als das kapitalistische vorstellen können – mit dem Zusammenbruch der UdSSR wurde beispielsweise von Francis Fukuyama (1992) und Lutz Niethammer (1989) postuliert, dass die menschliche gesellschaftliche Entwicklung mit der liberalen Demokratie am »Ende der Geschichte«, dem sogenannten Telos angekommen ist, und b) wissen, dass der Kapitalismus für unseren Planeten ein Todeskult ist. Wenn SF-Autor*innen a und b zusammenzählen, kommen dabei Dystopien und Postapokalypsen heraus.

»System change not climate change« fordern auch die Demonstrationen von Fridays For Future, aber die Rufe nach Systemwandel verhallen ungehört und werden als jugendlicher Leichtsinn abgetan. »Aus irgendeinem Grund ist das Klimathema […] plötzlich zu einem weltweiten Thema geworden«, stellte Armin Laschet 2019 bei Anne Will fest – wie lästig für alle, die erfolgreich den Kopf in den Sand stecken! Wer das nicht will, sitzt in einem Loch, das von Faktoren, die größer sind als man selbst – immer tiefer gegraben wird, und aus dem einzelne Konsumentscheidungen keinen Ausweg bieten. Radikale Änderungen des Systems und unserer Lebensweise sind unumgänglich, aber der Wille dazu ist nicht da – zumindest nicht unter denen, die Einfluss, Geld und Privilegien haben. Wen wundert es, dass wir nicht einmal mehr fiktionale Auswege sehen und uns auch in unseren Zukunftsvisionen in der nihilistischen Faszination und dem Zelebrieren einer nahenden Katastrophe ergehen? Eine andere Erzählung, wie Julia Fritzsche sie in ihrem Buch Tiefrot und Radikal Bunt: Für eine neue linke Erzählung fordert, ist wie die Anstrengung eines Muskels, den wir haben verkümmern lassen.

Die SF ist dabei durchaus geeignet, einen solchen Muskel zu trainieren. Sie ist in der Lage, unsere Traumata und Ängste abzubilden und fiktional zu verarbeiten und uns dabei unterhalterischen Thrill zu verschaffen. Das Genre lebt davon, dass das Publikum schwierige Themen zusammen mit all dem Rasanten, Abenteuerlichen in sich aufnimmt – oftmals als Zwischentöne. Aber wenn alle Zwischentöne nur vermitteln, dass wir verloren sind und es keinen Ausweg gibt, dass Gewalt, Kriege und Katastrophen unsere nahe Zukunft bestimmen werden – was nehmen wir daraus mit, wenn nicht eine Bestätigung der allgemein herrschenden Hoffnungslosigkeit?

Ingo Cornils beschreibt das in seinem Artikel »Dark Mirrors: German Science Fiction in the 21 Century« im bald erscheinenden Band New Perspectives on Contemporary German Science Fiction als »dunkle[n] Spiegel« oder Zerrspiegel. In ihrer mahnenden Funktion zeigt uns die SF eine Zukunft (aus den Konflikten der Gegenwart entwickelt), die wir fürchten und meiden sollen. Sie will Widerstand dagegen hervorrufen. Sind wir jedoch nur von Zerrspiegeln umgeben, fehlt uns die Alternative. Der dunkle Spiegel verschattet unseren Blick oder lässt uns gar eine neue, scheinbar erstrebenswerte Ästhetik aus dem ableiten, was wir sehen. In ihrem bekannten TED-Talk warnt die nigerianische Autorin Chimamanda Ngozi Adichie vor der »Danger of a Single Story«. In ihrem Talk dreht sich dieses Konzept um einseitige Repräsentation und den europäischen und nordamerikanischen Blick auf den Rest der Welt, doch die »Single Story« als beschränkender Mechanismus kann auch auf Zukunftsvisionen Anwendung finden. Hören wir immer nur die eine Geschichte – oder Geschichten mit gleichen Botschaften und Zwischentönen, so verfestigt sich in uns die Ahnung der Unausweichlichkeit. Wir bewegen und trainieren den Muskel nicht, mit dem wir hoffnungsvolle Erzählungen erschaffen könnten. Perspektivenvielfalt jedoch kann uns mit einem fiktionalen Fitnessgerät ausstatten, um unseren Hoffnungsmuskel zu trainieren und den Herausforderungen der Zukunft zu begegnen.

3 Spekulation kann harte Arbeit sein

Meist ist uns nicht bewusst, dass wir uns in fiktionale Einbahnstraßen begeben haben. Ein Beispiel dafür ist die technische Singularität – eine echte künstliche Intelligenz. Schon lange phantasieren und prognostizieren wir sie, meist mit den gleichen oder sehr ähnlichen Ergebnissen: Sie wird uns erst wie eine Rettung erscheinen (Technik wird es schon lösen!) und wird dann die Macht übernehmen und uns im besten Fall knechten und im schlimmsten Fall auslöschen. Wir haben zwar noch nie eine KI kennengelernt, sind uns aber alle relativ einig, dass sie uns wohl vernichtenswert finden wird. (Ähnlich verhält es sich übrigens mit Aliens).

Unterliegt unsere Vorstellungskraft also einer Lust daran, zugrunde zugehen? Einer nach wie vor fest verhafteten christlichen Ethik, dass wir den Kollaps eigentlich verdient haben als Strafe für unsere Sünden dem Planeten gegenüber – oder einem Freud’schen Todestrieb? »Mankind is a virus«, verkündeten viele am Anfang der Pandemie (und hofften dabei doch sicherlich, dass andere dahingerafft würden, aber nicht sie selbst). Und wenn wir uns erst einmal wirklich keinen Ausweg vorstellen können, wenn unsere Vorstellungskraft uns wirklich nur den Kataklysmus lebendig, facettenreich und in allen Einzelheiten ausmalen kann, können wir dann vielleicht wenigstens dem ›Danach‹ Facettenreichtum, Lebendigkeit und, ja, Hoffnung verleihen?

Im Sachbuch Scatter, Adapt, and Remember entwirft Annalee Newitz eine Art kurzfristigen Pessimismus und langfristigen Optimismus. Newitz stellt das Leben auf der Erde als Aneinanderreihung von Kollapsen und disruptiven Transformationen dar – nichts ist ewig, und angesichts von geologischen Zeitspannen ist sicher: politische Systeme sind sterblich, und es gibt immer ein Danach.

Wie soll das aussehen? Wenn sich eine neue Gesellschaft die Asche des Kapitalismus aus den Lumpen klopft, was wird dann entstehen? Können wir einen Twist erzählen, der uns Hoffnung fürs Heute gibt? Der uns motivieren kann, unsere eigenen düsteren Phantasien zu widerlegen? Es hat ja auch etwas Hoffnungsvolles, das Verstreichen von dystopischen Near-Future-Momenten zu erleben – Nineteen Eighty-four ist Vergangenheit, ebenso die Apokalypse der ersten Mad-Max-Filme.

4 Das Prinzip Hoffnung

Eine literarische Gegenbewegung zum Kataklysmus-Voyeurismus ist der Hopepunk, zu dem auch der neuste Mad Max – Mad Max: Fury Road (US/AU 2015, Regie: George Miller) – gezählt wird. Den Punk-Genres (mit Cyberpunk und Steampunk als prominentesten Vertretern) wird häufig vorgeworfen, ihnen fehle das Punkige, die Silbe sei zu einer bloßen Worthülse verkommen. Ich sehe das anders: Alle Punk-Genres haben einen antikapitalistischen Kern – die Kritik an Turbokapitalismus im Cyberpunk, die ›Love the machine, hate the factory‹-Einstellung des Steampunk. Solarpunk entwirft eine nachhaltige Zukunft und ist mit seiner Verbindung von Ästhetik und grünem Futurismus definitiv Punk. Und auch Hopepunk, der als Begriff von Autor*in Alexandra Rowland definiert wurde, ist Punk, und Punk’s not dead! Hopepunk macht radikales Mitgefühl und Solidarität zum Widerstand. In Hopepunk-Storys geht es nicht um den einzelnen strahlenden Helden und auch nicht darum zu beweisen, dass alle Menschen egoistisch sind und einander letztlich im Stich lassen werden. Es geht darum zu zeigen, dass Widerstand und Vergeschwisterung intersektional verschränkt sind und dass es kleine Work-in-progress-Utopien im Miteinander geben kann, auch inmitten um sich greifender Dystopie. Die utopische Gemeinschaftsbildung kann, wie in »Der Kommende Aufstand« beschrieben, anarchistische Züge haben:

Die Gemeinschaft ist das, was passiert, wenn Wesen sich finden, sich verstehen und beschließen, zusammen ihres Weges zu ziehen. Die Gemeinschaft ist vielleicht das, was sich in dem Moment entscheidet, an dem man sich üblicherweise trennen würde. Sie ist die Freude der Begegnung, die ihr eigentlich vorgeschriebenes Ersticken überlegt. Sie ist das, was macht, dass man sich »wir« nennt und dass das ein Ereignis ist. (Unsichtbares Komitee 80)

Diese Gemeinschaft kommt ohne Staatenbildung aus und kann sich in der Ablehnung dessen den Theorien von Anarchist*innen wie Michail Bakunin und Emma Goldman anschließen: »Der Staat [dient] einzig und allein dem Schutz von Eigentum und Monopol« (Bakunin und Goldman 46) und dient letztlich nicht den Menschen – nur den Besitzenden. Analog zur direkten Aktion des Anarchismus fordert Hopepunk Aktivismus – in der Fiktion, doch darüber hinaus im eigenen Leben. Und damit bietet er dringend nötige Zwischentöne von Hoffnung und Selbstermächtigung. Und trainiert unseren Hoffnungsmuskel!

Ernst Bloch sprach, ohne natürlich den Begriff Hopepunk zu kennen, von der »konkreten Utopie«: Eine Utopie taugt nichts, wenn sie zu groß ist, wenn sie eine Lösung für alles finden und bieten will. Wenn sie nach Endgültigkeit strebt. Sie braucht einen kleineren Rahmen, und sie braucht Fehlerfreundlichkeit. Ich denke, wir lassen zu oft den Gedanken an Utopisches sausen, weil damit die Ahnung von Unmöglichkeit verbunden ist: ›Es ist ja utopisch‹ bedeutet im übertragenen Sinne: ›Das ist unerreichbar.‹ Meiner Meinung nach muss unser Wunsch nach einem besseren, nachhaltigen Leben nachjustierbar sein für neue Herausforderungen und neue Marginalisierungen, die entstehen können. Wenn Utopie ein ›Work in Progress‹ ist, besteht auch nicht die Gefahr, dass des einen Utopie des anderen Dystopie ist.

5 Neue Spielfelder

Die SF ist das Genre, das sich auf dem größten Spielfeld austobt. Trotzdem erweist sie sich oft als erstaunlich und betrüblich regelkonform. Denn es ist einfach, eine SF-Story zu erzählen. Mehr Arbeit ist es, sich mit diesen Genre-Regeln vertraut zu machen, sie zu durchschauen und in Frage zu stellen – und letztlich die Regeln zu brechen, die Fiktion zu lange zurückgehalten haben. Das ist eine Aufgabe, der sich die vom deutschsprachigen SF-Autor James A. Sullivan umrissene »Progressive Phantastik« (Sullivan und Vogt) stellt. Progressive Phantastik ist, wie Hopepunk, literarischer Aktivismus, Arbeit an den Storys jenseits der Single Story. Das kann sich auf den Inhalt beziehen, auf die Repräsentation, aber auch auf die Form und kann beispielsweise Games genauso umfassen wie Literatur und visuelle Medien.

Gegen die Dystopie und das Sich-mit-der-Dystopie-abfinden anschreiben (und anlesen) ist ein radikaler Akt. Dabei ist es ebenso hinderlich, Unterhaltungsliteratur als unpolitisch zu begreifen, wie eine künstliche Trennung in E- und U-Literatur vorzunehmen. Auch und gerade die Unterhaltungsliteratur hat die Möglichkeit und die Verantwortung, uns dabei zu helfen, die Krise, in der unsere gesamtgesellschaftliche Vorstellungskraft steckt, zu überkommen – und unseren Hoffnungsmuskel zu trainieren, ohne uns dabei falschen Optimismus oder gar eine heile Welt vorzugaukeln.

Eine weitere Alternative zur alten Dystopie-Utopie-Dichotomie bieten die Protopia Futures der eingangs erwähnten Monika Bielskyte. Dabei bilden Wörter wie ›proactive‹ und ›prototype‹ ein Kofferwort mit Utopia – Bielskyte legt außerdem Betonung auf ›Futures‹, im Plural: Um die Vorstellungskrise zu überwinden, muss menschliche Unterschiedlichkeit zur Entfaltung kommen. Technik und Innovation müssen zwingend mit Race, Gender, Klasse, Alter, Kultur und Bedürfnissen zusammengedacht werden. Auch hier spricht Bielskyte von einer falschen Binärität (Binäritäten sind ohnehin stets skeptisch zu betrachten!): Auf der einen Seite das Silicon-Valley-Technikutopia, nur zugänglich für Eliten, auf der anderen Seite die hoffnungslose Klimakrisenperspektive mit gewaltsamen Konflikten im globalen Süden und an den Festungsmauern des globalen Nordens. Science-Fiction und Futurismus haben sich zu lange auf Technik fokussiert, ›Hard SF‹ mit ihrem Fokus auf Ingenieurswissenschaften der SF vorgezogen, die mit gesellschaftlichen Entwicklungen experimentiert. Technologien müssen mit der Gesellschaft verzahnt sein, um etwas Lebenswertes zu erschaffen. Und Zukünfte und Phantasien brauchen den Plural: Nur dann entsteht aus vielen Zerrspiegeln ein fraktales Buntglas, das uns viele Möglichkeiten zeigt. Damit es uns bald leichtfällt, uns das Ende des Kapitalismus ohne das Ende der Welt vorzustellen.

Autorin

Judith Vogt (geb. 1981) brennt für die drei großen F Fantastik, Fechten, Feminismus. Manchmal allein, manchmal mit Co-Autor Christian Vogt schreibt sie Fantasy- und Science-Fiction-Romane, mit Lena Richter podcastet sie beim »Genderswapped Podcast« zu feministischen Themen im Pen&Paper-Rollenspiel. Sie übersetzt, lektoriert und schreibt Rollenspiele und journalistische Texte (zum Beispiel auf TOR-Online). Sie ist Mit-Herausgeberin von Roll Inclusive, einem Essayband zu Repräsentation im Rollenspiel, und von Queer*Welten, dem ersten deutschsprachigen queerfeministischen SFF-Magazin. Ihr neuster Roman, Anarchie Déco, eröffnet einen hoffnungsvollen Twist im Berlin der 1920er-Jahre.

Solarpunk – Technik-Utopien der Gegenwart

Wenzel Mehnert

In Anbetracht der aktuellen Herausforderungen wie Klimawandel, einer globalen Pandemie, kaskadierender Naturkatastrophen und vielem mehr sehen die Vorstellungen für die Zukunft düster aus.4 Der Zustand erinnert an real gewordene Dystopien aus SF-Geschichten. Ein Gefühl, das ein unbekannter Buchhändler in seinem Schaufenster wie folgt ausgedrückt hat: »Please note: The post-apocalyptical fiction section has been moved to Current Affairs.«5

Doch zwischen den vielen Dystopien, die auf dem verwüsteten Nährboden des Anthropozän verwelken, entspringt ein Keim der Hoffnung: Solarpunk. Die junge SF-Bewegung betreibt Zukunftskritik und greift unsere Unfähigkeit an, Zukünfte jenseits von apokalyptischen Visionen oder längst überholten Cyberpunk-Klischees zu denken. Solarpunk wird somit zum Ausdruck einer anti-dystopischen Haltung und zum Seismografen für die Hoffnungen unserer Zeit. Im Kern versteht sich die Bewegung als politisch und sieht sich in der Tradition des innovativen Widerstands, indem sie neue Vorstellungen für den kollektiven Umgang mit neuen Technologien entwickelt, das Beziehungsgeflecht zwischen Mensch-Maschine-Natur anders denkt und damit Visionen für einen hoffnungsvollen Blick auf eine Zeit jenseits der Katastrophe etablieren möchte.

Was ist Solarpunk?

Der Neologismus ›Solarpunk‹ ist eine Kombination aus Solarenergie und dem SF-Subgenre Cyberpunk. Während Solar- für die Entwicklung von nachhaltigen Technologien steht (z.B. Solarpanel oder Elektromobilität), verweist -punk in diesem Kontext auf subversives Denken, den Widerstand gegen etablierte Strukturen und den Kampf um Autonomie. Ähnlich wie Cyberpunk versteht sich Solarpunk als künstlerisch-politische Bewegung und damit als mehr als nur ein literarisches Genre. Es lässt sich als ein semantisches Gewebe begreifen, das Ideen und Wertvorstellungen einer positiven Zukunft in verschiedene Formate übersetzt. Unter dem Titel »Solarpunk wants to save the world« fasst Ben Valentine diese Bewegung wie folgt zusammen:

Solarpunk is a literary movement, a hashtag, a flag, and a statement of intent about the future we hope to create. It is an imagining wherein all humans live in balance with our finite environment, where local communities thrive, diversity is embraced, and the world is a beautiful green utopia. (Valentine)

Ein wichtiger Bestandteil dieser Bewegung ist der metatextuelle Diskurs in Gestalt von Podcasts, Artikeln und Diskussionen in verschiedenen Online-Communities. Dieser Diskurs trägt maßgeblich zur Aufmerksamkeit und Selbstfindung der Bewegung bei – teilweise mehr als die eigentlichen Solarpunk-Fiktionen selbst: »there is much more written about solarpunk than there is solarpunk fiction itself« (Ulibarri, »Preface« 2018, 2). In diesen Metatexten werden Solarpunk-Fiktionen als Blaupausen für eine Menschheit beschrieben, die den Herausforderungen des Anthropozäns auf der Basis von humanen Werten entgegentreten. Als historische Vorbilder werden Werke wie Ursula Le Guins The Dispossesed oder Ecotopia (1975) von Ernest Callenbach genannt. Solarpunk präsentiert Hoffnungen statt Resignation und grenzt sich inhaltlich wie ästhetisch vom namensverwandten SF-Subgenre Cyberpunk ab: »Our futurism is not nihilistic like cyberpunk […]: it is about ingenuity, generativity, independence, and community.« (8. Paragraph des Solarpunk Manifests).

Solarpunk-Geschichten

Die bisher erschienen Bücher, die sich selbst dem Genre zuordnen, lassen sich an einer Hand abzählen. Die häufigsten Werke sind dabei Kurzgeschichtensammlungen, die bei kleinen, unabhängigen Verlagen erschienen sind.6 Einer der wichtigsten Vertreter ist der amerikanische Verlag World Weaver Press (WWP), der durch die Arbeit der Verlegerin Sarena Ulibarri dem Genre eine Plattform verschaffen hat. Zu dem Katalog von WWP zählen unter anderem die beiden Glass-and-Gardens-Anthologien, die Sammelbände Solarpunk Sommers und Solarpunk Winters sowie die Übersetzung der brasilianischen Kurzgeschichtensammlung Solarpunk (Lodi-Ribeiro). Letztere erschien in der Originalsprache bereits 2012 und ist damit der erste Sammelband, der sich mit dem Begriff schmückt.

Ein zentrales Motiv der Geschichten ist dabei der hoffnungsvolle Blick in die Zukunft, oft markiert durch den Einsatz von neuen Technologien und gesellschaftlichem Zusammenhalt. Ein gutes Beispiel dafür ist die Kurzgeschichte »The Wandering Library« von D. K. Mok. Zusammen mit der Protagonistin besuchen die Leser*innen eine Stadt, die zum großen Teil im Meer versunken scheint. Doch entgegen der niederschlagenden Vorstellung von überschwemmten Metropolen, wie man sie vielleicht aus Roland Emmerichs The Day After Tomorrow (US 2004, Regie: Roland Emmerich) kennt, zeichnet Mok, eine hoffnungsvolle Welt des Neuanfangs:

The Isle of Sunken Stars had been a glamorous city once, all glass spires and towering apartments, a playground for starlets and moguls. But decades ago, the levies had failed and the sea had claimed its due, twenty meters deep. Now, the roads were open ocean, and the towers were islets of steel and marble, repurposed by the resourceful. Walkaways and flying foxes criss-crossed between buildings, and every roof was crowned with humid forests. I breathed in the fragrance of spices and fresh papaya, and our coracle taxi paddled past a glass skyscraper that had been converted into a conservatory, dense with bananas and sweet potatoes. […]

I stepped out into a sunwashed loft, the panoramic windows edged with silver thread – the only hint at their dual nature as transparent solar converts. (Mok, »Wandering Library« 58)

Mok zeigt uns, dass ein Leben nach der Katastrophe möglich ist und wie wir durch Urban Farming und Solartechnologien ein neues Verhältnis zu unserer urbanen Umwelt entwickeln können. Durch die wortgewandten Beschreibungen schafft sie es wie kaum ein/e andere/r Autor*in aus den oben genannten Sammelbänden den/die Leser*in geschickt in ihre Welt zu ziehen, sowohl auf dramaturgischer wie auch auf diegetischer Ebene.

Das gelingt ihr ebenso in der Kurzgeschichte »Spider and the Stars«. Hier folgen wir dem Karriereweg von Del, einer jungen Frau, die zu Beginn der Erzählung mittels Crispr-CAS9 die DNA-Sequenz von Spinnen verändert, mit dem Ziel einen techno-organischen Spacetravel-Hybrid zu erzeugen. Der Höhepunkt der Geschichte ist Dels Begegnung mit Solaria Grande, einer Tech-Investorin, die auf der Suche nach nachhaltigen Innovationen Dels Arbeit beurteilt. Mok beschreibt sie wie folgt:

Metres away from [Del] sat Solaria Grande, her brown skin dusted with holographic flecks, her frohawk teased with grey and threaded with light-emitting filaments. Cybernetic contacts made her irises a sigil of golden circuitry, and she looked every inch the ecological goddess who’d forced the desert into retreat. Her seedplanting drones had strafed the land with precisely mapped grasslands, scrub and forests. Her educational programs and support networks had empowered communities to manage the natural regeneration of dormant vegetation systems. (»Spider« 23)

An der kurzen Figurenbeschreibung von Solaria Grande spiegeln sich viele der Wertvorstellungen der Bewegung wider; wie kulturelle Vielfältigkeit, sozialer Zusammenhalt, Nachhaltigkeit und der Glaube an den technologischen Fortschritt. Als weibliche Person of Color mit Frohawk bildet sie das Solarpunk-Gegenstück zu Personen des öffentlichen Lebens wie z. B. Elon Musk. Während der eine phallische Raketen in den Weltraum schießt oder mit Riesenbohrern die Erde penetriert,7 setzt sich Solaria Grande für die Revitalisierung der Umwelt, die Aufforstung von Wäldern und nicht zuletzt für die Selbstermächtigung von Gemeinschaften ein – auch hier mit Hilfe von neuen Technologien. Der Verweis auf die Seedplanting Drones greift dabei das technosolutionistische Hoffnungsnarrativ von Solarpunk-Erzählungen auf: Die imaginierten Utopien spielen sich vor dem Hintergrund von neuen Technologien ab. Technik steht hier im Dienst der erstrebenswerten Ideale und wird als Heilsbringer und zur Lösung von sozialen Problemen gedacht. Dieses Technik-Imaginär grenzt das Sub-Genre von anderen, zeitgenössischen Formen der SF ab. Während bei dem älteren Bruder Cyberpunk und seinem oft zitierten Credo High-Tech Low-Life die technologischen Innovationen häufig verwendet werden, um die Bewohner der imaginierten Welten zu unterdrücken (vgl. Mehnert, »De-Constructing«), werden die umweltfreundlichen Technologien im Solarpunk als Retter der Menschheit gedacht und bekommen eine unterstützende Rolle zugeschrieben. Darüber hinaus sind es keine (meist männliche, weiße) Einzelkämpfer mehr, die, sich gegen die Megacorporations behaupten, sondern die Geschichten handeln von Communities,8 die zusammenhalten und gemeinsam die Welt verändern.

Die Community in Solarpunk

Bisher beschränken sich die selbstsituierten Solarpunk-Werke auf Kurzgeschichtensammlungen. Doch auch außerhalb des offiziellen Kanons finden sich zeitgenössische Romane, die sich dem Genre zuschreiben lassen könnten. Dazu zählen die beiden Near-Future-SF-Romane9 Freedom (dt. Darknet) von Daniel Suarez und Cory Doctorows Walkaway.

In Freedom beschreibt Suarez eine künstliche Intelligenz (KI), die sich über das Internet ausbreitet und Stück für Stück die Gesellschaft verändert. Während in dem Vorgängerroman Daemon die Darstellung der KI vorerst klassischen Cyberpunk-Tropen folgt, wendet sich im zweiten Teil das Blatt und Suarez beschreibt die Entstehung einer Techno-Utopie, die von antagonistischen Großkonzernen mit allen Mitteln aufgehalten wird. An einem Moment im Buch geht Suarez auf die Rolle von autonomen Communities und ihrem Umgang mit neuen Technologien ein:

Her massive pointer moved to the base of the 3-D tower model, only a fifth of which was completed in reality. A loping base surrounded the wire model as though it were a trumpet placed horn-down in the soil. »This design uses a transparent canopy to superheat air with solar radiation – energy that gets through cloud over. The canopy is eight feet off the ground at the perimeter and slopes up to sixty feet above ground where it connects to the tower base. As the air heats, it rises, creating a wind that proceeds up to the tower – which is lined with wind turbines. […] This tower – and other installations – will provide clean, sustainable energy and freshwater from the elemental building blocks of matter.« (Suarez, Freedom 84)

Die Beschreibung der innovativen Wind- und Solarkraftanlage stammt von der fiktiven Figur Riley, die Schamanin der indigenen Community »Two-River«. In Riley vermischt sich Spiritualität und Technologie.10 Ihre Kenntnisse über die Energieanlage stammen aus dem Darknet, einer Open-Access-Plattform, die Zugang zu frei verfügbaren Blaupausen für nachhaltige Technologien zur Verfügung stellt und unterschiedliche Communities miteinander vernetzt.

Ganz ähnlich beschreibt auch Doctorow den Um- und Zugang zu neuen Technologien. In seinem Roman Walkaway stellt er zwei Welten gegenüber: Auf der einen Seite steht default die moderne, kapitalistische Gesellschaft der Großkonzerne, wie wir sie aus den Cyberpunkvisionen und unserer eigenen Realität kennen, auf der anderen Seite die Welt der Walkaways, die Solarpunk-Utopie und der Traum von autonomen, hochtechnisierten Communities, die im spirituellen Einklang miteinander und mit der Umwelt leben. Durch die Gegenüberstellung schafft Doctorow nicht nur einen zentralen Konflikt in dem Roman, sondern kritisiert damit unsere gegenwärtige Art zu Leben und unseren Umgang mit dem Klimawandel:

The anthropocene is about collective action, not individuals. That‘s why climate change is such a clusterfuck. In default, they say that it‘s down to individual choice and responsibility, but reality is that you can’t personally shop your way out of climate change. […] Nothing you do, personally, will affect that, unless it‘s you, personally, getting together with a lot of other people and making a difference. (102)

Die Communities selbst zeichnen sich durch ihren offenen Zugang zu neuen Technologien aus. Ähnlich wie bei Suarez teilen sie das Wissen untereinander, um so die Situation für alle gleichermaßen zu verbessern. Diese Techno-Utopie manifestiert sich hier in dem transhumanistischen Traum des Mind-Uploads, der zugleich den Konfliktmoment zwischen der default- und der Walkaway-Welt darstellt:

Which brings us back to your original questions: What are we working on that would make someone from default want to reduce us to a crater? […] We’re trying to find a cure for death […]. It’s kind of a big deal. (132)

Angetrieben von dem Traum der absoluten Freiheit und Unsterblichkeit entwickelten die Walkaway-Communities eine Technologie, die es ermöglicht, den eigenen Geist in eine digitale Simulation zu transformieren. Hieran zeigt sich der Moment der Hoffnung im Solarpunk: Es ist nicht die Technologie selbst, die über den Grad der Freiheit innerhalb einer Gesellschaft bestimmt, sondern die Art der Einbettung in die Gesellschaft. Zentralisiert in den Händen von multinationalen Konzernen, wie es von William Gibson in Neuromancer prototypisch für den Cyberpunk imaginiert wurde, verstärkt die Technologie die soziale Ungerechtigkeit innerhalb einer Gesellschaft. Denkt man den Zugang zu Technologie dagegen dezentral, offen und adaptierbar von allen, sowie es im Solarpunk geschieht, so lassen sich utopische Visionen entwickeln, die Teilhabe ermöglichen und am Ende zu mehr Autonomie und Gleichberechtigung führen.

Fazit

In der Wissenschafts- und Technikforschung wird seit geraumer Zeit das Konzept der »sociotechnical imaginaries« (Jasanoff und Kim) diskutiert. Damit sind Visionen von Formen des sozialen Zusammenlebens und der sozialen Ordnung gemeint, die durch Fortschritte in der Wissenschaft oder durch neue Technologien erreicht werden könnten. Diese Visionen verbreiten sich über die Kommunikation von Technikzukünften innerhalb einer Gesellschaft und beeinflussen nicht nur die Art und Weise, wie wir über die Zukunft nachdenken, sondern auch wie wir in der Gegenwart handeln, um diese Zukünfte zu verhindern oder zu ermöglichen. Die Visionen liefern uns Orientierung, um unser gegenwärtiges Handeln auf die Zukunft auszurichten.

Dystopische Fiktionen dienen uns dabei als Warnung (vgl. Schmeink), da sie uns helfen unser Fehlverhalten zu erkunden und zu verhindern. Gleichzeitig braucht es die Utopien, um uns Alternativen aufzuzeigen, erstrebenswerte Zukünfte denkbar zu machen und über die Verbreitung die Visionen zu normalisieren. In diese Kerbe schlägt Solarpunk. Über die oben vorgestellten Narrationen sowie viele weitere Illustrationen, Videospiele und Real-Life-Communities schafft die Bewegung hoffnungsvolle Visionen einer besseren Welt, die langsam aus der Fiktion auch in andere Diskursräume diffundieren. Doch wie bei jeder subversiven Bewegung schwingt auch hier die Gefahr der Kommodifizierung und Inkorporation durch marktwirtschaftliche Dynamiken mit. Soll heißen, solange diese Vorstellungen auf einer rein symbolischen Ebene bleiben, wirken sie auch nur als Zeichen in die Welt und schaffen keine Veränderungen über die Ebene der Symbole hinaus.

So hat sich Solarpunk zwar zum Ziel gesetzt, sich als gegenwärtiges Bild für eine hoffnungsvolle Zukunftsvorstellung zu etablieren – das bedeutet aber nicht, dass die Visionen auch eine zukünftige Gegenwart werden. Das Potenzial dafür liegt in dem Wechselspiel zwischen Imagination und Handlung. Solarpunk liefert Inspiration und Einblicke in diese neue Lebenswelt und fordert über die Visionen zum Handeln auf. Es ist der Moment der kognitiven Verfremdung, der zur Einstellungsänderung einlädt und dadurch zur Verhaltensänderung führen kann. Folgt man der Ideologie der Solarpunks, so ist diese Verhaltensänderung mehr als nur eine Kaufentscheidung im Bücherregal, sondern eine gemeinschaftliche Veränderung von gewohnten Lebensweisen – oder wie Doctorow es beschrieben hat: »You can‘t personally shop your way out of climate change. […] Unless it’s you, personally, getting together with a lot of other people and making a difference« (102).

Autor

Wenzel Mehnert ist Kultur- und Medienwissenschaftler und arbeitet als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Universität der Künste Berlin und der Technischen Universität Berlin. In seiner Forschung untersucht er das Zusammenspiel zwischen Technikzukünften und technologischer Entwicklung. Dafür entwickelt er kreative Methoden zur Reflexion von Zukunftsvorstellungen mit gestalterischen Mitteln aus Design und Literatur und gibt Seminare zur medialen Darstellung von Zukunftsimaginären. In seiner Doktorarbeit widmet er sich dem Science-Fiction Subgenre Neuropunk und analysiert die gegenwärtigen und vergangenen Imaginäre des Neurointerfaces in der Popkultur.

Die Dystopie ist da, die Utopie ist tot – es lebe die Anti-Dystopie!

Isabella Hermann

I recently switched my power provider to 100% wind. For the first few days I felt efficient and virtuous and pure, until I realised that what was really the case now was that I could have a rave in every single room of my house and do no harm to Earth.

Timothy Morton

In seinem letzten Redetext »Wer wir waren« betrachtet Roger Willemsen unsere Gegenwart aus der Zukunft. Demnach seien unsere ersten Vorfahren, die von den Bäumen herunterkamen und den aufrechten Gang lernten, »die letzten kompletten Menschen« gewesen, denn seither befinde sich der Mensch in der Krise, »der Krise des Homo habilis, der Krise des Homo erectus, und endlich der Krise Homo sapiens genannt, die sich als die Krise der ganzen Welt herausstellen sollte« (Willemsen 8). Und ja, wir sind umgeben von weltumspannenden und selbstgemachten Bedrohungen. Dazu zählen nicht nur Klimawandel, Wetterextreme, Ressourcenknappheit, Umweltzerstörung, Artensterben und Pandemien, sondern auch fortdauernde globale Ungerechtigkeiten, Postwahrheit, demokratischer Backlash, Überwachung und nicht zuletzt der rasante technische Fortschritt durch Digitalisierung und Künstliche Intelligenz. Diese Ängste der Gegenwart in die Zukunft gedacht, drücken sich in dystopischen Erzählungen aus. Dystopien – nach dem griechischen Ursprung ›schlechte Orte‹ – sind aus der Science-Fiction und darüber hinaus bekannt: Bücher wie Paolo Bacigalupis The Water Knife (2015), Blockbuster wie Mad Max: Fury Road oder die Serie Black Mirror zeigen aktuelle besorgniserregende Tendenzen zu Klimaveränderungen, Herrschaftsformen und Technikentwicklung auf, indem sie diese ins negative Extrem steigern. So müssen wir auf einer verwüsteten Erde in anarchischen Zuständen um unser Überleben kämpfen oder werden zu Opfern unseres eigenen dehumanisierenden technologischen Fortschritts. Das kann Menschen wachrütteln und zum Nachdenken bewegen.

Allerdings bieten dystopische Erzählungen wenig Raum für vorwärtsgewandtes und gestalterisches Denken und Handeln, weil sie über die Kritik an der Gegenwart hinaus kein Angebot für eine bessere Zukunft machen. Vielmehr verbreiten sie Resignation und Selbstgefälligkeit, weil es den Anschein hat, wir könnten die negative Zukunft sowieso nicht abwenden – sie wird uns schließlich immer wieder vorgeführt. Dystopien können auch eine Absolution sein, eine Katharsis im Sinne der griechischen Tragödie, die uns mit ihrem Schrecken durch unsere affektiven Erregungszustände läutert, ohne dass wir etwas an uns und der Gesellschaft ändern müssten oder könnten; oder man spricht gleich von einer Art Schadenfreude von Bürgern spätkapitalistischer, hochentwickelter Staaten »about those unfortunate fictional citizens whose lives have been trashed by our own political inaction« (Robinson, »Dystopias Now«). Letzteres ist besonders zynisch, da die von der westlichen Welt gezeichneten in der Zukunft liegenden Klimakatastrophen und Negativszenarien für viele Menschen – vor allem des globalen Südens – schon Realität sind (vgl. Rothe). Was William Gibson in einem Interview für die USA benennt, kann genauso gut für Europa gelten:

Much of the planet’s human population, today, lives in conditions that many inhabitants of North America would regard as dystopian. Quite a few citizens of the United States live under conditions that many people would regard as dystopian. Dystopia is not very evenly distributed. (Riesman)

Doch nicht nur in der SF sind dystopische Erzählungen als Spiegel unserer Sorgen en vogue, sie scheinen mittlerweile die Gesellschaft als Ganzes zu durchdringen. Laut dem Soziologen Harald Welzer, würde vor allem bei jungen Menschen ein »Zukunftsbild der Apokalypse« dominieren, so habe man als unter 30-Jährige in Deutschland »nie etwas anderes gehört, als dass die Welt am Abgrund steht« (Welzer). Die Fridays-for-Future-Bewegung beispielsweise kämpft zwar für eine lebenswerte Zukunft, doch tut sie dies stark mit dem Ausmalen von Schreckensszenarien (vgl. Herold). Dabei lähmt ›Katastrophenpädagogik‹ im Hinblick auf die Veränderung des Umweltbewusstseins eher, als dass sie es fördert, weil Ängste und Abwehrmechanismen entstehen können (vgl. Meske 85–98, Kühnert).11 Wenn Roger Willemsen gleich die ganze Menschheitsgeschichte als eine des Niedergangs erzählt und dabei beschreibt »wie wir Tag für Tag Nachrichten über Klimawandel und Artensterben konsumieren und doch an unserem Verhalten nicht das Geringste ändern« (Flaßpöhler), dann vielleicht genau wegen dieses anklagenden Tons. Dystopische Erzählungen können ein Weckruf sein, sie zeigen dabei aber vor allem Hoffnungslosigkeit.

Um dieser Hoffnungslosigkeit etwas entgegenzusetzen, werden allenthalben utopische Entwürfe hin zu einer gerechten und friedlichen Gesellschaft gefordert. Denn Utopien als erstrebenswerte und wünschenswerte Zukünfte kritisieren nicht nur die Gegenwart, sondern formulieren positive Bedürfnisse, schaffen neue Ideen durch das Öffnen von (Un)Möglichkeitsräumen und Gedankenexperimenten, und liefern Motivation und Orientierung zum Handeln (vgl. Vögler). Die Entstehung des Begriffs ›Utopie‹ – aus dem Griechischen als Nichtort oder guter Ort zu übersetzen – und damit der literaturgeschichtlichen Gattung wird auf 1516 datiert, als Thomas Morus seine Utopia als positives Gegenmodell der damaligen englischen Gesellschaft entwarf.12 Da war Utopia noch ein zur gleichen Zeit existierender aber unerreichbarer Ort. Ab dem 18. Jahrhundert verlagerte sich die Utopie vom Örtlichen ins Zeitliche, also in die Zukunft, womit die Möglichkeit bzw. die Aufforderung einherging, jene gemäß dem vorherrschenden Fortschrittsoptimismus auch zu verwirklichen. Mit Ernst Bloch wird diese potenzielle Verwirklichung ab den 1950-Jahren zur ›konkreten Utopie‹, die »an der Grenze zur Unmöglichkeit als Zukunftsvision für strategisches Planen und Handeln fungieren« kann (Boettcher 16). Jenseits des literarischen Genres entwickelt sich also eine Denktradition, welche die Utopie als politisches Projekt versteht.

Gleichzeitige war das 20. Jahrhundert allerdings auch geprägt vom Scheitern großer utopischer Ideen – des Kommunismus und des Liberalismus – sei es wegen des totalitären Anspruchs und/oder wegen der Lücke zwischen Anspruch und Wirklichkeit. Der Utopie-kritische Stanisław Lem, der dieses Jahr seinen 100. Geburtstag feiern würde, fasst es in einem Interview von 1992 so zusammen:

Im Grunde genommen sehen wir jetzt etwas Paradoxes: Der Zusammenfall der Sowjetunion, das Auseinanderfallen dieses Imperiums hat uns in ein Chaos gestürzt. Ein Chaos anstelle dieser wunderbaren Zukunft, die sich alle vorgestellt haben. Es wird schon alles schön sein, es gibt keine Probleme. Wir sprechen mit dem Historiker Francis Fukuyama vom »Ende der Geschichte«. Aber wir haben mehr Probleme, als wir je hatten. (Stock)

Gesellschaftliche utopische Ideen haben sich offensichtlich in ihr dystopisches Gegenteil verkehrt, man spricht auch von Anti-Utopien. Diese beschreiben eine Kritik am utopischen Denken, das in der Umsetzung an der Fehlbarkeit der Menschen scheitern muss (vgl. Balasopoulos). Der Rückgang von Utopien ist aber nicht nur mit der Desillusionierung durch die Anti-Utopie zu erklären, sondern auch mit einem Verlust an Glaube und Vertrauen, »dass wir als Menschen die Fähigkeiten und die Handlungsmacht haben, nicht nur die Probleme und Herausforderungen der Welt zu identifizieren, sondern diese auch tatsächlich zu lösen« (Boettcher 17).13 Hier schließt sich der Kreis zu den aktuell populären dystopischen Erzählungen, die auch als Ausdruck des gefühlten Kontrollverlusts verstanden werden können.

Mit den großen utopischen politischen Projekten sind auch literarische Utopien der perfekten Gesellschaft aus der Mode gekommen – sie scheinen sich nicht direkt genug auf die Bedingungen des intellektuellen und kulturellen Lebens unserer Zeit zu beziehen (vgl. Kumar 564). Vielleicht fehlt Utopien das Konfliktpotential, das spannende Geschichten ausmacht. Für Lem »[…] eignet sich dieser Begriff der Utopie, dieses perfekte Glück überhaupt nicht als Thema für Literatur, weil sich Literatur auf einer konfliktlosen belletristischen Ausarbeitung überhaupt nicht weiterentwickeln kann« (Stock).14 Aufs Äußerste gesteigert, zeigen beispielsweise SF-Filme »catastrophic futures with the worst conflicts they could imagine«, um durch Konflikt Aufmerksamkeit bei den Zuschauer*innen zu erzeugen (Montazami 179). Dystopische Geschichten können noch so repetitiv und phantasielos sein und uns die immer gleichen Postapokalypsen auftischen (vgl. Wilk), sie befriedigen auch unseren Durst nach Entertainment und »Disaster Porn«.15

Wie können wir nun aus der Dystopie ausbrechen, die uns überall zu umgeben scheint, und hoffnungsvolle und positive Zukünfte erzählen und gestalten? Wie die in der Utopie angelegte Anti-Utopie überwinden, also den Gap zwischen der historisch aufgeladenen perfekten Utopie und der unperfekten Realität?16 Und wie das fehlende Konfliktpotential für glaubwürdige und mitreißende Geschichten herstellen?

Indem wir nicht nach der unerreichbaren perfekten Utopie streben, sondern gegen die uns umgebenden dystopischen Erzählungen rebellieren! Das heißt zum einen, dass wir gegen zukünftige Schreckensszenarien Widerstand leisten. Fridays for Future spricht von zehn Jahren, die uns nach wissenschaftlichen Erkenntnissen noch bleiben, um den Klimawandel in den Griff zu bekommen und die beschworene Klima-Apokalypse abzuwenden. Doch folgt man dem aktuellen IPCC-Sachstandsbericht, scheint es sehr unwahrscheinlich, dass wir die CO2- und andere Treibhausgasemissionen in den nächsten zehn Jahren so drastisch reduzieren können, dass die Temperaturen nicht um 1,5°C oder 2°C ansteigen – mit allen negativen Konsequenzen wie beispielsweise vermehrte Extremwetter (IPCC 2021). Natürlich müssen wir uns für politische und technische Lösungen zur Reduktion der Treibhausgase einsetzen, aber vor allem auch dafür, dass wir bei der Verfehlung der Ziele nicht in einer (post)apokalyptischen Welt mit allen Entbehrungen um unser Überleben kämpfen müssen. Vor diesem Hintergrund scheint es wenig zu nützen, dem Klimawandel – wie es Jonathan Franzen ausdrückt – »den totalen Krieg zu erklären«, vielmehr gewinne alles andere, dass für zivilere und gerechtere Gesellschaften auf der ganzen Welt sorge, an Bedeutung und Dringlichkeit, beispielsweise die Förderung von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit, der Kampf gegen extreme Vermögensunterscheide und Diskriminierung aller Art, die Verbannung von Waffen und eine humane Einwanderungspolitik (Franzen 35). Damit rebellieren wir zum anderen auch gegen Dystopien im Hier und Jetzt.

Literarisch folgt diesem Programm beispielsweise der SF-Autor Kim Stanley Robinson, indem er zukünftige Welten erdenkt, die massiv von den Folgen des Klimawandels gezeichnet sind, in denen wir Menschen aber dennoch ein gutes Anthropozän schaffen können. In seinem vorletzten Roman New York 2140 zeigen sich in der durch den Anstieg des Meeresspiegels überfluteten Metropole dennoch Szenen eines besseren Lebens; den aktuellen Roman Ministry for the Future beschreibt er selbst als »anti-dystopian«, als »resisting the idea that things are necessarily going to be bad. […] It’s not a utopian novel, because they haven’t solved the problems, but have resisted dystopia« (Danaylov). Die Zukunft wird unvollkommen, chaotisch und konfliktreich, aber wir können sie als Anti-Dystopie allen Widrigkeiten zum Trotz zu einem guten Ort machen – oder jedenfalls nicht notwendigerweise zu einem schlechteren verkommen lassen. Neben der Climate Fiction finden sich auch beispielsweise im Solarpunk17 oder Afrofuturismus18 anti-dystopische Haltungen, die aktivistisch und ermächtigend sind. Die Anti-Dystopie als Haltung geht gegen die Langeweile in der Utopie und die Faulheit der Dystopie vor und erzählt spannende Geschichten, die zu unserer Lebenswelt sprechen.

Nach der Anti-Dystopie zu streben, bedeutet die Widersprüchlichkeiten der Welt jetzt und in der Zukunft zu umarmen. Denn Widersprüchlichkeiten finden sich überall: In solutionistischer Technikgläubigkeit vs. unbegründeter Technikskepsis, in Konsumkritik und Shaming vs. Konsumerismus und Verschwendung, in liberalen Gesellschaften vs. Cancel Culture. Das Reiben an diesen und anderen Gegensätzen machen die Funken des Menschseins aus. Roger Willemsen beschreibt in »Wer wir waren« die andauernde menschliche kulturelle Verfallsgeschichte. Aber auch wenn er so tut, als würde er aus der Zukunft schreiben, muss seine Kritik an der Gegenwart von einem Punkt seiner Vergangenheit kommen, den er für besser befand. Er kennt die Zukunft ebensowenig, wie Sie als Leser*in, ich selbst oder Steven Pinker, der die Menscheitsgeschichte im Gegenteil als eine Folge von positiven Errungenschaften hin zu weniger Gewalt und mehr Rechten erzählt (Pinker). Des einen Utopie ist des anderen Dystopie – eine anti-dystopische Haltung stellt sich dabei gegen Extreme der Dystopie und der (Anti-)Utopie und sieht, dass Menschen beides in sich tragen.

Die Anti-Dystopie denken heißt auch zu sehen, dass Zeit selbst widersprüchlich ist. Die Welt funktioniert nicht in linearen Geschichtsverläufen, denn die Vergangenheit und die Zukunft sind zu jeder Zeit für jede*n anders. Timothy Morton wirbt in seiner Dark Ecology dafür, in verschiedenen Zeithorizonten und damit nicht in Einheits-Politiken zu denken, vielmehr bräuchten wir Politik »[…] that includes what appears least political—laughter, the playful, even the silly. We need a multiplicity of different political systems«. Das Spielerische und Alberne ist nie perfekt. Die Anti-Dystopie weist den Weg in unperfekte, aber bessere Zukünfte. Timothy Morton schreibt weiter, dass das eigentlich Gute an seiner Umstellung auf Windenergie nicht sei, dass er sich nun effizient, tugendhaft und rein fühle, sondern dass er einen Rave in jedem Zimmer seines Hauses veranstalten könne, ohne der Erde zu schaden. Lassen Sie uns gegen die dystopischen Erzählungen einen ›Rave‹ in bessere Zukünfte veranstalten – vielleicht hätte Roger Willemsen ja sogar daran teilgenommen.

Autorin

Dr. Isabella Hermann ist Politikwissenschaftlerin und arbeitet als Autorin, Rednerin, Moderatorin und Kuratorin an der Schnittstelle von Future Literacy und Science Fiction. An der Science Fiction interessiert sie insbesondere, was das Genre über unsere Gesellschaft verrät und wie politische Strukturen dargestellt werden. Isabella Hermann ist zudem im Direktoren-Team des Berlin Sci-fi Filmfest.

Notes

  1. So baut das Glück Utopias auf Zwangsarbeit (Morus 59), Sklaverei (60, 77), Überwachung (67), Krieg (74), Redeverboten (65) und strengen Hierarchien (75, 77), die als nötige Übel in Kauf genommen oder durch die freiwillige Teilnahme der Bevölkerung gerechtfertigt werden. [^]
  2. Im Folgenden abgekürzt durch LHD und Seitenzahl. [^]
  3. Mark Fisher, Fredric Jameson, Slavoj Žižek? Niemand weiß es so genau. [^]
  4. Der folgende Beitrag ist ein Auszug aus dem Artikel »Solarpunk oder wie SF die Welt retten will«. [^]
  5. Das Foto von dem Schild wurde Anfang 2020 zu einem populären Internet-Meme. [^]
  6. Sogenannten Micropresses, das heißt kleine Verlage, die in der Regel von ein oder zwei Personen betrieben werden und die Werke anderer Autor*innen herausbringen. Da Micropress-Verlage meistens Nischen bedienen, sind die Werke selten in gängigen Bücherläden erhältlich. Ironischerweise ist es ausgerechnet der kapitalistische Riese Amazon, der mit seinem Print-On-Demand-Service viele der Solarpunk-Arbeiten erst ermöglicht, wie der Zusatz »Printed in Poland by Amazon Fulfillment« auf der letzten Seite einiger Sammelbände verrät. Als Alternative dazu lassen sich die Werke auch direkt über die Website beziehen. Die Print-On-Demand-Version wird dann von dem Anbieter Ingram gedruckt. [^]
  7. Vgl. Elon Musks Projekte Space X und Boring Company. [^]
  8. Ähnliche Tropen finden sich auch schon im Cyberpunk, wie zum Beispiel der Rastafaria-Community des Zion Clusters in William Gibsons Neuromancer (1984) oder deren visualisierten Iteration, den LoTeks, bei Johnny Mnemonic (US 1995, Regie: Robert Longo). Doch während diese Communities im Cyberpunk noch als Widerstands-Bewegung die Rolle der Enabler erhielten, avancieren sie im Solarpunk zum Protagonisten. [^]
  9. Vgl. zu dem Thema der Near-Future-SF auch Mehnert, »Dystopische Möglichkeitsräume«. [^]
  10. Als der Protagonist der Erzählung das erste Mal auf Riley trifft begrüßt sie ihn mit den folgenden Worten: »Yesterday an avatar appeared to me on a deep layer. She was like an angel. A beautiful woman with copper hair and alabaster skin – bathed in light. She said you would come.« (Suarez, Freedom 71). [^]
  11. Psychologen sprechen bei Angststörungen im Zusammenhang mit dem Klimawandel bereits von »Climate Anxiety‹«. [^]
  12. Unabhängig vom Begriff der ›Utopie‹ wird utopisches Denken bis auf Platon zurückgeführt: In seiner Politeia beschreibt er die philosophische Utopie eines totalitären Staates, in der sich die Einzelnen zum Wohle der Gemeinschaft unterordnen – nach heutigem Verständnis ist das freilich als eine Dystopie einzustufen. [^]
  13. Gesellschaftliche Probleme technisch lösen zu wollen, bieten die Technikutopien des Silicon Valley an, die von Evgeny Morozov als »Solutionismus« kritisiert werden, da sie nicht hinterfragen, was hinter den Problemen liegt; mit der Problematik, dass Technik nicht neutral sein kann, sondern immer in ein soziotechnisches System eingebettet ist, befasst sich das Forschungsfeld der Science & Technology Studies. Das Phänomen, die Utopie in einer ›besseren Vergangenheit‹ zu suchen, die so nie existiert hat, beschreibt Zygmunt Bauman mit dem Begriff ›Retrotopia‹. [^]
  14. In der DDR beispielsweise fanden »Filme, die den ideologischen Ansprüchen der Machthaber entsprachen, […] meistens keinen Anklang beim breiten Publikum, wohingegen solche, die die Kinosäle füllten, oft eher von privaten Wünschen und Ängsten handelten als von gesellschaftspolitischen Utopien« (Schwartz). [^]
  15. Susan Sontag schreibt dazu »Science fiction films are not about science. They are about disaster, which is one of the oldest subjects of art. In science fiction films, disaster is rarely viewed intensively; it is always extensive. It is a matter of quantity and ingenuity. If you will, it is a question of scale« (Sontag 44). [^]
  16. Fredric Jameson schlägt die »Anti-Anti-Utopie« vor, denn »those mindful of the very real political function of the idea and the program of Utopia in our time, the slogan of anti-anti-Utopianism might well offer the best working strategy« (Jameson xvi). Etwas anders ausgedrückt, trägt die Anti-Anti-Utopie also dem Befund Rechnung, dass die Utopie am Menschen scheitern muss, und zur Anti-Utopie wird, die Menschen aber wiederum, die sich dessen bewusst sind, dagegenstellen können. Allerdings überwindet der Begriff weiterhin nicht die Orientierung an einer Utopie als Konzept. [^]
  17. Vgl. für eine aktuelle Darstellung Mehnert »Solarpunk oder wie SF die Welt retten will«, sowie Mehnerts Beitrag im Forum. [^]
  18. Vgl. für eine aktuelle Darstellung Kelly. [^]

Konkurrierende Interessen

Der Autor*innen hat keine konkurrierenden Interessen zu erklären.

Filmografie

A Girl Walks Home Alone at Night. Regie: Ana Lily Amirpour. US 2015.

Black Mirror. Idee Charlie Booker. GB/US 2011–2019.

Bram Stoker’s Dracula. Regie: Francis Ford Coppola. US 1992.

Dracula. Regie: Tod Browning. US 1931.

Game of Thrones. S08E06: The Iron Throne. Regie: David Benioff und D. B. Weiss. US 2019.

Johnny Mnemonic. Regie: Robert Longo. US 1995.

Let the Right One In (So finster die Nacht). Regie: Tomas Alfredson. SE 2008.

Mad Max: Fury Road. Regie: George Miller. US/AU 2015.

Nosferatu – Eine Symphonie des Grauens. Regie: F.W. Murnau. DE 1922.

The Day After Tomorrow. Regie: Roland Emmerich. US 2004.

The Haunting of Bly Manor. Idee: Mike Flanagan. US 2020.

Titane. Regie: Julia Ducournau. FR/BE 2021.

True Blood. Idee: Alan Ball. US 2008–2014.

Twilight (Twilight – Biss zum Morgengrauen). Regie: Catherine Hardwicke. US 2008.

Ludografie

Cyperpunk 2077. Studio: CD Project Red. 2020.

Disco Elysium. Studio ZA/UM. 2019.

Life Is Strange: True Colors. Studio: Deck Nine Games. 2021.

The Walking Dead. Studio: Telltale Games/Skybound Games. 2012–2019

Zitierte Werke

Adichie, Chimamanda Ngozi. »The Danger of a Single Story«. Ted, 2009, www.ted.com/talks/chimamanda_ngozi_adichie_the_danger_of_a_single_story, 11. Aug. 2021.

Auerbach, Nina. Our Vampires, Ourselves. University of Chicago Press, 1995. DOI:  http://doi.org/10.7208/chicago/9780226056180.001.0001

Balasopoulos, Antonis. »Anti-Utopia and Dystopia: Rethinking the Generic Field«. Utopia Project Archive, 2006-2011. School of Fine Arts Publications, 2006. 59–67.

Bauman, Zygmunt. Retrotopia. Edition Suhrkamp, 2017.

Bielskyte, Monika. »Protopia Futures [Framework]«. Medium, 18. Mai 2021, medium.com/protopia-futures/protopia-futures-framework-f3c2a5d09a1e, 10. Aug. 2021.

Bloom, Harold. »Introduction«. Ursula K. Le Guin’s »The Left Hand of Darkness«: Modern Critical Interpretations, Hg. Harold Bloom. Chelsea House Publishes, 1987. 1–10.

Boettcher, Lilith. »Plädoyer für die Nostalgie: Zu den Potentialen der Nostalgie für die Zukunftsforschung«. Schriftenreihe Sozialwissenschaftliche Zukunftsforschung 4 (2021). DOI:  http://doi.org/10.17169/refubium-30690

Callenbach, Ernest. Ecotopia. Bantam Books, 1975.

Cornils, Ingo. »Dark Mirrors: German Science Fiction in the 21 Century«. New Perspectives on Contemporary German Science Fiction, Hg. Ingo Cornils und Lars Schmeink. Palgrave MacMillan, [in Vorbereitung].

Danaylov, Nikola. »Kim Stanley Robinson on Climate Change and the Ministry for the Future«. Singularity Weblog, 10. Jan. 2021, www.singularityweblog.com/kim-stanley-robinson, 1. Aug. 2021.

Doctorow, Cory. Walkaway. Head of Zeus Ltd., 2017.

Eriksen, Maud M. L. und Mickey Gjerris. »On Ustopias and Finding Courage in a Hopeless Situation«. Science Fiction, Ethics and the Human Condition. Hg. Christian Baron, Peter Nicolai Halvorsen und Christine Cornea. Springer, 2017. 217–245. DOI:  http://doi.org/10.1007/978-3-319-56577-4_14

Flaßpöhler, Svenja. »Roger Willemsens Vermächtnis«. Deutschlandfunk Kultur, 29. Dez. 2016, www.deutschlandfunkkultur.de/essay-wer-wir-waren-zukunftsrede-roger-willemsens.1270.de.html?dram:article_id=375074, 01. Aug. 2021.

Franzen, Jonathan. Wann hören wir auf, uns etwas vorzumachen? Rowohlt Taschenbuch Verlag, 2020.

Fritzsche, Lara. Tiefrot und radikal bunt: Für eine neue linke Erzählung. Edition Nautilus, 2019.

Fukuyama, Francis. Das Ende der Geschichte. Kindler, 1992.

Gauthier, Théophile. »La morte amoureuse«. La Chronique de Paris (1836).

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